Inklusion – Sorgfalt statt Eiltempo

Grundsätzlich ist das Thema Inklusion ein positiver Grundgedanke, mit einem guten pädagogischen Ansatz. Gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung im Umgang mit Diversität kann und ist für Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen eine neue Perspektive an der man wachsen kann. Nicole Bündtner und Nadine Possinger vom VBE sind der Meinung, dass die notwendigen Voraussetzungen für eine gelungene Umsetzung durch gute vorausschauende Planung beachtet werden muss.

Nicole Bündtner Referat Junge Lehrkräfte im VBE Südbaden
Nicole Bündtner
Referat Junge Lehrkräfte
im VBE Südbaden
Nadine Possinger Referat Realschule im VBE Südbaden
Nadine Possinger
Referat Realschule im VBE Südbaden

Die Inklusion soll im kommenden Schuljahr 2015/16 ins Schulgesetz aufgenommen werden und in Kraft treten. Eltern/Erziehungsberechtigte dürfen dann relativ frei entscheiden auf welche Schule sie ihr Kind schicken. Schon jetzt wird in den unterschiedlichsten Schularten inkludiert, Chancen und Möglichkeiten der Inklusiongetestet und weiterentwickelt. Noch im Jahre 2009 war man der Auffassung, dass Inklusion kostenneutral geschehen soll. Das ist unvorstellbar! Es ist doch ersichtlich, dass eine einwandfreie Umsetzung nur durch die notwendigen finanziellen, räumlichen und sachlichen Mittel möglich ist.

Aktuell streitet sich die Landesregierung um die Finanzierung mit den Schulträgern. Es soll nach dem Konnexitätsprinzip („wer bestellt – bezahlt“) vorgegangen werden. Dies hat zur Folge, dass Schulträgern mit geringen finanziellen Möglichkeiten die Hände gebunden sind. Die Gültigkeit dieses Vorhabens wird derzeit vom Land geprüft. Momentan steht einem Kind mit einem Anspruch auf Sonderpädagogische Förderung ein Stundenkontingent für eine professionelle Fachkraft von cirka drei Stunden pro Unterrichtswoche zur Verfügung, und das nur, wenn die Sonderschule über ausreichende Ressourcen verfügt. Bereits in der ersten Klasse haben Kinder einen Stundenplan von 22 Wochenstunden. Die restlichen 19 Stunden in der Woche muss das inkludierte Kind ohne Fachkraft auskommen. Die unterrichtende Lehrkraft hat dementsprechend die Aufgabe die Kinder so gut wie möglich in den Unterricht zu integrieren. Dies stellt eine enorme Arbeitsbelastung für die Lehrkraft dar, welche sie gegebenenfalls ohne Zusatzqualifikation (z. B. Fortbildungen) leisten soll und muss.

Der VBE fordert, dass die Finanzierung geklärt wird, bevor das Schulgesetz in Kraft tritt. Zudem muss im Unterricht mit dem Zweilehrerprinzip bzw. Tandemprinzip gearbeitet werden. Das heißt, dass zusätzlich zu der unterrichtenden Lehrkraft eine weitere Fachkraft für die Kinder und Jugendlichen mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung 1:1 zur Verfügung stehen.

Zudem müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen und Ressourcen für die optimale Förderung der Kinder und Jugendlichen mit und ohne Handicap gewährleistet werden. Das bedeutet, dass entsprechendes Unterrichtsmaterial, notwendige sächliche Voraussetzungen (wie Hörgeräte, Schallschutzklassenzimmer, Geräte für Hörgeschädigte, Rampen und Aufzüge für Rollstuhlfahrer  …)  und Sonderschullehrer- und notwendige Schulbegleiter vorhanden sein müssen. Auch für ausreichende Krankheitsvertretung muss gesorgt sein.

(Hinweis: Es besteht nur für die Kinder ein Anspruch auf sonderpädagogische Förderung, wenn dieser Anspruch vom SSA festgestellt wurde. Es gibt im Bereich der Lernbehinderung viele Kinder, die nie überprüft wurden und daher auch keinerlei Ansprüche auf sonderpädagogische Unterstützung haben.  Deshalb ist es wichtig, dass die Kolleginnen der Regelschule diese Kinder zur Überprüfung melden.)

Schülerinnen und Schüler mit Behinderung, die an den Regelschulen mit den notwendigen Voraussetzungen gefördert werden können, sollen dort auch die Möglichkeit der Beschulung bekommen. Sind die notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben, so ist eine Beschulung an einer entsprechend ausgestatteten Sonderschule  für alle am Schulleben Beteiligten die bessere Lösung.

Wenn die Landesregierung weiterhin unbedacht Dinge in die Wege leitet ohne vorausschauend zu planen, steht irgendwann die Schule „light“ im Zentrum des Geschehens. Wir wollen eine GUTE SCHULE und keine Schule „light“ bei der es schlichtweg nur um die Grundversorgung geht. Die wichtigen Aspekte müssen vor der Durchführung abgeklärt werden, damit alle am Schulleben Beteiligten es als gewinnbringend empfinden und die Qualität des Unterrichts gewährleistet werden kann.

Neuordnung der Vorbereitungsdienste an den Seminaren und Sachstand zur Reform der Lehrerbildung

Frau Regierungsschuldirektorin Annely Zeeb, stellvertretende Leiterin des Referats Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, informierte die Teilnehmer der VBE-Fortbildung für Seminarmitarbeiter/innen, Mentor/innen und Ausbildungsberater/innen über die künftigen Veränderungen, die die Vorbereitungsdienste an den Staatlichen Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung (SSDL) und die Lehrerbildung an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren betreffen. Insgesamt kann man von intensiven und umfassenden Prozessen sprechen, da die Veränderungen beider Bereiche sehr tiefgreifend sind.

Frau Zeeb berichtete zunächst von der Neuordnung der Vorbereitungsdienste an den Seminaren für das Lehramt an Grund-, Werkreal- und Hauptschulen und das Lehramt an Realschulen ab dem 1. Februar 2016. Zu diesem Zeitpunkt kommen die ersten Absolventen der mit dem Wintersemester 2011/12 neu gestalteten Lehramtsstudiengänge an den Pädagogischen Hochschulen an die Seminare. Ab dann wird es den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grundschulen (GS-Lehramt) und einen gemeinsamen Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Werkrealschulen, Hauptschulen und Realschulen (WHR-Lehramt) geben.

Da mit dem Wintersemester 2011/12 auch das Lehramt Sonderpädagogik neu konzipiert wurde, ist auch für dieses Lehramt der Vorbereitungsdienst entsprechend neu gefasst.

Die inhaltliche Gestaltung der neuen Vorbereitungsdienste orientiert sich an den Entwicklungen in der Schullandschaft. So war ein Ziel, veränderte Unterrichtskonzepte, wie sie z.B. in den Gemeinschaftsschulen umgesetzt werden, auch im Bereich der Lehrerausbildung verstärkt in den Blick zu nehmen. Schwerpunkte bilden die Gestaltung eines an den individuellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler orientierten Unterrichts auch im Hinblick auf inklusive Settings und die Entwicklung der Diagnose-, Beurteilungs- und Evaluationskompetenz. Ein weiteres zunehmend wichtiges Feld in den Vorbereitungsdiensten ist die Entwicklung der Beratungskompetenz im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Eltern und Erziehungsberechtigten und die Begleitung von Schülerinnen und Schülern bei den Übergängen vom vorschulischen in den schulischen Bereich, von der Grundschule auf weiterführende Schularten und von den weiterführenden Schularten in die Berufsausbildung bzw. in das Studium. Die Kooperation mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen nimmt dabei in allen Schularten einen breiten Raum ein. Um diese Ziele erreichen zu können, werden die Seminare in ihrer Rolle als didaktische Zentren gestärkt.

Mit dem Kabinettsbeschluss vom Juli 2014 sind die Voraussetzungen geschaffen, dass sich die Seminare auf einer gesicherten Basis weiterentwickeln können. Alle bisherigen Standorte bleiben erhalten und bieten künftig entweder den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grundschulen oder das Lehramt an Werkreal-, Haupt- und Realschulen oder beide Formen an. Die SSDL als didaktische Zentren pflegen vielfältige Kooperationen mit den Regierungspräsidien, den Staatlichen Schulämtern, den Schulen und auch mit außerschulischen Einrichtungen in ihren Regionen, die sie zu Motoren der Schulentwicklung machen. Um dies auch künftig zu gewährleisten, sollen auch weiterhin flächendeckend alle Schulen in die Ausbildung eingebunden bleiben können.

Durch die Zusammenlegung der Seminare in Schwäbisch Gmünd gibt es künftig 18 Institutionen (Tabelle 1).

Neue Struktur der Seminare (Tabelle 1)

Tabelle

 

Die Personalstruktur innerhalb der Institutionen wird sich nicht sofort zum 1. Februar 2016 komplett verändern. In Zusammenarbeit mit den Seminarleitungen, den Regierungspräsidien und den Staatlichen Schulämtern wird die Personalentwicklung an jedem einzelnen Standort transparent, zielgerichtet und planbar in den nächsten Jahren durchgeführt.

Entsprechend den neuen Vorbereitungsdiensten wird es auch neue Prüfungsordnungen (GPO II, WHRPO II und SPO II) geben. Die Prüfungsordnungen und die landeseinheitlichen Ausbildungsstandards sind in der Endredaktion und werden gegen Ende des Jahres gemeinsam veröffentlicht. Somit sind die Voraussetzungen für die Gestaltung der neuen Vorbereitungsdienste ein Jahr vor Beginn der Ausbildungskurse ab dem 1.2.2016 geschaffen.

Viele Details der neuen Vorbereitungsdienste sind allerdings noch offen und müssen im nächsten Jahr noch geklärt werden. Insbesondere ist auch die Besoldung der dann in die Vorbereitungsdienste eintretenden Lehramtsanwärterinnen und -anwärter zu klären.

In der nächsten Präsentation wurde den Zuhörern der Sachstand der Reform der Lehrerbildung vorgestellt. Im Dezember 2013 wurde vom Kabinett beschlossen, dass eine Umstellung der Lehramtsstudiengänge von Staatsexamensstudiengängen auf Bachelor- (BA) und Masterstudiengänge (MA) erfolgen soll.

Alle Lehramtsstudiengänge werden deshalb zum Wintersemester 2015/16 auf Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt. Universitäten, Pädagogische Hochschulen und weitere Hochschulen werden künftig intensiver in der Lehrerausbildung kooperieren, um die Vermittlung fachwissenschaftlicher Inhalte noch besser mit der Vermittlung fachdidaktischer und bildungswissenschaftliche Inhalten zu verknüpfen.

Die Eigenständigkeit der Lehramtsstudiengänge in Baden-Württemberg mit ihren spezifischen Profilen bleibt erhalten. Es wird daher auch künftig Studiengänge gemäß den KMK-Lehramtstypen für die Grundschule, für die Sekundarstufe I, für das Gymnasium und für die Sonderpädagogik geben. Die Regelstudienzeit der Lehramtsstudiengänge für die Sekundarstufe I und für Sonderpädagogik wird auf zehn Semester verlängert, die für das Lehramt an Gymnasien bereits heute gilt. Die Studiengänge sollen jeweils aus 6-semestrigen Bachelor- und 4-semestrigen Masterstudiengängen bestehen.

Die Länge des Studiengangs Lehramt an Grundschulen bleibt unverändert bei 8 Semestern. Je nach Entwicklungsbedarf werden entweder die fachwissenschaftliche Ausbildung (LA Sek I, GS und SoP), oder die fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Ausbildung (Gym) in den BA/MA-Studiengängen gestärkt. Für alle Studiengänge gilt, dass der Professionsbezug verstärkt wird und Grundfragen der Inklusion verpflichtende Studieninhalte werden.

Mit dem Abschluss Master of Education können die Hochschulabsolventinnen und -absolventen dann zu den 18monatigen Vorbereitungsdiensten zugelassen werden. Für das Grundschullehramt bedeutet dies, dass mit dem Mastergrad, der nach acht Semestern erworben wird, die Zulassung zum Vorbereitungsdienst erfolgt. Aus dieser zweiten Phase der Ausbildung können anschließend pauschal 60 Leistungspunkte auf das Studium angerechnet werden, so dass ein Master of Education erworben werden kann, der 300 Leistungspunkte umfasst.

Die neuen Studiengänge ermöglichen den Lehramtsstudierenden, sich nach dem Bachelor noch einmal neu zu orientieren. Es sollen Übergänge in andere Lehramtsstudiengänge als dem zu Beginn des Studiums gewählten geschaffen werden, genauso soll der Wechsel in nicht lehramtsbezogene Studiengänge leichter möglich werden.

Um die Reform der Lehrerbildung so auszugestalten, dass die damit verbundenen Ziele erreicht werden, werden zur Zeit im Kultusministerium im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium eine Rahmenverordnung und die zugehörigen Fachpapiere erarbeitet. 60 Fachkommissionen erstellen die Fachpapiere für alle Studienfächer der Lehrämter auf der Basis der Fachpapiere der Kultusministerkonferenz. Für die Lehrämter Sekundarstufe I und Gymnasium werden für die Fächer, die in beiden Studiengängen angeboten werden (z.B. Deutsch), gemeinsame Fachpapiere hinsichtlich der Kompetenzen und Studieninhalte erstellt. Alle Fachkommissionen setzen sich zusammen aus Professorinnen und Professoren aller Hochschularten und Vertreterinnen und Vertretern der Seminare. Auf der Basis der Rahmenverordnung und der Fachpapiere können dann die Hochschulen Studien- und Prüfungsordnungen für die neuen Studiengänge erstellen und dabei eigene Schwerpunkte setzen und die Kooperation zwischen den Hochschulen auf den Standort bezogen ausgestalten.

Zusätzlich unterstützt werden die Veränderungen in der Lehrerbildung durch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung, die von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen und im Juli 2014 gestartet wurde. Für die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ stellt der Bund in den kommenden zehn Jahren bis zu 500 Millionen Euro zur Verfügung. Hochschulen können Projektvorschläge einreichen, die dann in einem zweistufigen, wettbewerblichen Verfahren begutachtet werden. Die Hochschulen sollen in ihren Förderanträgen nachweisen, wie sie die Qualität der Lehramtsausbildung an den Hochschulen verbessern wollen, wie sie das Profil der Hochschule verstärken und wie Prozesse begleitet und nachhaltig gesichert werden.

Mit dieser Vielzahl von Änderungen soll die Qualität der Ausbildung künftiger Lehrkräfte langfristig gesichert bzw. gesteigert werden. Außerdem soll die Durchlässigkeit innerhalb der Lehrerausbildung beispielsweise von einer Schulart zur anderen vereinfacht werden.

Oliver Hintzen
Quelle: Regierungsschuldirektorin Annely Zeeb
„Neuordnung der Vorbereitungsdienste an den Seminaren“,
„Sachstand der Reform der Lehrerbildung“,
VBE-Fortbildung 19.09.2014

 

 

 

VBE bringt in Erinnerung: Der Beamtenstatus von Lehrern ist für die Schulen und das Land von Vorteil

Stuttgart. Anlässlich des Streiks bei der Bahn erinnert der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg daran, dass mit schö­ner Regelmäßigkeit die Forderung erhoben werde, Lehrer ausschließlich als Arbeitnehmer und nicht als Beamte im Schuldienst zu beschäftigen, um damit die „Motivation“ der Pädagogen zu erhöhen. Bei dieser Forderung werde allzu gerne übersehen, dass der Beamtenstatus für Lehrer den Schu­len Stabilität und Kontinuität bei der Arbeit mit den Schülern garantiere.

Ein Großteil der Öffentlichkeit fordere immer wieder, Lehrer nicht im Beamten­verhältnis, sondern als Tarifbeschäftigte einzustellen, weil man glaube, dann mehr Druck auf die Pädagogen ausüben zu können, so der VBE-Sprecher. Vor dem Hintergrund des Streiks der Lokführer und die Auswirkungen auf jeden einzelnen, müsste sich jeder zweimal überlegen. ob der Beamtenstatus der Lehrer an den Schulen des Landes wirklich aufgegeben werden sollte.

Lehrer erfüllen einen staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag, erteilen Noten, nehmen Prüfungen ab, entscheiden über Erziehungs- und Ordnungsmaß­nahmen im Rahmen des Schulgesetzes, sprechen Versetzungen aus und verge­ben Schulabschlüsse, vollziehen somit obendrein „hoheitliche Aufgaben“. Die durch den Beamtenstatus nur den Gesetzen, der Verfassung und den Bildungs­plänen verpflichteten Pädagogen werden so weder parteiinterner noch interes­senpolitischer Bevormundung ausgesetzt.

Nach Auffassung des VBE sichert der Beamtenstatus der Lehrerschaft nicht nur die pädagogische Freiheit und Neutralität, sondern garantiert den Schulen gleichzeitig Kontinuität und Stabilität bei der täglichen Arbeit, da beamtete Leh­rer eben nicht streiken dürfen. Lehrerstreiks wären auch hochgradig unsozial, weil sie auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden würden und es finan­ziell besser gestellten Eltern leichter fiele, durch Streik verursachte Bildungsde­fizite ihrer Kinder mit teuren Nachhilfestunden zu kompensieren.