VBE: Realschule ist keine Gemeinschaftsschule light

Beide Schularten sollen ein klares Profil zeigen dürfen

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg schaltet sich in die Diskussion um die Zukunft der Realschule mit einer Stellungnahme des Real­schulreferates ein. Die Realschule sei keine Gemeinschaftsschule light und müsse ihr eigenes Profil zeigen dürfen, so VBE-Referatsleiter Alexander Oberst.

Alexander Oberst, Leiter VBE-Referat Realschule

Alexander Oberst, Leiter VBE-Referat Realschule

Die hartnäckige Verweigerung, Grundschulschulzeugnisse einsehen zu lassen, ist nach Auffassung des VBE-Realschulreferates ein Misstrauensvotum gegen die Lehrer der weiterführenden Schulen, die obendrein durch die Lernstandserhebung in Klasse 5 seit diesem Schuljahr völlig ad absurdum geführt worden ist. Die Empfehlungen der Kol­leginnen aus der Grundschule waren immer sehr wertvoll und präzise, so VBE-Refe­ratsleiter Oberst. Die Kooperation Grundschule-Realschule müsste sogar verstärkt wer­den, anstatt durch Geheimniskrämerei und Misstrauen die Atmosphäre zu vergiften.

Gemeinsamer Unterricht in der Orientierungsstufe kann sinnvoll sein. Allerdings muss es den Realschulen selbst überlassen werden, ob und wann eine äußere Differen­zierung sinnvoller und zielführender ist als gemeinsamer Unterricht. Schließlich arbeitet die Realschule gewohnt leistungsorientiert und kann mit äußerer Differenzierung den Begabungen der Schüler eher gerecht werden. Dies wäre auch ein Unterscheidungs­merkmal zur Gemeinschaftsschule, die binnendifferenziert – also ohne Kurssystem – bis zur Klasse 10 arbeitet. Das Elternwahlrecht würde mit dieser Unterscheidungsmöglich­keit gestärkt. Die Eltern könnten wählen zwischen einer Schule mit äußerer Differen­zierung und einer mit innerer. Außerdem muss die Realschule mit den notwendigen Lehrerstunden ausgestattet werden, damit eine äußere Differenzierung organisatorisch überhaupt möglich ist.

Das Profilfach an Gymnasium und Gemeinschaftsschule wird der Realschule gleich­falls vorenthalten. „Sind gute Realschüler etwa begabte Kinder zweiter Klasse?“, mo­niert Oberst die Benachteiligung seiner Schulart.

VBE missfällt die Reaktivierung pensionierter Lehrer für Flüchtlingskinder, toleriert sie jedoch wegen der Notsituation

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg befürwortet die Reak­tivierung von Pensionären für die schulische Bildung der Flüchtlingskinder keinesfalls, zeigt jedoch in Anbetracht der besonderen Notlage und der Dringlichkeit der Situation Verständnis dafür. Der Einsatz von Pensionären darf aber kein Dauerzustand werden.

Der VBE fordert eine konstruktive Regelung, wie der Einsatz der Pensionäre finanziell abge­golten werden soll. Aktuell ist es so, dass alles, was über die Dauer von neun Unterrichts­stunden hinausgeht, mit der Pension verrechnet wird. Nach Auffassung des VBE muss sich das Entgelt für den Einsatz an dem Betrag orientieren, der üblicherweise bei einer Verlängerung der Dienstzeit bezahlt wird. Es müssen folglich unterm Strich höhere Bezüge herauskommen.

Lehrer tragen besonders Sorge für die ihnen anvertrauten Flüchtlingskinder. Die Aufgabe er­fordert ein hohes Maß an persönlichem Engagement und geht mit einer hohen psychischen Be­lastung einher. Der Dienstherr ist daher in einer besonderen Fürsorgepflicht, wenn er Beamte aus dem Ruhestand zurückholt und wieder in den nicht ganz leichten Dienst schickt.

Der VBE weist darauf hin, dass der Einsatz der Pensionäre lediglich zeitlich eng befristet er­folgen darf und eine vorübergehende Maßnahme darstellt, mit der der besonderen Dringlich­keit der aktuellen Situation Rechnung getragen wird. Dennoch geht der VBE davon aus, dass sich diese Situation in den nächsten Jahren nicht legen wird. Die Kinder sind hier und werden viele Jahre bei uns die Schule besuchen. Es müssen folglich rasch strukturelle Maßnahmen ein­geleitet werden, die dazu geeignet sind, dieser Situation dauerhaft gerecht zu werden. Um eine qualitativ hochwertige Arbeit leisten zu können, sind sofortige Fortbildungsmaßnahmen für al­le betroffenen Lehrkräfte und Pensionäre anzubieten, wobei der Schwerpunkt auf Unterricht in Deutsch als Fremdsprache und auf Formen interkulturellen Lernens mit allen Schülern zu legen ist.

Der VBE rügt in aller Deutlichkeit, dass in Phasen wirtschaftlicher Prosperität nicht dafür Sorge getragen worden ist, eine ausreichende Vertretungslehrerreserve aufzubauen, denn dann hätte man jetzt Ressourcen, mit denen man schnell (re)agieren könnte. Obendrein ruft man jetzt genau die Personengruppe zur Hilfe, der die Landesregierung bei der letzten Lohnrunde, was Versorgung und Beihilfe im Krankheitsfall betrifft, besonders wehgetan hat.

Der VBE Baden-Württemberg sieht, welche Herausforderungen auf das Land zukommen, und ist bereit, seinen Beitrag zu leisten. Der VBE setzt auf das ehrenamtliche Engagement – auch auf das der Pensionäre. Dieser Einsatz kann sich auf alle Felder des Kümmerns und Sorgens um Flüchtlinge erstrecken. Für das Unterrichten von Kindern kann dieser Einsatz der Pensionäre aber nur temporär sein und nicht zu einem Dauerzustand werden.

VBE zum Weltlehrertag: Arbeitsbedingungen der Lehrer verbessern

Schulentwicklung darf nicht wie Schadstoffmessung bei Autos gehen

Stuttgart. Seit dreieinhalb Jahren verändert die grün-rote Landesregierung die Bildungs­landschaft in hohem Tempo und großem Umfang. Alle Lehrer müssen das umset­zen, was sich die Regierung vorgenommen hat. Diese ständigen Veränderungen lassen die Schulen kaum noch zur Ruhe kommen, beklagt der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg anlässlich des 21. Weltlehrertages.

homework tutoringAnlässlich des Weltlehrertages am 5. Oktober weist VBE-Vorsitzender Gerhard Brand auf die zunehmende Belastung der Lehrkräfte hin. Die Klage, dass Schule Lehrer krank machen könne, stimmten nicht etwa sensible, pädagogische Weicheier an, sondern sei durch diverse Untersuchungen unabhängiger Wissenschaftler empirisch nachgewiesen. Gerade die engagierteren Lehrer erwische es am heftigsten, so die Studien.

Was früher Aufgabe der Familie und des sozialen Umfelds war, wird heute bedenken­los den Lehrern aufgebürdet. Obendrein sollen sich Schulen weiterentwickeln in Rich­tung Ganztagesschule, Gemeinschaftsschule, inklusive Schule, neuer Bildungsplan; … und dann noch Flüchtlingskinder. „Lehrer müssen und können Schulen voranbringen. Sie wollen gemeinsam aufbrechen, aber nicht zusammenbrechen“, warnt der VBE-Chef.

Schulentwicklung nach den Plänen der Landesregierung funktioniert ähnlich wie die Schadstoffmessung in der Autoindustrie: unter optimierten Laborbedingungen bekommt man die geforderten Ergebnisse hin. Der Autokonzern schickt ein Rudel Ingenieure in die USA, die minimieren den Gleitwiderstand des Rollenprüfstandes und streicheln das Motorsteuergerät, bis die gewünschten Werte erreicht sind. Der VBE vermisst das Ru­del an Lehrkräften, welches uns die Landesregierung schicken könnte, um die Bedin­gungen an den Schulen zu optimieren. Stattdessen bekommt die Kollegin in einer kom­binierten Klasse vier Inklusionskinder zusätzlich und die Sonderpädagogin aus dem Förderbereich, die zur Doppelbesetzung vorgesehen war, kommt nicht, weil sie länger­fristig erkrankt ist. „Die Frage nach einer Krankheitsstellvertretung für eine erkrankte Sonderschullehrkraft löst, je nach persönlicher Disposition, Reaktionen hervor, die von Schnappatmung bis hin zu einem ungläubigen Lächeln gehen“, schildert der VBE-Vor­sitzende realen Schulalltag, „ein Lächeln, das dem Schulleiter in Not signalisiert: Was bist du doch für ein verträumter Bildungsromantiker – fern der Wirklichkeit. Denn es gibt keine Vertretungslehrkraft für die eigentlich notwendige Doppelbesetzung.“

Dennoch singt die Landesregierung – nicht nur am Weltlehrertag – das hohe Lied des Bildungsaufbruchs sowie des Schulerfolgs unabhängig von der sozialen Herkunft und vergisst dabei völlig die Fürsorgepflicht und den Gesundheitsschutz für die Pädagogen.