VBE: Dass der Kaiser in seinen neuen Kleidern nackt auf die Straße geht, sollte es nur im Märchenland geben

Stuttgart/Karlsruhe. „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, heißt es jetzt nach Schuljahresbeginn in vielen Lehrerzimmern im Land. Von den An­kündigungen der neuen Schulpolitiker ist noch nichts Habhaftes an der Ba­sis angekommen. Nach wie vor fehlt eine schulinterne Lehrerreserve, sind externe Krankheitsvertreter bereits an Schulen mit defizitärer Unterrichts­versorgung abgeordnet, ist der Ergänzungsbereich mit Stütz- und Förder­maßnahmen deutlich unterrepräsentiert, warten die pädagogischen Assis­tentinnen weiterhin vergebens auf die Verlängerung ihrer Arbeitsverträge.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Der Landesvorstand des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Würt­temberg sieht zum Schuljahresanfang noch keine positiven Veränderungen an den Schulen. „Die Sparmaßnahmen der schwarz-gelben Landesregierung wer­den, wie gehabt, von Grün-Rot weiter geführt, wenn man einmal von der `Ent­eisung´ der 711 `eingefrorenen´ Lehrerstellen absieht, die aber noch keine Wen­de in der schlechten Unterrichtsversorgung gebracht haben“, sagt VBE-Landes­chef Gerhard Brand.

Der Ergänzungsbereich, der den Schulen Stütz- und Förderkurse, Arbeitsge­meinschaften und besondere Hilfsangebote – etwa für leserechtschreibschwache Schüler – ermöglicht, ist weiter zurückgefahren worden. Einzelne Stundenüber­hänge an Schulen führten nicht etwa zu einer schulinternen Krankheitsreserve, sondern meist zu Teilabordnungen der Lehrer an andere Schulen mit Defiziten im Pflichtbereich – oft auch nur mit wenigen Stunden.

Die pädagogischen Assistentinnen an den Hauptschulen, deren Verträge alle zum 31. Januar 2012auslaufen, haben zwar seit Juni die mündliche Zusicherung der Kultusministerin, dass sie unbefristet weiterbeschäftigt werden, aber noch nichts Schriftliches in der Hand. Die pädagogischen Assistentinnen werden sich nächsten Monat als „arbeitssuchend“ im Jobcenter melden müssen.

Dass der Klassenteiler, der unter Schwarz-Gelb im Sekundarstufenbereich, von 33 schrittweise auf 28 gesenkt werden sollte, wirklich weiter gesenkt wird, scheint mittlerweile auch nicht mehr so sicher zu sein. Die aktuelle Reduzierung von 31 auf 30 Schüler pro Klasse hatte noch die alte Regierung veranlasst.

Die Inklusion soll kommen, aber keiner weiß so richtig, wie sie finanziert wird und wann die Lehrer dafür entsprechend ausgebildet sind.

Die Gemeinschaftsschule wird als Zukunftsschule in den höchsten Tönen von Grün-Rot gelobt, was man sich aber konkret darunter vorzustellen hat, bleibt nebulös.

Was passiert mit den neuen Werkrealschulen, deren Zehntklässler nächstes Schuljahr zum ersten Mal die Prüfung ablegen sollen, was mit den neuen Profil­fächern in den Klassen 8 und 9, was mit der Berufsorientierung?

Die Schulen, die schon unter Kultusministerin Schavan (CDU) über zu viele „Baustellen“ geklagt haben, sehen unter der neuen Ministerin (SPD) noch mehr „Bauzäune“ und schöne Ankündigungsplakate, die in der Schullandschaft aufge­stellt werden, ohne dass auf den neuen Baustellen etwas Konstruktives passiert.

Ankündigungen alleine bringen die Schulen nicht voran, sondern stiften Unru­he und Verwirrung, erst recht, wenn die Realisierung in den Sternen steht und über den Haushaltsplan der Landesregierung nicht entsprechend finanziell geför­dert wird. Schüler hören Märchen gerne, Realpolitiker sollten sich hüten, zu bil­dungspolitischen Märchenerzählern oder Traumtänzern zu werden und Visionen zu versprechen, die nicht umsetzbar sind, weil schlichtweg das Geld fehlt. „Dass der Kaiser dann in seinen neuen Kleidern wirklich nackt auf die Straße geht, sollte es nur im Märchenland geben“, meint VBE-Chef Gerhard Brand.

22. September 2011

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