Digitales – analog aufbereitet

 

 

Totgesagte leben länger. Diese Redensart kennen wir, und dazu fallen uns wahrscheinlich unzählige Beispiele ein, die sie belegen oder eben nicht. Mir scheint, dass es in unserem Fall allerdings mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit zutreffen könnte, dass 2016 ein Beleg für die Wiederbelebung wird. Die Rede ist von der Freien Demokratischen Partei (FDP) im Landtag Baden-Württemberg, die zwar nach der letzten Landtagswahl auch deutlich Federn lassen musste, aber im Gegensatz zu anderen Bundesländern den Einzug ins Parlament gerade noch schaffte. Mit Dr. Hans-Ulrich Rülke hat sie zwar einen Haudrauf als Fraktionsvorsitzenden, die meisten Gedanken des bildungspolitischen Sprechers Dr. Timm Kern (www.timmkern.de) sind allerdings recht überlegenswert.

Bevor wir ins heutige Thema einsteigen können, noch ein Blick auf die Bundes-FDP. Durch den Verlust politischer Macht in mehreren Parlamenten oblag es dem neuen Vorsitzenden Christian Lindner, die Partei neu aufzustellen. Äußerlich sichtbar durch ein „Magenta“, das das blau-gelbe Logo ergänzt, innerlich durch Neuüberlegungen auf der harten Bank des Außer-Parlamentarismus. Die neuerlichen Erfolge in Hamburg und Bremen machen der Partei Hoffnung, und Christian Lindner zeigt in einem Interview, dass er dazugelernt hat. Wenn die baden-württembergischen Liberalen diese Position übernehmen würden, könnte man im wahrsten Sinne des Wortes von einem „180-Grad-Dreh“ sprechen. Doch dazu unten mehr.

Bildungspolitik gleich Sparpolitik

„Es gibt nur eines, was teurer ist als Bildung: keine Bildung.“ Auch dieser Spruch ist hinlänglich bekannt und leider auch wahr. Der Landeshaushalt Baden-Württembergs weist über 43 Prozent Personalkosten auf, und der Großteil betroffener Personen sind Lehrkräfte. Deshalb ist Finanzminister Schmid (SPD) auch immer wieder darauf aus, Lehrerstellen abzubauen. Zitat: „Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft weist darauf hin, dass die Personalausgaben als größter Ausgabenblock bei der Haushaltskonsolidierung nicht außen vor bleiben dürfen. Der Abbau von Stellen ist ein Instrument, um dauerhaft Personalausgaben einzusparen. Bei Stellenabbauprogrammen sind neben einer Aufgabenkritik und einer Überprüfung von Standards insbesondere demografische Entwicklungen zu berücksichtigen. “ (Denkschrift des Landesrechnungshofs 2012). 2013 redet Grün-Rot von der Kürzung der Beamtenpensionen und 2014 / 15 werden sie von der Wirklichkeit eingeholt: Aktuelle Ereignisse -z.B. Flüchtlingswelle, Falschberechnungen des Statistischen Landesamtes usw.- zwingen Grün-Rot, von der Stellenstreichung abzusehen. Wohlgemerkt: die Kürzungen werden nicht durchgeführt, in der Presse ist aber immer wieder von Schaffung neuer Stellen die Rede, die Regierungsparteien machen es schon geschickt.

War es bei Schwarz-Gelb besser? Mitnichten! Mit Bildungspolitik war Jahrzehnte kein Blumentopf zu gewinnen. Und als diese Themen dann plötzlich in den Fokus der Bevölkerung rückten, hat die Politik lange nicht darauf reagiert. Seit den 90-er Jahren des vorigen Jahrhunderts (als die EBA-Stundenflut durch Pensionierungen abflaute) war die 100 Prozent – Versorgung auf einem so niedrigen Level angesiedelt, dass das pädagogische Niveau nur durch verstärkten Einsatz der Lehrkräfte gehalten werden konnte. Das hat die damalige CDU/FDP-Regierung ebenfalls ausgereizt. 2008 -als es nicht mehr anders ging, ohne die Lehrkräfte zu verschleißen- hat Schwarz-Gelb eine mit 530 Millionen EUR ausgestattete „Qualitätsoffensive Bildung“ auf den Weg gebracht, die 2010 auch darin gipfelte, den Klassenteiler an Grundschulen auf 28 Schüler festzusetzen. Für Realschulen und Gymnasien hat der geplante schrittweise Rückgang keine Vollendung erfahren. Mit der Wahl von Grün-Rot im Jahre 2011 war Schluss. Über die zusätzlichen Belastungen der Lehrkräfte seither brauche ich kein Wort zu verlieren. Es ist schlicht und einfach unerträglich, was die Regierung derzeit den Lehrkräften zumutet. Das merken wir vor allem an „Plus“-Aufgaben: Der Besuch von Personalversammlungen, Gesundheitstagen, Fortbildungen lässt nach, die Übernahme schulischer Zusatzaufgaben geschieht maximal murrend bis gar nicht, das Motto lautet: „Es wird schon irgendwie gehen.“

Vorstoß der Bundes-FDP / Entwicklung in BW

Christian Lindner sagt im besagten Interview (veröffentlicht am 1. Juni 2015): „Eines der Themen, die wir anpacken, wird die Digitalisierung unseres Bildungssystems sein. Unsere Kinder werden morgen in Jobs arbeiten, die wir heute noch gar nicht kennen. Trotzdem sind die Methoden in den Schulen oft noch von gestern. Warum, zum Beispiel, stellen wir nicht jedem Schüler einen Tablet-PC zur Verfügung? Mit digitalem Lernen ist eine sehr individuelle Förderung möglich, gleichzeitig würde es uns einen Innovationsschub bringen. Das heißt aber auch, dass wir deutlich mehr Geld in unser Bildungssystem stecken müssen.“ (Zitatende). Endlich hat hier ein wichtiger Politiker erkannt, wo die Cruces (Plural von Crux) unseres Bildungssystems liegen: einerseits ist es seit Jahrzehnten statistisch nachgewiesen, dass Deutschland und Baden-Württemberg weniger Geld in die Bildung stecken als der Durchschnitt der OECD-Länder, andererseits scheint Grün-Rot immer noch nicht gemerkt zu haben, dass so vielfältige wie von Kultusministerin a.D. Warminski-Leitheußer angestoßene Reformen auch die notwendige finanzielle Unterfütterung verlangen. Auf ideologischen Luftschlösser-Fundamenten und Sonntagsreden alleine lässt sich keine stabile Bildungs-Villa erbauen. Dennoch möchte ich hier eine Lanze für unseren derzeitigen Kultusminister brechen: er hat von der Vorgängerin einen bildungspolitischen Scherbenhaufen übernommen und versucht nun, das Beste daraus zu machen. Dass er dabei bei dem dem Sparwahn verfallenen Ministerpräsidenten (=Koalitionspartner) und beim Finanzminister (= Parteifreund) „betteln gehen muss“, ist ein schlechtes Zeichen in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen. Dann kommt Andreas Stoch auch auf überaus kontraproduktive Gedanken, wie beispielsweise die IT-Ausbildung an weiterführenden Schulen ganz zu streichen. Sicherlich ist es richtig, dass die heutige jugendliche Generation selbstverständlich mit Tablets und Programmen umgeht. Was aber ebenso wichtig –vielleicht noch wichtiger- erscheint, ist die Erziehung zum verantwortungsvollen und richtigen Umgang mit den digitalen Medien. Und eines bleibt sowohl bei Lindner als auch bei Stoch völlig außer Betracht: die Lehrkraft.

Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte

Man sollte doch meinen, um Schülerinnen und Schülern Neues beibringen zu können, müsste die Lehrkraft selbigen voraus sein: Also gehören nicht nur den Schülern neue Tablets und aktuelle Programme, sondern auch den Lehrkräften. Unser Arbeitgeber hält dies aber nicht für notwendig. Immer noch geht er davon aus, dass sich Lehrkräfte ihr Arbeitsmaterial selbst und auf eigene Kosten besorgen und wenn sie schön brav Buch führen, bekommen sie sogar einen Teil (!) der Kosten vom Finanzamt zurück. Das Gleiche gilt für das Arbeitszimmer und dessen Einrichtung. Und die Fahrt zum Arbeitsplatz in unserem ÖPNV-verkehrstechnisch ausgedünnten Gebiet, darf auch im eigenen Auto erfolgen, für dessen Fahrten wir ebenfalls keinen vollwertigen finanziellen Ersatz bekommen. Richtig wäre, dass jede Lehrkraft in der Schule einen eingerichteten Arbeitsplatz gestellt bekommt, an dem sie ungestört und produktiv arbeiten kann. Richtig wäre, dass ihre digitale Ausstattung der der Schüler mindestens gleichwertig ist. Richtig wäre, dass sie auf Kosten des Dienstherrn an wohnortnahen IT-Fortbildungen teilnehmen kann, um sich auf dem Laufenden zu halten. Aber für diese Zukunftsmusik hat noch nicht einmal der fortschrittlich erscheinende Christian Lindner die Noten komponiert. Wie viel länger müssen wir vermutlich warten, bis sich diese Notwendigkeiten in den baden-württembergischen Politikerköpfen festgesetzt haben? Und dann? Ja dann müssen die Kommunen das Geld bekommen, das notwendig ist, um für die Steuerzahler von übermorgen Schulen von morgen für die Lehrkräfte von heute einzurichten. Ein langer Weg, auf dem alle gesellschaftlichen Anstrengungen gebündelt werden müssen.

Josef Klein, Vorstandsmitglied VBE Baden-Württemberg

 

Mutationen einer Säule

Das Gymnasium

„Gemeinschaftsschule“ heißt das Zauberwort der derzeitigen Landesregierung seit 2011, und seither erlebt man ein einzigartiges Beispiel von Mutationen politischer Zielsetzungen.

„Unsere bildungspolitischen Ziele lassen sich in der Gemeinschaftsschule für alle Kinder bis Klasse 10 am besten erreichen“ steht im Koalitionsvertrag 2011, und gleich danach erlebte der erstaunte Beobachter, dass alle anderen Schularten weniger galten. Ja, sogar vor dem liebsten Kind baden-württembergischer Bildung, dem unantastbaren Gymnasium, schreckte die Politik nicht zurück. Wenn Gemeinschaftsschule mehr Geld kostet, muss man dies an anderer Stelle einsparen: Also ran das Gymnasium: die Ausbildung nivelliert, Lehrerstellen gestrichen, Klassenteilersenkung verworfen, kein Bugwellenabbau, Altersermäßigung ab 58 gestrichen, und, und und…. Natürlich betreffen diese Einschnitte auch andere Schularten, aber es verwunderte schon, dass sich Grün-Rot auch an das Gymnasium traute. Es kam, wie es kommen musste: dem Aufschrei der Lehrerverbände (die „andere“ Gewerkschaft trug und trägt diese Entwicklung ja gerne mit) folgte vernehmbarer Protest in der Elternschaft, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft. So stark und so schnell, dass Winfried Kretschmann im Sommerinterview 2012 der Stuttgarter Nachrichten den Rückzug antrat. Dort sprach er erstmals von einem 2-Säulen-Modell. Neben dem Gymnasium sollte sich eine zweite Säule etablieren: die Gemeinschaftsschule. Wenig später sagte er mit verblüffender Ehrlichkeit: „Wer in Baden-Württemberg das Gymnasium abschaffen möchte, begeht politischen Selbstmord.“ Na gut, wenigstens der Ministerpräsident scheint noch einen Rest von Sensibilität behalten zu haben, die ihm -wie anderen- allerdings bei den weiteren Schularten fehlt.

Und so wird das Gymnasium (s)einen Stellenwert behalten, auch wenn an seinen Grundfesten mal kräftig gerüttelt worden ist.

Die Realschule

Die Realschule erlebte schlimme Jahre seit 2011. In Konkurrenz zur Gemeinschaftsschule wurde sie mit deutlich weniger Mitteln ausgestattet, bekam schlechtere Startbedingungen, beispielsweise in Form von fehlenden Poolstunden oder von schlechteren Lehrerzuweisungen. Obwohl diese Schulart als Chancengeber für einen guten Berufseinstieg gilt und die Wirtschaft seit Jahrzehnten gerne RS-Absolventen einstellt, war die Abschaffung selbiger (durch „Aufgehen“ in der zweiten Säule) erklärtes Ziel. Das Wort Realschule kam in Stochs Reden so gut wie nicht mehr vor. Ja, er argumentierte sogar stellenweise, dass sich die Realschulen einer Weiterentwicklung verschließen würden. So etwas aber auch! Nicht einmal der Oberste hat mitbekommen, dass an unseren Realschulen etwas geht. Sie mussten sich ja zwangsläufig weiterentwickeln, weil den Kollegien Knüppel zwischen die Beine geworfen wurden, die sie ohne zusätzliche Mittel aus dem Weg räumen sollten: gewollte stärkere Heterogenität durch Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung, Hauptschulabschluss an Realschulen ohne eigenen Bildungsgang und anderes mehr. Es fällt mir dazu als Kommentar nur der Bibelvers aus Lukas 23,34 ein: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Deshalb war die Kampagne für die Realschulen, die der VBE vehement unterstützte („Realschulen stärken!“) nicht nur gerechtfertigt, sondern auch dringend notwendig.

Ende 2014 (immerhin schon) registrierte der Minister eine „Abwehrhaltung“ der Realschulen. Obwohl immer noch nicht mit der konkurrierenden Gemeinschaftsschule gleichbehandelt, werden nun endlich Unterstützungsmaßnahmen eingeläutet, die vermutlich mehr der nahenden Landtagswahl 2016 als der politischen Überzeugung geschuldet sind. Aber das kann zunächst egal sein, besser wäre es umgekehrt.

Aus jeden Fall kann der VBE von sich behaupten, dass sich allmählich seine Überzeugungen auch politisch durchsetzen: Wie der Igel aus dem Märchen „Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel“ rufen wir erfreut: „Ick bün al dor!“ („Ich bin schon da!“). Und so freuen wir uns gedämpft über die Zuweisung vermehrter Poolstunden (noch nicht genug!), über die Einsicht, dass individuelle Förderung ohne zusätzliche Finanzen nur unzureichend funktionieren kann und deshalb Differenzierungsmaßnahmen notwendig sind, über ….

Die Gemeinschaftsschule

Wer ein echtes Bild über die derzeitige Herkulesarbeit an Gemeinschaftsschule haben will, darf weder die Politik befragen noch die Schulverwaltung, auch nicht die Schulleitungen dieser Schulen. Ein echtes Stimmungsbild bekommt man nur, wenn man an dieser Schulart unterrichtende Lehrkräfte -möglichst unter vier Augen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit- befragt. Und was man dann zu hören bekommt, ist diametral gegensätzlich zu offiziellen und offiziösen Verlautbarungen. Angefangen bei den Rahmenbedingungen (Lehrerarbeitsplätze, Multifunktionsräume usw.) wie auch von den Lehrerzuweisungen (wer glaubt, dass Gemeinschaftsschulen hier besser behandelt werden, irrt gewaltig). Versuchte Beugungen von rechtlichen Vorgaben, gezieltes Suchen nach Vollzeitmännern unter Ablehnung von Halbdeputatsfrauen, all das und noch mehr ist in meinem Tätigkeitsfeld schon zu verzeichnen gewesen.

Gemeinschaftsschulen, die funktionieren, funktionieren deshalb, weil sich das Kollegium zusammenrauft, „Volldampf voraus“ fährt und persönlichen Interessen wie Gesundheit und Arbeitsschutz keine Priorität einräumt. Auch sie -die GMS- bekommen nicht genügend Unterstützung aus Politik und Schulverwaltung. Auch hier klaffen am Schuljahresanfang (und nicht nur dort!) Versorgungslücken. Gemeinschaftsschulen kämpfen, -wie alle anderen Schularten auch- gegen Unbillen, die hausgemacht der mangelnden Finanzierung geschuldet sind. Der VBE weiß, wie es geht. Unser GMS-Positionspapier siehe: www.vbe-bw.de/standpunkte/ listet auf, was erfolgreiche Gemeinschaftsschulen brauchen. Obwohl dem VBE immer wieder in Neiddebatten abgesprochen wird, für die Gemeinschaftsschulen einzutreten, sehen wir uns auch hier gezwungen, den Igel zu mimen: „Ick bün al dor!“

Die Haupt- und Werkrealschulen

Es ist politisch gewollt, dass die Haupt- und Werkrealschulen aus der Schullandschaft verschwinden: „Die neue Werkrealschule ist als Konzept nicht zukunftsfähig,“ steht im Koalitionsvertrag. Wählerinnen und Wähler haben dies 2011 so gewollt und gewählt, und auch der VBE wird diese Entwicklung nicht verhindern können. Das heißt aber nicht, dass wir dem Treiben tatenlos zusehen. Wir versuchen zu retten, was zu retten ist, denn: es ist augenscheinlich, dass es Schülerinnen und Schüler gibt, denen ein relativ freies Arbeiten à la GMS nicht unbedingt förderlich ist. Sie brauchen die Anleitung und den Schub, die konstante Begleitung der Lehrkraft. Wo bitte wäre dies besser möglich als in den kleinen HS / WRS-Klassen? Engagierte Lehrkräfte, die jetzt um ihren Tätigkeitsplatz fürchten müssen, waren und sind ihnen gute Begleiter/innen. Schade, dass Eltern durch Politik und Medien so eingelullt werden, dass sie die Realität nicht mehr überprüfen, sondern sich ein Trugbild aufschwatzen lassen. Was aber jetzt an oberster Stelle der VBE-Tätigkeiten für diese Lehrkräfte steht: Die Bezahlung nach A 13 muss ab 2016/17 Realität werden. Es kann und darf nicht sein, dass dann ausgerechnet diejenigen, die bisher in Regelschulen am meisten um Erfolge ihrer Schülerinnen und Schüler kämpfen mussten, neben den anderen A13-Lehrkräften der neuen Sekundarstufe I durch Gehaltseinbußen „gewertschätzt“ werden. Der VBE kämpft für eine Höherstufung dieser Lehrkräfte, und am Ende hoffen wir, auch hier rufen zu können: „Ick bün al dor!“

Die Sonderschulen

2011: Von Inklusion und Kostenneutralität war die Rede, von Abschaffung der Sonderschulen. Hirngespinste, die ideologischen Vorstellungen entsprungen sind, sollten auf eine klinisch reine Umsetzung der Inklusion hinarbeiten. Nach wie vor ist klar, dass Baden-Württemberg schon jetzt bessere Inklusionsvoraussetzungen hat, als viele andere europäische Länder. Aber die Politik möchte noch mehr erreichen. Gut! Dennoch sollten die Verantwortlichen nicht nur darauf schielen, was in klugen Papieren steht, sondern was den betroffenen Menschen tatsächlich nützt.

Der VBE hat sich von vorneherein für die Beibehaltung der Sonderschulen als Angebot ausgesprochen (Ziel inzwischen erreicht!), ebenso hat er angemahnt, dass Inklusion durch Kostenneutralität nicht machbar ist. Auch hier ist die Politik der Argumentation gefolgt. Fazit für den VBE: „Ick bün al dor!“

Die zweite Säule oder: Mutationen

Nein. Ich habe die Thematik dieses Stichwortes nicht vergessen, aber zum Verstehen ist es wichtig zu wissen, was sich in der zweiten Säule tut: für Grün-Rot war es 2011 erklärtes Ziel, die Gemeinschaftsschule flächendeckend durchzusetzen. Aus einer schlanken Säule wurden 2012 schnell zwei Säulen: neben dem Gymnasium sollte die Gemeinschaftsschule als zweite Säule eingerichtet werden. nachdem die Realschulen nach der abwartenden Anfangsstarre 2014 erwacht und aktiv sind, sah sich die Regierung gezwungen, auch hier nachzusteuern. Sie scheint, in einer Umdenkphase zu sein. In der zweiten Säule tummeln sich inzwischen außer den avisierten Gemeinschaftsschulen auch die Realschulen, die verbliebenen Haupt- und Werkrealschulen. Die Inklusion feiert in allen Schularten fröhliche Urständ und deshalb gehören die Sonderschulen auch noch in diese Säule.

Die Initiative „Länger gemeinsam lernen“ hat 2012 noch postuliert: „Weitere Schularten, d.h. eine weitere äußere Differenzierung in Haupt-, Werkreal- und Realschulen ist nicht vorgesehen“.

Was aber macht eine erfolgreiche Politik aus? Man nimmt die unangenehm entstandenen Tatsachen auf, formuliert die Ziele um und schreibt sie auf die eigenen Fahnen.

Ist in der Landtagsdrucksache 15/5644 vom Sommer 2014 noch zu lesen: „Der Weg in Richtung eines weniger gegliederten, stärker integrativen Schulsystems ist nicht nur aus pädagogischer Sicht sinnvoll, sondern auch aus strukturellen Gründen erforderlich. Die Landesregierung strebt daher im Bereich der allgemein bildenden Schulen mittelfristig ein Zwei-Säulen-System an. Innerhalb der zweiten Säule werden sich die Realschulen entsprechend weiterentwickeln.“, so spricht man heute hinter vorgehaltener Hand bereits davon, dass die zweite Säule aus Schularten (!!) bestehe, in den teilweise Differenzierung stattfindet. Als Politiker würde ich jetzt sagen: „Das ist genau das, was wir von vorneherein angestrebt haben. Es macht ja politisch kaum einen Unterschied, ob ich zuerst eine (eine!) Säule anstrebe und am Schluss zwei Säulen habe, wobei sich in der zweiten Säule plötzlich eine Schulart mehr statt drei weniger tummeln.

Als VBE-ler fühle ich mich da deutlich wohler. Unsere Verbandspolitik hat Visionen, aber die Realitäten verlieren wir bei unseren Forderungen nicht aus den Augen. Das unterscheidet uns. Und wenn dann die zweite Säule eines Tages ihre Entwicklung abgeschlossen hat, denn werde ich der erste sein, der für den VBE ruft: „Ick bün al dor!“

Im Übrigen dürfen wir auch für die Sekundarstufe I nicht vergessen, dass diese grün-rote Bildungspolitik die Privatschulen weiter füllt. Jeder elfte Schüler in Baden-Württemberg besucht bereits eine selbige. Und das Interesse daran steigt und steigt und steigt….Wen wundert’s?

Der Autor Josef Klein Vorstandsmitglied im VBE-Landesverband
Baden-Württemberg und Vorsitzender des VBE Landesbezirks Südbaden

 

 

 

 

Neuordnung der Vorbereitungsdienste an den Seminaren und Sachstand zur Reform der Lehrerbildung

Frau Regierungsschuldirektorin Annely Zeeb, stellvertretende Leiterin des Referats Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, informierte die Teilnehmer der VBE-Fortbildung für Seminarmitarbeiter/innen, Mentor/innen und Ausbildungsberater/innen über die künftigen Veränderungen, die die Vorbereitungsdienste an den Staatlichen Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung (SSDL) und die Lehrerbildung an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren betreffen. Insgesamt kann man von intensiven und umfassenden Prozessen sprechen, da die Veränderungen beider Bereiche sehr tiefgreifend sind.

Frau Zeeb berichtete zunächst von der Neuordnung der Vorbereitungsdienste an den Seminaren für das Lehramt an Grund-, Werkreal- und Hauptschulen und das Lehramt an Realschulen ab dem 1. Februar 2016. Zu diesem Zeitpunkt kommen die ersten Absolventen der mit dem Wintersemester 2011/12 neu gestalteten Lehramtsstudiengänge an den Pädagogischen Hochschulen an die Seminare. Ab dann wird es den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grundschulen (GS-Lehramt) und einen gemeinsamen Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Werkrealschulen, Hauptschulen und Realschulen (WHR-Lehramt) geben.

Da mit dem Wintersemester 2011/12 auch das Lehramt Sonderpädagogik neu konzipiert wurde, ist auch für dieses Lehramt der Vorbereitungsdienst entsprechend neu gefasst.

Die inhaltliche Gestaltung der neuen Vorbereitungsdienste orientiert sich an den Entwicklungen in der Schullandschaft. So war ein Ziel, veränderte Unterrichtskonzepte, wie sie z.B. in den Gemeinschaftsschulen umgesetzt werden, auch im Bereich der Lehrerausbildung verstärkt in den Blick zu nehmen. Schwerpunkte bilden die Gestaltung eines an den individuellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler orientierten Unterrichts auch im Hinblick auf inklusive Settings und die Entwicklung der Diagnose-, Beurteilungs- und Evaluationskompetenz. Ein weiteres zunehmend wichtiges Feld in den Vorbereitungsdiensten ist die Entwicklung der Beratungskompetenz im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Eltern und Erziehungsberechtigten und die Begleitung von Schülerinnen und Schülern bei den Übergängen vom vorschulischen in den schulischen Bereich, von der Grundschule auf weiterführende Schularten und von den weiterführenden Schularten in die Berufsausbildung bzw. in das Studium. Die Kooperation mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen nimmt dabei in allen Schularten einen breiten Raum ein. Um diese Ziele erreichen zu können, werden die Seminare in ihrer Rolle als didaktische Zentren gestärkt.

Mit dem Kabinettsbeschluss vom Juli 2014 sind die Voraussetzungen geschaffen, dass sich die Seminare auf einer gesicherten Basis weiterentwickeln können. Alle bisherigen Standorte bleiben erhalten und bieten künftig entweder den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grundschulen oder das Lehramt an Werkreal-, Haupt- und Realschulen oder beide Formen an. Die SSDL als didaktische Zentren pflegen vielfältige Kooperationen mit den Regierungspräsidien, den Staatlichen Schulämtern, den Schulen und auch mit außerschulischen Einrichtungen in ihren Regionen, die sie zu Motoren der Schulentwicklung machen. Um dies auch künftig zu gewährleisten, sollen auch weiterhin flächendeckend alle Schulen in die Ausbildung eingebunden bleiben können.

Durch die Zusammenlegung der Seminare in Schwäbisch Gmünd gibt es künftig 18 Institutionen (Tabelle 1).

Neue Struktur der Seminare (Tabelle 1)

Tabelle

 

Die Personalstruktur innerhalb der Institutionen wird sich nicht sofort zum 1. Februar 2016 komplett verändern. In Zusammenarbeit mit den Seminarleitungen, den Regierungspräsidien und den Staatlichen Schulämtern wird die Personalentwicklung an jedem einzelnen Standort transparent, zielgerichtet und planbar in den nächsten Jahren durchgeführt.

Entsprechend den neuen Vorbereitungsdiensten wird es auch neue Prüfungsordnungen (GPO II, WHRPO II und SPO II) geben. Die Prüfungsordnungen und die landeseinheitlichen Ausbildungsstandards sind in der Endredaktion und werden gegen Ende des Jahres gemeinsam veröffentlicht. Somit sind die Voraussetzungen für die Gestaltung der neuen Vorbereitungsdienste ein Jahr vor Beginn der Ausbildungskurse ab dem 1.2.2016 geschaffen.

Viele Details der neuen Vorbereitungsdienste sind allerdings noch offen und müssen im nächsten Jahr noch geklärt werden. Insbesondere ist auch die Besoldung der dann in die Vorbereitungsdienste eintretenden Lehramtsanwärterinnen und -anwärter zu klären.

In der nächsten Präsentation wurde den Zuhörern der Sachstand der Reform der Lehrerbildung vorgestellt. Im Dezember 2013 wurde vom Kabinett beschlossen, dass eine Umstellung der Lehramtsstudiengänge von Staatsexamensstudiengängen auf Bachelor- (BA) und Masterstudiengänge (MA) erfolgen soll.

Alle Lehramtsstudiengänge werden deshalb zum Wintersemester 2015/16 auf Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt. Universitäten, Pädagogische Hochschulen und weitere Hochschulen werden künftig intensiver in der Lehrerausbildung kooperieren, um die Vermittlung fachwissenschaftlicher Inhalte noch besser mit der Vermittlung fachdidaktischer und bildungswissenschaftliche Inhalten zu verknüpfen.

Die Eigenständigkeit der Lehramtsstudiengänge in Baden-Württemberg mit ihren spezifischen Profilen bleibt erhalten. Es wird daher auch künftig Studiengänge gemäß den KMK-Lehramtstypen für die Grundschule, für die Sekundarstufe I, für das Gymnasium und für die Sonderpädagogik geben. Die Regelstudienzeit der Lehramtsstudiengänge für die Sekundarstufe I und für Sonderpädagogik wird auf zehn Semester verlängert, die für das Lehramt an Gymnasien bereits heute gilt. Die Studiengänge sollen jeweils aus 6-semestrigen Bachelor- und 4-semestrigen Masterstudiengängen bestehen.

Die Länge des Studiengangs Lehramt an Grundschulen bleibt unverändert bei 8 Semestern. Je nach Entwicklungsbedarf werden entweder die fachwissenschaftliche Ausbildung (LA Sek I, GS und SoP), oder die fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Ausbildung (Gym) in den BA/MA-Studiengängen gestärkt. Für alle Studiengänge gilt, dass der Professionsbezug verstärkt wird und Grundfragen der Inklusion verpflichtende Studieninhalte werden.

Mit dem Abschluss Master of Education können die Hochschulabsolventinnen und -absolventen dann zu den 18monatigen Vorbereitungsdiensten zugelassen werden. Für das Grundschullehramt bedeutet dies, dass mit dem Mastergrad, der nach acht Semestern erworben wird, die Zulassung zum Vorbereitungsdienst erfolgt. Aus dieser zweiten Phase der Ausbildung können anschließend pauschal 60 Leistungspunkte auf das Studium angerechnet werden, so dass ein Master of Education erworben werden kann, der 300 Leistungspunkte umfasst.

Die neuen Studiengänge ermöglichen den Lehramtsstudierenden, sich nach dem Bachelor noch einmal neu zu orientieren. Es sollen Übergänge in andere Lehramtsstudiengänge als dem zu Beginn des Studiums gewählten geschaffen werden, genauso soll der Wechsel in nicht lehramtsbezogene Studiengänge leichter möglich werden.

Um die Reform der Lehrerbildung so auszugestalten, dass die damit verbundenen Ziele erreicht werden, werden zur Zeit im Kultusministerium im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium eine Rahmenverordnung und die zugehörigen Fachpapiere erarbeitet. 60 Fachkommissionen erstellen die Fachpapiere für alle Studienfächer der Lehrämter auf der Basis der Fachpapiere der Kultusministerkonferenz. Für die Lehrämter Sekundarstufe I und Gymnasium werden für die Fächer, die in beiden Studiengängen angeboten werden (z.B. Deutsch), gemeinsame Fachpapiere hinsichtlich der Kompetenzen und Studieninhalte erstellt. Alle Fachkommissionen setzen sich zusammen aus Professorinnen und Professoren aller Hochschularten und Vertreterinnen und Vertretern der Seminare. Auf der Basis der Rahmenverordnung und der Fachpapiere können dann die Hochschulen Studien- und Prüfungsordnungen für die neuen Studiengänge erstellen und dabei eigene Schwerpunkte setzen und die Kooperation zwischen den Hochschulen auf den Standort bezogen ausgestalten.

Zusätzlich unterstützt werden die Veränderungen in der Lehrerbildung durch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung, die von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen und im Juli 2014 gestartet wurde. Für die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ stellt der Bund in den kommenden zehn Jahren bis zu 500 Millionen Euro zur Verfügung. Hochschulen können Projektvorschläge einreichen, die dann in einem zweistufigen, wettbewerblichen Verfahren begutachtet werden. Die Hochschulen sollen in ihren Förderanträgen nachweisen, wie sie die Qualität der Lehramtsausbildung an den Hochschulen verbessern wollen, wie sie das Profil der Hochschule verstärken und wie Prozesse begleitet und nachhaltig gesichert werden.

Mit dieser Vielzahl von Änderungen soll die Qualität der Ausbildung künftiger Lehrkräfte langfristig gesichert bzw. gesteigert werden. Außerdem soll die Durchlässigkeit innerhalb der Lehrerausbildung beispielsweise von einer Schulart zur anderen vereinfacht werden.

Oliver Hintzen
Quelle: Regierungsschuldirektorin Annely Zeeb
„Neuordnung der Vorbereitungsdienste an den Seminaren“,
„Sachstand der Reform der Lehrerbildung“,
VBE-Fortbildung 19.09.2014

 

 

 

Weiterentwicklung von Lernstandserhebungen

Informationsveranstaltung des Kultusministeriums (KM) und des Landesinstituts für Schulentwicklung (LS)

Heike Stober, Mitglied des Landesvorstandes des VBE Baden-Württemberg
Heike Stober, Mitglied des Landesvorstandes des VBE Baden-Württemberg

Am 19.05.2014 erläuterten Ministerialdirigent Dr. Johannes Bergner, Leiter der Abteilung „Allgemein bildende Schulen, Elementarbildung“ (KM) und (in Vertretung von Direktorin Prof. Suzan Bacher (LS)) Prof. Dr. Andreas Jetter, Leiter des Fachbereich 3 „Schulentwicklung und empirische Bildungsforschung“ (LS), unterstützt durch Timo Leuders vom Institut für Mathematische Bildung der Pädagogischen Hochschule Freiburg, die aktuelle Weiterentwicklung und Zielsetzung sowie die Inhalte und wissenschaftliche Begleitung der Lernstandserhebungen, die ab 2016/2017 in Baden-Württemberg zum Einsatz kommen sollen.

Die Begrüßung der Gäste erfolgte durch den Stellvertretenden Direktor, Prof. Volker Gelhaar (LS); die Einführung in die Veranstaltung übernahm (in Vertretung von Ministerialrat Renzo Constantino) Regierungsschuldirektorin Sabine Conrad (KM).

 

Grundsätze und Neuerungen

In seinen Ausführungen setzte Bergner die Weiterentwicklung der Lernstandserhebungen in Baden-Württemberg in Korrelation zur Bildungsplanreform 2016/2017 und erklärte, dass die bisherigen Vergleichsarbeiten durch die neuen Verfahren Lernstand 5 und VERA 8 ersetzt werden.

Rückblickend auf die Bildungsplanreform 2004 knüpfte Bergner seine Darstellung der Hintergründe und Zielsetzung der Weiterentwicklung an die sowohl damals aktiv ergriffene als auch aktuell bestehende Qualitätsverantwortung sowie die daraus resultierte Systematisierung von Qualitätsprozessen und Qualitätsoffensive an. Die Fragestellung der Verwirklichung der Outputorientierung werde im Kontext des neuen Bildungsplans weiterverfolgt. Auf der Grundlage des Abgleichs mit bundesweiten Standards der Kultusministerkonferenz (KMK), mit Länderkommissionsempfehlungen und der im Juni 2006 festgelegten Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring könne es anhand der anvisierten, verpflichtenden Instrumente der Selbstevaluation (SEV) an den einzelnen Schulen gelingen, eine datenbasierte Standortbestimmung und Selbstvergewisserung hinsichtlich des Erreichens der angestrebten Ergebnisse zu erhalten sowie erfolgreiche Maßnahmen der Unterrichtsentwicklung (UE) sowie der Schulentwicklung (SE) abzuleiten.

Ab dem Schuljahr 2016/2017 werden (im Bereich der Sekundarstufe I schulartunabhängig) folgende Lernstandserhebungen implementiert:

• VERA 3 (Mathematik, Deutsch)
• Lernstand 5 (Mathematik, Deutsch)
• VERA 8 (Mathematik, Deutsch, Fremdsprache)

Bergner erklärte, dass die Veröffentlichung der entsprechenden Verwaltungsvorschrift, die aktuell als Entwurf vorliege, für Mitte Juni 2014 geplant sei. Diese werde Auskunft über die Funktion der Lernstandserhebungen und Leistungsmessung, den Einsatz der Verfahren in den Klassen 3, 5 und 8, Fremdsprachenregelungen und den Einsatz der geplanten Testheftvarianten bei VERA 8 erteilen. In Bezug auf die Unterstützung der Schulen verwies Bergner auf die Begleitung durch das LS, Didaktische Handreichungen des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) Berlin (betr. VERA 3 und VERA 8) sowie die Fachberater Unterrichtsentwicklung und Schulentwicklung aller Schularten. Dabei stünden konkrete methodisch-didaktische Materialien mit dem Ziel der Unterrichtsveränderungen sowie Ableitungen von Maßnahmen im Fokus. Ab Februar 2015 stünden der Schulverwaltung Mitarbeiter des LS und des Referats 32 (KM) zur diesbezüglichen Unterstützung zur Verfügung.

 

Inhaltliche Modifikation

Jetter führte in seinem Beitrag den LS-Anspruch hinsichtlich der empirischen Überprüfung von Kompetenzen, Grundsätzliches zu den insbesondere modifizierten Verfahren VERA 8 und Lernstand 5 sowie deren Mehrwert auf und verwies auf die Errungenschaft des diesbezüglich eingerichteten, landeseigenen Online-Portals.

In Bezug auf VERA 8 stellte Jetter dar, dass (im Gegensatz zur Individualdiagnostik) die soziale Bezugsnorm fokussiert werde, was den Einsatz eines lerngruppeneinheitlichen Testhefts bedinge. Die Ziele von VERA 8 bestünden in der datengestützten Weiterentwicklung von Schule und Unterricht, der Feststellung des Lernstands der Schüler auf Basis des KMK-Kompetenzstufenmodells sowie der Professionalisierung der Lehrkräfte, insbesondere des Ausbaus diagnostischer Fähigkeiten als Grundlage einer gezielten Planung pädagogischer Fördermaßnahmen. In Erarbeitung befänden sich drei Testheftvarianten, die zum einen besonderen Stärken, zum anderen auffälligen Entwicklungsfeldern beziehungsweise zum dritten einer ausgeprägten Leistungsspreizung Rechnung tragen sollen und je nach schulintern übereinstimmender Auswahl zum Einsatz kommen sollen.

Jetter erläuterte, dass Lernstand 5 als landesspezifisches Instrument vor dem Hintergrund zunehmender Heterogenität in allen weiterführenden Schularten förderdiagnostische Anschlussmöglichkeiten in den Mittelpunkt stelle. Ziele des zu Beginn der Jahrgangsstufe 5 eingesetzten, zweistufigen Verfahrens (Ebene 1: Analyse/Erhebung, Ebene 2: Maßnahmen/passgenaues Material) seien die Erfassung des individuellen Lernstands und der Heterogenität in einer Lerngruppe sowie die Unterstützung der Unterrichts- und Schulentwicklung; Lernstand 5 sei kein Instrument zur Bewertung der Entscheidung für eine Schulart.

Hinsichtlich des Mehrwerts der veränderten Verfahren führte Jetter den objektiveren Blick auf die Gesamtheit aller Lehr- und Lernprozesse einer Lerngruppe, die fundierte und detaillierte Ergebnisrückmeldung zu prognostisch relevanten Basiskompetenzen, die Stärkung der diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften, die Bereitstellung von Unterstützungsmaterial sowie erweiterte Benutzerfreundlichkeit und Zeitersparnis durch die Einrichtung des oben genannten Landesportals an.

 

Konkretisierung

Leuders veranschaulichte in der Folge Konkretisierungen von Diagnose- und Maßnahmenansätzen an Beispielen aus dem Fachbereich Mathematik. Dabei ging er unter anderem auf Diagnosetätigkeiten als alltägliche Voraussetzung für pädagogische Entscheidungen, das Modell des Diagnosedreiecks und besondere Herausforderungen im Rahmen der landesweit gültigen Testerstellung ein.

StD´in Elsbeth Müller-Rosigkeit, Leiterin des LS-Referats 31 „Empirische Verfahren“ moderierte abschließenden offene Fragen aus dem Plenum.

 

Kommentar

In der dargestellten Gesamtschau kann die Weiterentwicklung der Lernstandserhebungen in den oben genannten Klassenstufen, insbesondere die Konzentration der Erhebungen auf relevante Zeitfenster (einmal in der Primar-, zweimal in der Sekundarstufe I), begrüßt werden.

Im Kontext des Wegfalls der verbindlichen Grundschulempfehlung stellt eine Analyse und Interpretation des individuellen Lernstands zu Beginn der Eingangsstufe aller weiterführenden Schularten eine sinnvolle Maßnahme zur Anpassung anschließender Förderinstrumente dar. Besonders bedeutsam hinsichtlich des gesamtbildungspolitisch verfolgten Ansatzes erscheint es, dass die Testung auf die Zukunft ausgerichtete, inhaltlich schulartoffene Maßnahmen und nicht die Wertung der Wahl der jeweiligen Schulart fokussiert.

Im Sinne einer adäquaten Abschlussorientierung ist gleichfalls der Zeitpunkt der Erhebung in Klassenstufe 8, insbesondere für Schüler von Gemeinschaftsschulen mit unterschiedlichen Abschlussmöglichkeiten, schlüssig. Fernerhin ist die weitere Stärkung der Diagnose-, das heißt der Analyse- und Interpretationskompetenzen der Lehrkräfte ein willkommener Schwerpunkt der Weiterentwicklung des gesamten Bildungssystems in Baden-Württemberg. Insbesondere die angekündigten, aus der anvisierten Förderdiagnostik resultierenden Maßnahmen schließen eine bislang stark bemängelte Lücke im Anschluss an die bislang durchgeführte Diagnostik.

Auf die Notwendigkeit einer vorausschauenden, auf einen breiten Adressatenkreis ausgerichtete und flächen-deckend angelegte Lehrerfortbildung im Vorfeld der Implementierung der thematisierten Erhebungsbausteine wird an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen.

Bildungspolitik auf Volkes Prüfstand

Komisch, komisch, was Baden-Württemberg für eine  undankbare Bevölkerung hat. Wo doch unser aller Winnies Popularität auch im 3. Jahr seiner Regierungszeit mehr strahlt als das Atomkraftwerk in Fukushima, dem er sein Regierungsamt zu verdanken hat. Und dann dieses Fußvolk! Zwar ist es mit der Regierungspolitik und den sie tragenden Koalitionen im Schnitt zufrieden, aber die Bildungspolitik, ja die Bildungspolitik halt… 60 Prozent der Bürger sind mit der Bildungspolitik unzufrieden, nur 27 Prozent sind zufrieden. Das kam durch eine Umfrage des Südwestrundfunks Mitte Mai 2014 anlässlich des „Bergfestes“ (Mitte der Regierungszeit) der grün-roten Koalition heraus.

Wo doch alles in der Theorie so gut gedacht war: Gemeinschaftsschule als die eine einzige seligmachende Schulart ohne lästige Gymnasien für die „Elite“, ohne die Realschulen, die angeblich der Heterogenität der Schülerschaft gar nicht mehr Herr werden, ohne Haupt- und Werkrealschulen, die von Politikern und Öffentlichkeit trotz ihrer hervorragenden Arbeit als Restschulen verschrien wurden und werden. Von den Privatschulen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hört man in der Bildungspolitik sehr wenig, außer dass sie mal mehr, mal weniger schnell, aber immerhin anzahlmäßig wachsen. Und die Sonderschulen? Diese Aussonderungsschulen brauchen wir schon gar nicht! Während Henris Eltern dessen Zukunft auf dem Gymnasium sehen, hat der Minister angeordnet, dass man ihn auf der Gemeinschaftsschule am besten fördern kann, was einer gewissen Logik nicht entbehren würde. Denn so wie die Gemeinschaftsschule auf dem Papier konzipiert ist, wäre sie ja für Henri tatsächlich passend.

Aber hier kommen wir genau zum Punkt. Die Konzeption der Schullandschaft auf dem Papier gestaltet sich deutlich anders als das, was an Ressourcen zur Verfügung gestellt wird, damit die eingeleiteten Entwicklungen zum Erfolg führen können. Sie gestaltet sich deutlich anders als das, was von informierten und zunehmend auch von gewöhnlich nicht informierten Kreisen wahrgenommen wird. Es genügt eben nicht, mit der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung eine Beliebigkeit bei der Schulwahl zu erzeugen. Wenn in Folge dessen Henri das Gymnasium besuchen kann, dann müssen dort eben die Unterstützungssysteme greifen, die Henri auf dem Gymnasium braucht. Dazu ist die Regierung aber nicht bereit, weil sie vor lauter Gleichmacherei (=beabsichtigte Abschaffung der äußeren Differenzierung) vergessen hat, dass innere Differenzierung Geld kostet. Viel Geld. Geld, das diese Regierung nicht geben will, und ich versteife mich zu behaupten: wider besseren Wissens nicht geben will. Denn sowohl Kultusminister Stoch als auch SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel haben eigentlich die Zeichen der Zeit erkannt. Hier und da wagen sie es auch einmal zu sagen, doch wird ihnen von parteieigenen und Koalitionspartnern sehr schnell das Maul gestopft. Ministerpräsident Kretschmann und Finanzminister Nils Schmid beharren auf ihrem ehrgeizigen Sparprogramm und wollen es sogar noch straffen. Dazu gehört auch das Feld der Schulverwaltung, das zumindest auf der Ebene der Regierungspräsidien und der Schulämter mit einem Personalbestand arbeiten muss, der schon jetzt grenzwertig ist.

Grün-rote „Gut“-Nachrichten

Dabei kann diese grün-rote Landesregierung durchaus auf Erfolge im bildungspolitischen Bereich verweisen. Teilweise wurden diese durch Investitionen vom Bund (schwarz-rot regiert) ermöglicht, aber selbst dies muss als Erfolg der Landesregierung gewertet werden: Der Bund hatte sich lange genug verweigert, das Seine für Bildung und Erziehung beizusteuern, obwohl dies zweifelsohne eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Doch steter Tropfen höhlt den Stein.

Schauen wir darauf, was diese Regierung an Positivem erreicht hat, wenn man das so sehen will, wie Edith Sitzmann aufzählt*:

  • Das Land übernimmt 68 % der Betriebskosten in U3-Kindertageseinrichtungen (325 Mio EUR im Jahre 2013)
  • Die noch junge Vereinbarung zu den Ganztagesschulen wird im Endausbau bis zum Jahre 2023 die Kommunen mit 147 Mio EUR unterstützen.
  • Gemeinschaftsschulen für eine bessere Bildung. Längeres gemeinsames Lernen macht Schulstandorte attraktiver und sozial gerechter.
  • Mit rückläufigen Schülerzahlen umzugehen ist Aufgabe der regionalen Schulentwicklungsplanung
  • 10 Mio EUR wurden in die Kindertageseinrichtungen für den Ausbau der Sprachförderung investiert.
  • Zuwachs um ein Drittel bei der Drittelfinanzierung der Schulsozialarbeit (2013: + 15 Mio EUR; 2014: + 25 Mio EUR)

Was die Politikerin nicht sagt, überprüfen Sie bitte selbst: Welche der Punkte sind unumstößlich Fakt?  Welche Punkte sind Ideologie? Welche Punkte beinhalten einen ungedeckten Scheck in die Zukunft, also zu einem Zeitpunkt, an dem diese Regierung gewiss nicht mehr an der Regierung sein wird? Und was bitte sind in der Bildungspolitik 25 Millionen? Kretschmann hatte 2011 alleine 130 Millionen bei den Beamtengehältern eingespart und im gleichen Zeitraum, im März 2012, bei der Demonstration des Beamtenbundes in Stuttgart beiläufig erwähnt, dass die 20 Millionen, die er für Stellenaufblähungen benötigte, dagegen eine geringe Summe sei. Stimmt! Wie auch die damalige Kultusministerin Warminski-Leitheußer seinerzeit vor dem Landtag gestehen musste: „Wir wissen nicht wo die  Millionen versickert sind!“ Gute Bildung, Frau Sitzmann, Herr Kretschmann, kostet Geld. Um gute Bildung umzusetzen braucht es auch Personen, die die Investitionen und gute Arbeit dort einsetzen, wo sie am besten wirken können. Für die Personen braucht es noch mehr Geld. Summen, die diese Landesregierung nicht aufbringen möchte, obwohl beide sie tragende Parteien das Gegenteil in den Koalitionsvertrag geschrieben haben. Und die Steuergelder sprudeln… und sprudeln….

Gleichheit und Gerechtigkeit

Doch kommen wir erneut zum Stimmungsbarometer: Während die Regierung und die sie tragenden Koalitionsparteien die Bildungspolitik hochjubeln, merkt Volkes Basis zunehmend, wohin die Reise geht: Chancengerechtigkeit ist in der Schullandschaft zu einem Fremdwort geworden, was die Behandlung der Schularten betrifft. Auch wenn die Regierung immer wieder Gegenteiliges behauptet, gibt es dabei große – und dadurch ungerechte – Unterschiede:

  • Eigentlich müssten Gemeinschaftsschulen sowie alle anderen Schularten mit Ganztagesbetrieb die gleichen Gelder zugestanden bekommen, um den Schulalltag optimal durchstrukturieren zu können.
  • Eigentlich haben Schülerinnen und Schüler in allen Schularten das Recht auf ihren Anlagen gemäße Unterstützung in Form von Stütz- und Förderstunden, die von den Ressourcen her eine vergleichbare Größe entfalten.
  • Eigentlich haben alle Schulen ein Recht auf eine Schulleitung. Wieso lässt diese Regierung zu, dass es in unserem Land Regionen gibt, in denen 10 Prozent aller Schulleitungen unbesetzt sind?

Dies sind drei gravierende Beispiele, die man in vielen Bereichen erweitern könnte. Man nehme vom Volk wahrnehmbare Themen wie Unterrichtsausfall und Krankheitsvertretung, Lehrerversorgung, schulische Profilangebote, Qualität des Schulbetriebs und anderes mehr und weiß, warum unsere Regierungsparteien in Volkes Gunst zurückfallen.

Und wir Lehrkräfte (auch wir gehören zu Volkes Stimme) als interne Kenner der Materie wissen, dass es noch viel mehr Felder zum Beackern gibt, als nach außen wahrnehmbar ist. Die Besoldungs-, Anrechnungs- und Beförderungskultur klafft im Bereich der Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real-, Gemeinschafts- und Sonderschulen (GWHRGS-Bereich, die so genannte 2. Säule) mit der Realität im Gymnasialbereich dermaßen weit auseinander, dass einem das Wort „Gerechtigkeit“ schon im Ansatz im Hals stecken bleibt. Auch innerhalb der Sekundarstufe I gestaltet sich die Besoldung zunehmend ungerechter. Der VBE fordert für alle diese wissenschaftlichen Lehrkräfte die Besoldung nach A 13. Das zusätzliche Aufbürden von Dokumentationen, Berichten und Projektbeschreibungen verdichtet unsere Arbeit, ohne dass wir dafür Entlastungen erfahren. Das zunehmende Verweilen in den Schulhäusern ohne einen ungestörten, gut ausgestatteten Arbeitsplatz belastet zweifellos Körper und Geist. Das sind nur einige Felder, die unsere Politiker in Angriff nehmen müssen. Denn nur zufriedene Mitarbeiter können volle Leistung bringen. Und das wollen wir. Aber die Politik muss uns auch dazu erst  in die Lage versetzen!

Der Verfasser dieses Artikels, Josef Klein, ist Mitglied des Hauptpersonalrats GHWRGS beim Kultusministerium (MKS) Stuttgart sowie Landesbezirksvorsitzender des VBE Südbaden
 
*Edith Sitzmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag: Grüne im Land sind Partner der Kreise und Kommunen, in: Landkreis-Nachrichten Baden-Württemberg,  Heft 1  vom 30.4.2014.    Herausgeber: Landkreistag Baden-Württemberg. Der Wortlaut der Aufzählungen erfolgt nach Edith Sitzmann.

Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes und anderer Vorschriften

Ganztagsschulen an Grundschulen und Grundstufen der Förderschulen

1.    Grundsätzliches (§4a, Abs.1)

Der VBE begrüßt die Einigung der Kommunalen Verbände mit der Politik über die Einführung der Ganztagspädagogik in der Grundschule sowie den Grundstufen der Förderschulen nach über 40 Jahren des Versuchs- und Modellcharakters von Ganztagsschulen und somit die Absicherung dieser Schulform über den Landeshaushalt.

Ebenso begrüßt der VBE die Sicherung einer „Pädagogik des ganzen Tages“ in der in „einer rhythmisierten Tagesstruktur, Unterricht, Übungsphasen, Förderzeiten, Bildungszeiten, Aktivpausen und Kreativzeiten zu einer pädagogischen und organisatorischen Einheit“ unter Beteiligung außerschulischer Partner verschmelzen sollen. Außerschulische Partner bereichern das schulische Angebot im Ganztagsbetrieb. Der VBE weist aber auf Probleme hin, die in der Tagesgestaltung im Bereich der Förderschule in Zusammenarbeit mit örtlichen Vereinen bestehen können.

Der VBE sieht das vorgestellte Konzept auf dem richtigen Weg, weil die Ganztagsschule in der Grundschule „ein Beitrag zur sozialen Gestaltung der Gesellschaft, zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zu mehr Bildungsgerechtigkeit“ darstellt. Sie ermöglicht „herkunftsbedingte Benachteiligungen aufzulösen und mehr gelingende Bildungsbiographien von Kindern“.

 

2.    Gesetzesänderung §4a, Abs.2

Zu begrüßen ist die Hervorhebung des Elternwillens und die damit verbundene Einführung einer Wahlform. Diesen in der Ganztagspädagogik bisher nicht existierenden Begriff gilt es allerdings nach Auffassung des VBE genauer zu definieren! Freie Wahlform könnte Eltern suggerieren, dass sie schulische Angebote frei auswählen können. Dem ist allerdings nicht so, da sich die Wahl lediglich auf die von der Schule gewählte Form der Schule nach dem vorgelegten Konzept bezieht. Somit sind nicht beispielsweise Nachmittage des Schulbesuchs oder bestimmte Freizeitangebote frei auszuwählen, sondern nur die Teilnahme am Ganztagsbetrieb oder die Nicht-Teilnahme am Ganztagsbetrieb. Danach richtet sich dann die Schulpflicht.

Daher schlägt der VBE eine Textergänzung in Absatz 2 vor: „ In der Wahlform besteht an der Schule die Möglichkeit der Teilnahme an der von der Schule gewählten Form.“

Der VBE bewertet auch die Möglichkeit für Eltern zum Schulwechsel, wenn die gewünschte Form vor Ort nicht existiert (Schulbezirkswechsel). Allerdings weist er auf den hohen Verwaltungs- und Zeitaufwand hin. Zu überdenken wäre an dieser Stelle die Aufhebung der Schulbezirke im Zuge einer notwendigen Schulentwicklungsplanung auch für Grundschulen.

 

3. Gesetzesänderung §4a, Abs.3

Als nicht sehr gelungen bezeichnet der VBE die geplante Gestaltung der Mittagspause. Dabei anerkennt er das Bemühen um eine Einigung zwischen den Kommunalen Verbänden und dem Land bezüglich der zu regelnden Finanzierung. Wenn in Abs.1 eine Pädagogik des ganzen Tages garantiert wird, wirkt die Mittagspause wie ein Störfaktor im Tagesbetrieb. Die Schulpflicht endet mit der Mittagspause und greift nach der Mittagspause wieder. In dieser schulpflichtfreien Zeit entstehen nach Auffassung des VBE drei Gruppen von Kindern:

  • Kinder, die am Essen teilnehmen
  • Kinder die nach Hause gehen
  • Kinder, die in der Schule über Mittag verbleiben

Zum einen verweist der VBE auf den hohen Aufsichtsbedarf in dieser Zeit und zum anderen bedauert der VBE, dass die pädagogische Dimension des gemeinsamen Mittagstisches für Kinder dadurch eine Verfremdung erfährt. Auch wird die Gesamtverantwortung der Schule durch die Verlagerung der Zuständigkeit auf den Schulträger in der Mittagspause ausgehöhlt. Eine Interessenkollision zwischen der Zielsetzung und der Organisationsform ist an dieser Stelle eindeutig festzustellen!

 

4. Gesetzesänderung §4a, Abs.4

Die Beantragung einer Ganztagsschule durch den Schulträger bedarf der Zustimmung der Schulkonferenz. Dem ist zunächst zuzustimmen. Allerdings macht der VBE eindringlich darauf aufmerksam, dass die wesentlichen Gestalter der Ganztagsschule im Kollegium einer Schule sitzen. Ein Ganztagsschulbetrieb fordert vom Kollegium zusätzliche Einsatzbereitschaft und eine wesentlich höhere Kommunikationsbereitschaft. Wenn nun das Kollegium aus dem Beantragugsprozess weitgehen ausgeschlossen wird, ist diese Nichtbeteiligung eher demotivierend! Daher fordert der VBE die Beteiligung von GLK und Schulkonferenz!

 

5.   Ganztagsschule – Qualität zählt

Der Ganztagsschule in der Grundschule wachsen in unserer sich verändernden Gesellschaft immer mehr Familien unterstützende, Familien ergänzende oder gar Familien ersetzende Funktionen zu. Daher steht für den VBE der Qualitätsanspruch an oberster Stelle. Für den VBE gehören zu einem gelingenden Ganztagskonzept 4 Grundanforderungen:

  • Rhythmisierung der Tagestruktur
  • eine neue Lernkultur
  • der gemeinsame Mittagstisch
  • der pädagogisch organisierte Freizeitbereich

 

5.1 Rhythmisierung:

Die Voraussetzungen, dass Rhythmisierung nach dem Gesetzentwurf gelingen kann sind gegeben. Störenfried ist dabei zum einen die wenig strukturierte Mittagspause (s.o.) und zum anderen die freie Gestaltung des Schulkonzeptes vor der Beantragung. Dort ist die ganze Spannbreite von der verbindlichen Form bis zur völlig offenen Form (Unterricht am Vormittag und Betreuung am Nachmittag) möglich. Somit sind nicht in jedem Konzept Möglichkeiten zur Rhythmisierung enthalten. Während Rhythmisierung die Abwechslung von Phasen der Anspannung und Entspannung und somit die Verteilung der Lern- oder Arbeitsphasen – auch Unterricht – über den ganzen Tag vorsieht, kann in der offenen Form mit Unterricht am Vormittag nicht rhythmisiert werden. Dieses „Manko“ muss vor der Beantragung allen Beteiligten bewusst sein! Die in der STEG-Studie nachgewiesenen Erfolge der Ganztagsbetreuung treten nur ein, wenn die Qualität des Angebotes stimmt und wenn die Teilnahme von hoher Dauer ist.

5.2 Lernkultur

Für den VBE steht die Verbesserung der Lebens- und Lernbedingungen unserer Kinder im Vordergrund. Heterogenität und Individualität stellen an den Lernprozess veränderte und erweiterte Anforderungen. Das Arbeiten im offenen Unterricht, mit Lernplänen, Portfolios und individuellen Förderplänen u.a. muss zum Garant von Bildungsindividualität werden. Dazu sind Veränderungen in der Lehrerausbildung und in der Fortbildung notwendig. Lehrkräfte an Ganztagsschulen müssen ein hohes Maß an Identifizierung mit der Ganztagspädagogik aufweisen. Diese muss schon im Studium grundgelegt werden. Auch sollte die Besetzung von Ganztagsschulen mit Lehrkräften nicht auf dem Versetzungsmarkt, sondern über schulscharfe Stellenausschreibungen vollzogen werden können.

Für den Lernbereich in der Ganztagsschule sollten im Personalbereich qualifizierte Fachkräfte eingestellt werden können, um Lernangebote entsprechend oder zusätzlich einrichten zu können!

5.3 Mittagstisch

Das gemeinsame Mittagessen soll den Kindern ein zusätzliches Gemeinschaftserlebnis ermöglichen. Die Hinführung zur gesunden Ernährung, der Umgang mit der eigenen Gesundheit, Vermittlung allgemein gebräuchlicher Tischsitten, Hygieneschulung, Kommunikation am Tisch u.a. sind nur einige Merkmale, die die pädagogische Funktion des Mittagstisches untermauern. In der Annahme, dass Kinder, die zum Mittagstisch die Schule verlassen, diese Funktion zu Hause erleben, sollten den Kindern beim Mittagstische in der Schule diese Werte vermittelt werden können. Deshalb wächst dem betreuenden Personal eine besondere Verantwortung zu.

5.4 Freizeitpädagogik

Die Grundschule ist die Schulart, die den wenigsten Unterricht und somit den größten Freizeitbedarf aufweist. Deshalb sollte den Werten der Freizeitpädagogik eine tragende Rolle für die Persönlichkeitsentwicklung unserer Kinder zufallen. Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Konfliktfähigkeit, Kreativität, Verantwortungsbewusstsein, Übernahme von Verantwortung für sich und andere, Sensibilität u.a. sind Werte, die die Entwicklung und Stärkung unserer Kinder wesentlich unterstützen: Es sind Schlüsselqualifikationen zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben! Deshalb benötigt man für die Umsetzung ein ausgebildetes System von gebundenen und ungebundenen Freizeitangeboten. Hier kommt der Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, wie sie die Gesetzesvorlage vorsieht, eine bedeutende Rolle zu. Das Angebot muss sich am Bedarf und den Möglichkeiten der Kinder orientieren. Auch hier ist insbesondere im Förderschulbereich auf die besonderen Bedingungen einzugehen.

5.5 Schulleitung

Neben dem Kollegium kommt der Schulleitung als Organisator und Motor des Ganztagsbetriebs eine ganz besondere Rolle zu. Sie soll auf der einen Seite das Konzept und das Tagesprogramm des Betriebes organisieren und auf der anderen Seite die personale Situation durch Auswahl, Einstellung und Arbeitsverträge gestalten. Ferner ist vorgesehen, dass der Schule ein Haushalt zur Budgetierung von Lehrerstunden speziell für den Ganztagsbetrieb zugeführt werden soll, der von der Schulleitung berechnet und verwaltet werden muss. Bei beiden Auftragsbereichen ist noch nicht klar, wie die rechtliche Situation gestaltet werden kann. Schule als nicht rechtsfähige Einrichtung muss dafür erst umgestaltet werden. Schulleiter/innen sind dafür zunächst einmal nicht ausgebildet. Nur wenn der rechtliche Rahmen stimmt, kann dieser Arbeitszuwachs auch verantwortungsbewusst übernommen werden. In jedem Fall ist eines jetzt schon klar: Die dafür vorgesehene 1 Anrechnungsstunde Arbeitszeit ist ein Hohn! Auch wenn durch die Budgetierung eine zusätzliche Stunde bezahlt werden kann, reicht das Arbeitszeitangebot niemals aus! Angemessen wäre nach Auffassung des VBE, dass jeder Gruppe eine Anrechnungsstunde zugesprochen wird!

5.6 Schulbauförderrichtlinien

Eine Ganztagsschule hat einen spezifischen Raumbedarf. Lernen, Spielen, Toben, Ruhen, Essen, Arbeiten haben im Tagesablauf ihre besondere Bedeutung. Dafür sind spezielle Raumgestaltungen notwendig. Die Schulbauförderrichtlinien sollten endlich – wie schon lange versprochen – angepasst werden. In diese Richtlinien sind auch Umgestaltungen von bestehenden Gebäuden aufzunehmen. Die Entscheidung für eine Ganztagsschule hängt in den Gemeinde- und Stadträten im Wesentlichen vom finanziellen Spielraum ab!

5.7 Haushaltsvorbehalt

Ein Haushaltsvorbehalt wie ihn der Gesetzesvorschlag zur Ganztagsschule in der Grundschule vorsieht ist zweifelsfrei kontraproduktiv. Wenn man von mehr Bildungsgerechtigkeit spricht und vom Ausgleich sozialer Disparität in der Gesellschaft hat das Diktat des Geldes keinen Platz. Wenn der Finanzminister das Sagen hat, steht Bildung in der zweiten Reihe! So wird die Schuldenbremse zur Bildungsbremse!

In diesem Zusammenhang (Sparzwang) sieht der VBE auch die Streichung der Verlässlichen Grundschule, für den Fall, dass der Ganztagsbetrieb nach dem neuen Gesetz beantragt wird: Wegfall der Landeszuschüsse für kommunale Betreuungseinrichtungen (auch Hort)! Hier wird auf dem Rücken von kleinen Kindern und deren Familien am falschen Ort gespart! Denn davon betroffen sind auch Eltern von Kindern aus dem Regelbetrieb. Und für die ändert sich durch die Einführung der Ganztagsgrundschule eigentlich nichts. Ihnen bleibt die Hoffnung, dass die Betreuung durch die Kommune übernommen wird. Der VBE fordert den Erhalt dieser Einrichtungen!

5.8 Termingestaltung

1. Termin: 28. März 14                                     Interessenbekundung an das SSA

2. Termin: 30. April 14                                    Antragseingang über SSA an das Ministerium

Da Informationen zur Antragstellung auch über den Städte- und Gemeindetag bei den Schulträgern ankommen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Schulträger angesagt!

 

Unter Mitarbeit von Steffi Bange, Uschi Mittag Gerhard Müller und Johannes Knapp zusammengestellt von Otmar Winzer – 03/2014

Was sind die Lehrer dem Land wert?

Rede des VBE Landesvorsitzenden Gerhard Brand, anläßlich der Personalversammlung, SSA Backnang am 19. November 2012 in Winterbach

Alle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

aber auch wirklich alle, hatten einmal einen Lehrer. Manche verbrachten neun Jahre ihres Lebens mit einem Lehrer, manch andere gar dreizehn, vierzehn, fünfzehn – je nach Begabung und Durchhaltevermögen. So ist selbstverständlich auch jeder in der Lage ein fundiertes Urteil über uns abgeben zu können. Wir werden „Bildner der Zukunft“ genannt, aber auch „Faule Hunde“. Wir werden belächelt und wir werden geachtet – mal mehr, mal weniger – und es wäre doch schön, wenn es lieber einmal mehr, als mehrmals weniger wäre.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Wir nehmen eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft war, vielleicht sogar die wichtigste Aufgabe in einem Land wie Baden-Württemberg, das rohstoffarm ist und deshalb besonders auf Bildung angewiesen. Was wir tun ist im Grundgesetz und in der Landesverfassung ausgeführt. Gibt es einen besseren Beleg dafür, wie wertvoll unser Tun ist?

Aber schlägt unserem Tun auch diese Wertschätzung entgegen? Sind wir unserem Land das wert? Und die Überschrift fragt ja nicht, ob wir dem Land etwas wert sind, sie will es ganz genau wissen und fragt deshalb: „Was sind wir Lehrer dem Land wert?“ Und um diese Frage beantworten zu können gehen ich etwas tiefer ins Detail:

 

1. Finanzielles

 – Im Jahr 2000 wurde die Spreizung in den Altersstufen ausgeweitet, um leistungsabhängige Elemente der Bezahlung, einführen zu können. Das durch die Spreizung eingesparte Geld sollte für Leistungsprämien und Leistungsstufen verwendet werden. Ersteres wurde nie gewährt und Letzteres nun gestrichen.

– Im Jahr 2003 wurde uns das Weihnachtsgeld auf 57,5 Prozent gekürzt und wurde dann im Jahr 2004 als monatliche Auszahlung von 4,79 Prozent in die Gehaltstabelle eingearbeitet.

– Im gleichen Jahr wurde das Urlaubsgeld komplett gestrichen.

– Die Jubiläumsgabe wurde abgeschafft.

–  Zum 1. Januar 2008 wurde die monatliche Auszahlung des früheren Weihnachtsgeldes noch einmal gekürzt. Sie beträgt jetzt noch 50 Prozent und somit 4,17 Prozent pro Monat.

– Noch schlimmer traf es die Versorgungsempfänger. Bei Ihnen wurde eine Kürzung auf 30 Prozent vorgenommen, was einem monatlichen Anteil von 2,5 Prozent entspricht.

– Ebenfalls gestrichen ist das Beförderungsamt für Lehrkräfte an Haupt- und Werkrealschulen. Und damit auch die diesbezüglichen Anhebungen im Bereich der Schulleitungen. Dieses Programm hätte nicht gestrichen werden dürfen, es hätte ausgebaut gehört! Und kein Mensch versteht, warum die Lehrkräfte an Grundschulen nicht in dieses Programm miteinbezogen wurden. Sie haben die gleichen Voraussetzungen, wie die Lehrkräfte an Hauptschulen und unterrichten häufig sogar mit einem Teil ihres Deputates an diesen Schulen.

Es gab aber nicht nur Kürzungen, nein, es gab auch Erhöhungen. So erhöhte sich beispielsweise:

– Die Kostendämpfungspauschale und

– der Eigenanteil an den Wahlleistungen.

Von den Lohnentwicklungen wurden wir nicht ausgenommen. Sie orientierten sich an den Entwicklungen im Tarifbereich bei den Angestellten. Nicht immer wurden sie in gleicher Höhe übertragen und schon gar nicht zur gleichen Zeit. Meist war es doch so, dass bis zur Besoldungsstufe A 10 eine zeitverzögerte Auszahlung zum August anstand und in den Besoldungsgruppen ab A 11 sogar erst im November die letzte Tranche der Erhöhung umgesetzt wurde.

Bei der letzten Gehaltserhöhung gab es 1,2 Prozent mehr, aber erst im August, während der Tarifbereich die Gehaltserhöhung schon zum März erhielt – auch hier kann man sich fragen: Warum eigentlich nicht zum Januar für alle? Aber zurück zur Erhöhung: Die verzögerte Auszahlung bei den Beamten sparte dem Dienstherren rund 270 Euro pro Beamten ein. Wenn wir diese Verzögerung in die prozentuale Gehaltserhöhung einrechnen, dann liegen wir unter der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes. Unser Gehalt nimmt in seiner Kaufkraft ab. Und das ist das, was Sie schon lange spüren, wenn Sie einkaufen gehen: Das Geld reicht immer weniger aus.

Das letzte Husarenstück – aber ich fürchte es wird das letzte nicht sein – ist die geplante Absenkung der Eingangsbesoldung im Bereich der Lehrer in A 9 und A 10 um 4 Prozent und ab A 12 um 8 Prozent, für die Dauer von drei Jahren. Bei einer Eingangsbesoldung in A 12 und einem Bruttogehalt von 3.200 Euro sind das pro Monat 256 Euro. Da ein Jahr, wie wir alle wissen, zwölf Monate hat, sind das in einem Jahr 3.072 Euro. Nahezu ein volles Monatsgehalt pro Jahr. Unsere jungen Kolleginnen und Kollegen haben also keine 12 Monatsgehälter mehr im Jahr, sondern nur noch elf. Das ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten.

Ich denke, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, so langsam bekommen Sie einen Eindruck davon, was dem Land seine Lehrer wert sind. Ich denke, dass alles hatten Sie schon so vermutet, aber in dieser Deutlichkeit und in dieser Zusammenstellung wird es noch einmal besonders deutlich.

Ich sage es ja ungern, aber es hört noch nicht auf: Für 2013 müssen wir uns wappnen, denn es stehen weitere Einschnitte an: Ich darf sie jetzt nur holzschnittartig nennen: Einschnitte bei den Versorgungsempfängern, Einschnitte bei der Beihilfe, weitere Verzögerungen oder Aussetzungen bei den Gehaltsrunden um nur den fiskalischen Teil zu nennen.

 

2. Aber Wertschätzung äußert sich nicht nur in Geld

Unsere Arbeitsbedingungen sind, und das ist ja auch normal, in einem stetigen Wandel begriffen. Normal ist es dann aber auch, auf diesen Wandel eingehen zu können. Und das führt uns zu der Frage: Können wir das? Versetzt uns unser Dienstherr in die Lage adäquat auf die sich uns entgegenstellenden neuen Herausforderungen eingehen zu können?

Grundschulen

Wir sehen zunehmend die Notwendigkeit einer engen Kooperation zwischen Grundschule und Kindertagesstätte. Diese Notwendigkeit sieht unser Dienstherr auch. Seit diesem Jahr haben wir erstmals eine Stunde für diese Kooperation erhalten. Das ist ein Anfang. Aber jede Grundschullehrkraft kann  sehr deutlich klar machen, dass eine Stunde ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wenn diese Kooperation intensiv und für die Beteiligten, insbesondere die betroffenen Kinder, gewinnbringend sein soll, dann muss ein Mehrfaches investiert werden um diese notwendige Kooperation zum Erfolg zu führen. Wie sieht es an der Schule aus? Die Lehrkräfte, die die Schnittstelle zu den Kindertageseinrichtungen stellen, schneiden sich die Zeit aus den Rippen heraus. Das ist persönliches Engagement für die Kinder, für die Schule, für die Profession. Das bringen wir Lehrer, da sind wir verlässliche Partner. Wir arbeiten über das Maß hinaus – und unser Dienstherr sieht zu. Wo bleibt da die Fürsorge zu der sich unser Dienstherr verpflichtet hat? Wo ist die Wertschätzung unserer Arbeit?

Haupt- und Werkrealschulen

Die Kolleginnen und Kollegen in den Haupt- und Werkrealschulen haben ein flaues Gefühl im Magen – ich werde jetzt mal ein wenig flapsig und sage, um dieses Gefühl zu verdeutlichen: Es ist so, als hätten Sie einen Termin beim Kieferchirurgen zum Entfernen der Weisheitszähne und man lässt Sie vollkommen im Unklaren darüber, ob man ihnen eine lokale Anästhesie verabreichen wird – oder vielleicht auch nicht. Mit diesem Gefühl gehen unsere Kolleginnen und Kollegen jeden Morgen in die Schule, von der sie nicht wissen, ob es diese im nächsten Jahr noch gibt und was dann mit ihnen selbst passieren wird. Wenn Veränderungen in der Bildungslandschaft in großem Stil vorgenommen werden, dann ist es eine Pflicht des Dienstherren von vornherein, und nicht erst im Nachgang, dafür Sorge zu tragen, dass die Lehrkräfte an die Hand genommen werden, dass ihnen verlässliche Perspektiven aufgezeigt werden, die auch wirkliche Perspektiven sind und keine Augenwischerei. Es ist uns allen klar, dass bei zurückgehenden Schülerzahlen nicht jede Schule gehalten werden kann – da müssen wir uns nichts vormachen. Das eine Regierung darauf reagiert ist richtig. Aber es geht hier und heute um das Wie! Es geht darum, wie sie das tut und wie sie die Menschen einbindet, die diesen Karren nachher ziehen sollen, nämlich uns Lehrer – und auch das hat etwas mit Wertschätzung zu tun.

Realschulen

Wie geht es unseren Kolleginnen und Kollegen in den Realschulen? Um diese Situation zu beschreiben reichen zwei Worte: Nicht besser! Auch sie spüren, dass die Realschulen, die immer stärker ins Zentrum der Schullandschaft gerückt sind und einen besten Ruf bei Eltern und in der Wirtschaft genießen, von den Veränderungen betroffen sein werden. Ganz aktuell, hat nach dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung, die Heterogenität, zunächst einmal in der fünften Klasse, zugenommen. Das ist auch gewollt, denn in der Heterogenität liegt die Chance, Vielfalt statt Einfalt sagt die Landesregierung. Warum fragt man denn nicht einmal die, die davon betroffen sind? Diese Worte habe ich von den Kolleginnen und Kollegen aus den Realschulen nicht gehört. Da höre ich, dass der Druck schon seit Jahren enorm ist und sich jetzt noch einmal gesteigert hat. Wenn Heterogenität gefordert wird, dann müssen die Schule auch in die Lage versetzt werden, dieser gesteigerten Heterogenität gerecht werden zu können. Dann sind Stunden nötig, um die Schüler aufzufangen, die mit dem Unterrichtsumfang und -tempo der Realschulen nicht Schritt halten können. Dann sind mehr Lehrer notwendig, um in vollen Klassen das Niveau halten zu können – ohne dass die schwächeren Schüler hinten runter fallen. Wer Kindern den Besuch einer Schulart ermöglicht, der muss auch dafür Sorge tragen, dass diese Schulart in die Lage versetzt wird, diesen neuen Anforderungen gerecht werden zu können – und auch das hat etwas mit Wertschätzung zu tun. 

Sonderschulen

Die Kolleginnen und Kollegen an den Sonderschulen spüren eine große Verunsicherung. Wie wird sich Artikel 24 der UN-Konvention auf ihre Arbeit und auf ihre Profession auswirken. Was wird die Landesregierung tun, um die Vorgaben der Konvention über Menschen mit Behinderungen umzusetzen? Nichts – bis jetzt und die Verunsicherung bleibt. Uns allen ist klar: Inklusion wird nicht ohne Mittel auskommen. Das ist sehr nüchtern gesprochen. Im Klartext heißt das: Es wird verdammt viel Geld nötig sein, wenn die Inklusion verantwortungsvoll umgesetzt werden soll. Es ist kaum anzunehmen, dass die Landesregierung Mittel in ausreichendem Umfang zur Verfügung stellen wird – oder auch kann. Werden wir dann eine Inklusion light bekommen? Auch hier gilt die Frage: Wo beteiligt die Landesregierung die Menschen, die die Veränderungen vor Ort, an der Basis, mit den Eltern und Kindern umsetzen sollen? Während des Landesparteitages der SPD sagte ein Delegierter während einer Pause am Stehtisch zu der Kultusministerin, wörtlich: „Wenn man einen See trocken legen will, dann darf man nicht die Frösche fragen.“ Der Satz dieses Volksvertreters hat nichts mit Wertschätzung zu tun.

Gemeinschaftsschulen

In diesem Jahr ging die erste Gemeinschaftsschule in unserem Schulamtsbezirk an den Start. Ich konnte mir noch kein Bild davon machen, was ich bedauere aber nachholen werde. Die Gemeinschaftsschulen verkörpern einen vollkommen anderen Schultyp, was die angewandte Methodik betrifft, auch was das pädagogische Verständnis betrifft, aber auch was die äußeren Rahmenbedingungen betrifft. Diese Schulart ist auf eine enorme Unterstützung angewiesen, wenn sie zum Erfolg geführt werden soll. Beispiele wie die Freie-Schule-Anne-Sophie oder die Beatenbergschule zeigen uns deutlich, welch finanzielle Anstrengungen nötig sind – allein schon, wenn wir die personelle Ausstattung und die baulichen Maßnahmen betrachten. Die Landesregierung ist in der Pflicht, diesem neuen Schultyp diese Unterstützung zukommen zu lassen – aber: Sie ist auch in der Pflicht dies nicht einseitig zu tun. Alle Schularten haben das Recht auf gleiche Behandlung. Und deshalb sehe ich auch nicht im Geringsten, wo in der Bildung gespart werden könnte. Wer das Angebot ausweitet und gleichzeitig die Qualität steigern möchte, der muss auch die Finanzierung sicherstellen – auch das hat etwas mit Wertschätzung zu tun.

 

3. Wo bleibt die Fürsorge

Wertschätzung hat auch etwas mit Fürsorge zu tun. Sie wissen es so gut wie ich, die Arbeit ist nicht leichter geworden. Die Anzahl der Schüler, die unsere besondere Aufmerksamkeit benötigen, steigt – ebenso wie die Anzahl der Gespräche mit den Erziehungsberechtigten. Immer häufiger benötigen wir die Hilfe außerschulischer Dienste – sei es bei den Integrationshelfern, den SPZ, dem Jugendamt, dem Sozialamt und vielem mehr. Und in immer größerem Umfang wird Schule mit der Außenwelt vernetzt. Wir sehen das bei der Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen – ohne die so manche Ganztagesschule nicht möglich wäre –, ebenso wie bei der Intensivierung der Kontakte mit der Wirtschaft und der Berufsorientierung.

Angebote, wie ein Schulgarten, eine Schülerbücherei, ein Schulchor, eine Theater-AG, eine Forschergruppe und vieles mehr, findet heute keine Berücksichtigung mehr in der Stundenzuteilung. Nicht einmal Förderstunden und Stunden im LRS-Bereich können verlässlich gegeben werden. Wir sehen den Bedarf, der dahinter steckt. Wir sehen, welche Wirkung davon für das Schulleben ausgehen würde und wir sehen auch, welchen Wert es in der Politik einnimmt. Natürlich sind dafür Lehrerstellen nötig. Aber die beabsichtigte Streichung von jährlich rund 1.000 Lehrerstellen ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was getan werden muss!

Und auch das Märchen von der demographischen Rendite überlebt sich in der realen Betrachtung: Der Schülerrückgang ist zweifellos vorhanden. Rechnerisch müsste die Versorgung im Direktbereich um 1,2 Prozent zurückgefahren werden können – aber wie es sich zeigt, ist das Gegenteil der Fall: Die Versorgung im Direktbereich ist um 0,3 Prozent angestiegen! Das hat etwas mit dem Ausbau an Ganztagesschulen zu tun, ebenso wie mit der Gabe der einen Stunde für die Kooperation mit den Kindertagesstätten. Es zeigt sich jetzt schon deutlich, dass der geplante Abbau von rund 1.000 Lehrerstellen pro Jahr, der dieser demographischen Rendite geschuldet sein soll, sich in der Realität nicht niederschlagen wird, wenn man auch nur ein Fünkchen von Qualität im Schulleben belassen möchte.

Fragen Sie mich, wie die 1.000 Stellen eingespart werden sollen. Wird das Unterrichtsangebot reduziert? Nein, letzte Woche konnte man es in der Zeitung lesen: Im AE Bereich, das ist das allgemeine Entlastungskontingent, soll gespart werden. Sparen bei der Entlastung! Das sind die Stunden, die die Altersermäßigung betreffen, das sind die Stunden, die die Systembetreuung betreffen, also den Multimediaberater zum Beispiel, es sind aber auch die Stunden, die sie für die Betreuung und Pflege der Schülerbibliothek, des Schulgartens und vieler anderer Dinge benötigen – ich kann Ihnen nicht sagen, ob unser Dienstherr von uns erwartet, dass wir das dann, wie es so schön heißt, on-top machen – oder ehrenamtlich. Mit Wertschätzung hat das nichts zu tun.

„Die neue Landebahn ist schon fast fertig!“ Ich hatte letzte Woche eine Postkarte aus Berlin in der Hand. „Morgennebel über einem weiten, unberührten Feld und im Vordergrund steht ein Arbeiter der gerade seinen Spaten in die Erde rammt. In der Bildunterschrift stand: „Die neue Landebahn ist schon fast fertig.“ Das Bild erinnerte mich spontan an den Arbeits- und Gesundheitsschutz hier bei uns im Land. Der Spaten steckt, aber so lange sich der Arbeits- und Gesundheitsschutz auf eine vegetarische Variante in der Schulküche beschränkt, ist er eben noch nicht fertig. Und um ehrlich zu sein, ich sehe auch keine Konzepte, die zu einem Gelingen beitragen könnten, da Vieles, was getan werden muss in den Kompetenzen zwischen Land und Kommune versickert. Klare Regelungen fehlen und auch das hat nichts mit Wertschätzung zu tun.

 

4. Was ist zu tun

Länderfinanzausgleich

Ich sage Ihnen: Kein Geld ist immer da! Solange Baden-Württemberg im Länderfinanzausgleich, im Durchschnitt der letzten zehn Jahre, jährlich 2,25 Milliarden Euro – und zwar Inflationsbereinigt – zahlt, dann darf man sich doch wundern. Wundern darf man sich vor allem dann, wenn man betrachtet, was manche Nehmerländer mit dem Geld machen. Da gibt es dann so schöne Sachen wie:

– Beförderungsämter nach A 13 in Thüringen

– A 13 für alle Lehrerinnen und Lehrer in Rheinland-Pfalz

– 10-semestriges Studium für alle Lehramtsstudierenden in Nordrhein-Westfalen

– Freie Kindergartenplätze in Berlin

Steuerabkommen mit der Schweiz

Hoffen darf man indessen auch auf eine mögliche Korrektur des geplanten Steuerabkommens mit der Schweiz. Baden-Württemberg hat sich klar positioniert und in der Länderkammer gibt es eine Mehrheit für die Ablehnung der aktuellen Vorlage. Auch hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es um Milliarden!

Steuerplus

Das führt uns letztendlich noch zu der Frage: Wo sind die 2 Milliarden Mehr an Steuereinnahmen hin? Ich kann es Ihnen nicht sagen. Aber niemand soll mir sagen, es sei kein Geld da, wenn so gewirtschaftet wird.

Ich würde mich gerne bei den Politikern bedanken, wenn sie einem doch nur Anlass dazu böten.

Vielleicht bietet sich der Anlass hier und wenn die Politik an dieser Stelle ihre Hausaufgaben gut macht, dann müssen wir über Sparmaßnahmen im Bildungsbereich nicht mehr reden. Aber dann reden wir noch einmal über die Wertschätzung die uns zusteht!

 

Ich schließe mit einem Blick auf eine Überschrift, die ich vor einer Woche einem Artikel über die armen Kinder in der Schule entnommen habe:

Die Überschrift lautete: „Die arme geschundene Kreatur“

Kolleginnen und Kollegen, ich frage sie auf welcher Seite des Pultes sitzt sie denn, die arme geschundene Kreatur?

Ich danke Ihnen.

Resolution der Pädagogischen Assistentinnen und Assistenten an Grundschulen an die Landesregierung von Baden-Württemberg

Anlässlich einer VBE-Fortbildung vom 28./29. September 2012 in Pforzheim für alle Pädagogischen Assistentinnen und Assistenten in Baden-Württemberg wenden wir uns an Sie, Frau Ministerin Warminski-Leitheußer, und an die komplette Landesregierung mit den Forderungen:

  • Im Namen der Kinder an den Grundschulen Baden-Württembergs, besonders an den Grundschulen mit hohem Migrantenanteil und an Brennpunktschulen: Lassen Sie unsere Verträge am 31.01.2013 nicht auslaufen, sondern entfristen Sie unsere Verträge. Unsere Arbeit an den Grundschulen hat sich gerade für Kinder mit Förderbedarf als äußert wichtig und hilfreich erwiesen. Die Landesregierung hat richtigerweise erkannt, wie wichtig gerade dieser Bereich ist. Alle Kinder mit Förderbedarf sollen schon im frühen Bereich ihrer Schullaufbahn so unterstützt werden, dass sie ihre Defizite aufarbeiten können. Die Lehrerinnen und Lehrer sind dabei auf unsere Unterstützung angewiesen. Nur durch unsere Arbeit sind hier wesentliche Verbesserungen  möglich (Einen exemplarischen Bericht zu unserer Arbeit finden Sie unten). In Zeiten der Integration, Inklusion und der Differenzierung werden wir dringend gebraucht.
  • Die Vorgabe der Landesregierung, dass Schulen beim Ausscheiden eines Pädagogischen Assistenten nur durch den Wegfall von Lehrerdeputatsstunden eine neue Pädagogische Assistentin einstellen können, ist äußerst unbefriedigend. Die Schulen sind gerade mal so versorgt, dass der Pflichtbereich abgedeckt und der Ergänzungsbereich sehr klein oder gar nicht vorhanden ist. Da bleibt dann keine Luft, sich für Pädagogische Assistentinnen zu entscheiden, was mittel- und langfristig zum Verschwinden unseres Berufes führen wird. Wir bitten Sie also, diese Regelung zurückzunehmen und dauerhafte Arbeitsplätze einzurichten.
  • Fast alle von uns arbeiten nur mit geringen Teilzeitaufträgen an den Schulen. Es gibt kaum eine Möglichkeit, unsere Arbeitszeit aufzustocken. Wir bitten Sie, uns den anderen Landesbediensteten gleichzustellen,  damit auch wir unsere Arbeitszeit nach persönlichen Bedürfnissen  beantragen können. Der Bedarf an den Schulen ist dafür da.

 

Pädagogische Assistenten in Baden-Württemberg – ein kleines „Extra“ mit großer Wirkung für die Zukunft

Mangelnde Fachkräfte, zunehmende Arbeitslosigkeit, immer mehr psychisch labile Jugendliche und junge Erwachsene, immer mehr Symptome von Überforderung und Resignation. Täglich erreichen uns Schlagzeilen, die uns Sorgen bereiten für die Zukunft. Damit es gar nicht erst so weit kommt, damit Kinder gut gerüstet in diese Zukunft gehen, müssen mögliche Hindernisse so früh wie möglich aus dem Weg geräumt werden.  Wie wichtig es ist, im Kleinen bei den Jüngsten unseres Landes zu beginnen, soll im Folgenden anhand von drei Beispielen gezeigt werden.

Ausgestattet mit einem Bildwörterbuch, Konzeptpapier und einem Mäppchen trete ich in eine zweite Klasse ein, in der mich die großen Augen der achtjährigen M. mit Funkeln anschauen. Seit fünf Wochen ist M. nun in Deutschland. Die meiste Zeit sitzt sie geduldig, doch manchmal auch traurig da, weil die fremde Sprache für sie ein Hindernis beim Verständnis und beim Mitmachen vieler Aufgaben darstellt. Ich setze mich neben sie und schreibe auf ein Blatt wichtige Wörter, die im Deutsch-Unterricht gerade besprochen werden. Die Bedeutungen male ich als kleine Bildchen neben die Wörter und flüstere ihr Zusammenhänge oder Aufgabenstellungen zu, so dass sie dem Unterrichtsthema folgen und die meisten Aufgaben lösen kann.

Eine andere Schülerin nehme ich täglich am Ende ihrer Mathe-Stunde an einen Tisch hinten im Klassenzimmer mit, um ein bis zwei Übungen mit ihr durchzuführen. Da sie Schwierigkeiten hat, sich Zahlenfolgen und Mengen räumlich vorzustellen, übe ich dies gezielt mit ihr. Was mir noch vor einem Jahr bei dieser Schülerin unmöglich erschien, bringt mich nun zum Staunen: Im Klassenverband kommt sie sehr gut mit und erhält auch gute Noten! Dies ist das Ergebnis regelmäßiger Förderung von vielen Seiten. Professionell angeleitet von den schriftlichen Anweisungen einer Expertin der „Recheninsel“, bei der die Schülerin sechs Sitzungen erhielt, können ihre Eltern, ihre Lehrerin und ich nach einem aufeinander aufbauenden Programm mit ihr üben.

Mit einem anderen Schüler übe ich lesen und sich zu organisieren. Ordnung im Heft und im Schulranzen bringt Ordnung im Kopf. Da er bei diesen Aufgaben zu Hause nicht unterstützt wird und für sein junges Alter sehr viel Verantwortung trägt, unterstütze ich ihn beim Aufräumen des Schulranzens und merke, wie er es auch alleine immer besser schafft. Auch Gespräche über das, was ihn bewegt, finden bei mir neben dem Lesen-Üben Raum. Das zunehmende Lob seiner Lehrerin genießt er sehr.

Dies sind nur drei Beispiele von vielen Aufgaben, die die Lehrer im fortlaufenden Unterricht nicht ausreichend meistern können. Beispiele von Situationen und Problemstellungen im Schulalltag, bei denen es der gezielten Arbeit der Pädagogischen Assistenten bedarf. Nur so können Grundschulkinder mit Lernschwierigkeiten, mangelnder Integration oder Überforderung sowie auch mit mangelnden Deutschkenntnissen frühzeitig individuell unterstützt und vor dem Abfallen ihrer Schulleistungen oder vor psychosozialen Schwierigkeiten geschützt werden.

Es geht nicht nur um einen Beitrag zur besseren Integration dieser Kinder, sondern auch um eine Verbesserung der Lernergebnisse der Schüler einer Schule bzw. einer Region und einer sozialen Stärkung ihrer Familien.

Häufig bekommen wir zu hören: „Das ist ein Luxus, den die Schule hat.“ Doch ist das wirklich Luxus? Sollte dies nicht zu einer Selbstverständlichkeit werden: zu fördern, wenn man die Lernschwierigkeit früh, nämlich im Grundschulalter, erkennt? Oder Lernschwierigkeiten durch gute Förderung vorzubeugen, damit sie erst gar nicht entstehen?

Noch haben die Politiker des Landes BW die Entscheidung in ihrer Hand, ob sie weiterhin die Pädagogischen Assistenten an Grundschulen mit hohem Migrantenanteil engagieren.

Unsere Zukunft stellen wir uns durch diese Helfer an den Grundschulen ein großes Stück besser vor: bessere Leistungen der Jugendlichen an den weiterführenden Schulen, eine viel selbständigere und selbstbewusstere Haltung der nach Deutschland zugewanderten Kinder und ihrer Familien, junge Menschen mit einer Perspektive, die sich um eine Ausbildungsstelle kümmern können (und nicht auf Abwege kommen). Die Region wäre reicher durch zunehmende Fertigkeiten der jungen Menschen und würde durch ihre Selbständigkeit und berufliche Beschäftigung weniger Ausgaben der Krankenkassen und der Ämter zur Versorgung des Lebensunterhalts haben.                                                                             

Eine Entscheidung für die Pädagogischen Assistenten wäre eine Entscheidung für die Region und für das Land, was sich in den nächsten Jahren in Statistiken belegen würde. Denn wer zum richtigen Zeitpunkt sät, der erntet bekanntlich gut…

 

Im September 2012

Karolina Sikora M.A.

Pädagogische Assistentin

karolina.sikora@gmx.net

Alle Lehrer sind Lehrer –

 VBE fordert, Ungleichbehandlungen in Ausbildung, Arbeitszeit und Besoldung zu beseitigen

Stuttgart. Nach Auffassung des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Würt­temberg müssen alle Lehrkräfte in Ausbildung, Arbeitszeit und Besoldung gleich behandelt werden – nicht nur wegen der neuen Gemeinschaftsschulen. Die Grundlage dazu muss in einer tiefgreifenden Reform der Lehrerausbil­dung gelegt werden. Wer aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit für Schüler Bildungsreformen vorantreiben will, darf bei der Lehrerschaft nicht wegse­hen. „Alle Lehrer sind Lehrer“, gibt der VBE das Ziel vor, denn noch immer sind einige Pädagogen „gleicher“ als die anderen.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Dass die Arbeit der Lehrer je nach Schulart verschieden ist, hat nach den jüngsten bildungspolitischen Diskussionen im Land jeder verstanden. Unverständlich bleibt jedoch weiterhin, warum Lehrer nach wie vor unterschiedlich lang ausgebildet und unterschiedlich bezahlt werden und warum sie unterschiedlich hohe Deputate (Wo­chenstundenverpflichtungen) haben. Obwohl nach dem Schulgesetz alle Schularten gleichwertig sind, werden manche Lehrer noch immer als die „etwas besseren“ Lehrer gehandelt. So gibt es nach wie vor die in hierarchische Strukturen eingebet­teten Laufbahnen wie höherer Dienst und gehobener Dienst – aus einer Zeit, als sich die Schulen noch unter obrigkeitsstaatlichen Gesichtspunkten definierten.

Noch immer wird die Arbeit der unterschiedlichen Lehrergruppen über das Alter der Schüler und deren sozialen Herkunft bewertet. Der Umgang mit jüngeren und bildungsschwächeren Schülern wird geringer geschätzt und weniger hoch besoldet als das Unterrichten älterer Schüler und solcher aus „besseren“ Gesellschafts­schichten. Niemand käme auf die Idee, Pädiatern im Vergleich zu Andrologen oder Frauenärzten lediglich den halben Vergütungssatz zuzugestehen, nur weil sie Kin­der, also „halbe Portionen“, untersuchen.

Galt die Grundschule zu früheren Zeiten als eine disziplinierende Stillsitzschule („Händchen falten, Mündchen halten, Öhrchen spitzen, stille sitzen…“), in der man Schülern das beigebracht hat, was jeder Erwachsene ohnehin beherrscht, ist man sich in jüngster Zeit der immensen Bedeutung der pädagogischen Basisarbeit in der Grundschule bewusst geworden. Die Grundschule ist für die Bildungsbiografie al­ler Schüler  d a s  Fundament. Moderner Unterricht in der Primarstufe bedeute bei einer sehr heterogenen Schülerschaft mit dem Erstellen individueller Lern- und Förderpläne, Portfolios und der ersten Berührung mit einer Fremdsprache alles an­dere als „so ein bisschen Schule halten“, versichert der VBE-Sprecher.

31.05.12