Der VBE lud zur „neuen Bildungslandschaft – Herausforderung für Schüler und Schulen“ am 11.11.2015 ins Haus der Wirtschaft in Karlsruhe mit den Bildungspolitischen Sprechern der im Landtag vertretenen Parteien. Wahlkampf pur – „Lehrer am Limit?“ so titelten die Badischen Neuesten Nachrichten in Ihrer Berichterstattung zu der vom VBE-Landesbezirk Nordbaden in erstmaliger Zusammenarbeit mit dem BLV bei der IHK Karlsruhe durchgeführten Diskussionsrunde mit den bildungspolitischen Sprechern der im Landtag vertretenen Parteien.
Dr. Stefan Fulst-Blei (SPD), Georg Wacker (CDU), Sandra Boser (Bündnis 90/Grüne) und Dr. Timm Kern (FDP) nützten das Forum am Martinstag weidlich für die Darstellung der parteipolitischen Sichtweisen zur aktuellen Entwicklung der Bildungslandschaft. Die teilweise hitzige Debatte wurde indes durch Andrea Friedrich (VBE) und Thomas Speck (BLV) meisterlich moderiert.
Schon ihr Einstieg mit einer Demonstration von „unhaltbaren“ Tennisbällen, die die Überlastung der Lehrerschaft symbolisierten, bereitete die aus der ganzen Region angereisten Zuhörer/innen auf die Thematik der stetig wachsenden Belastung der Lehrkräfte vor. Um einen zeitlich ausgewogenen Redeanteil der Podiumsteilnehmer zu gewährleisten, hatten die Moderatoren zur Überraschung des Auditoriums und der Politiker einen Zeitwächter beauftragt. Dieser wurde nach einer Stunde befragt und Andreas Baudisch hatte minutiös die Redeanteile der Politiker notiert, damit alle zeitlich ausgewogen zu Wort kommen konnten.
Der VBE-Landesbezirksvorsitzende, Alexander Oberst, erntete viel Applaus mit dem Hinweis, dass große Klassen mit zunehmend heterogener Schülerschaft, nervenaufreibende Elternarbeit, Inklusion behinderter Kinder und die Integration von Flüchtlingen bei gleichzeitig steigenden Elternansprüchen an Schule, Umstrukturierung von Schulen u. v. a. m. die Lehrkräfte vor täglich immer noch steigende Herausforderungen stellen. Er wies darauf hin, dass diese Anforderungen auf die Lehrkräfte aller Schularten einprasseln; dabei ist eine teilweise erhebliche Kluft in der Besoldung zwischen A9 und A14 auszumachen, die dem sozialen Frieden in den Kollegien abträglich ist.
Dr. Fulst-Blei (SPD) verteidigte die diversen unpopulären Maßnahmen, die die Landesregierung den Beamten und besonders den Lehrkräften auferlegte, mit Hinweis auf die zwei Milliarden Euro Deckungslücke im Haushalt und verwies auf die 600 neu geschaffenen Lehrerstellen. Sandra Boser (Bündnis 90/Grüne) erinnerte an die Einstufung des neu geschaffenen Lehramts für Sekundarstufe I und dass die Frage überlegt werde, wie mit den jetzt noch in A 12 besoldeten Sekundarstufenlehrkräften der HS/WRS, die an die GMS oder RS abgeordnet werden, umgegangen werden könne.
„Was braucht / erwartet die Wirtschaft von den Schulen?“ war eine Frage, die vornehmlich die IHK-Vertreterin Wencke Rathsack beantwortete: das Handwerk lege Wert auf die Primärtugenden und Ausbildungsreife, wobei Frau Rathsack ausdrücklich die seitherigen RS-Absolventen lobte. Mit großer Spannung erwarte die IHK die ersten Prüflinge der Gemeinschaftsschule.
Diese Ansicht wurde von Frau Margarete Schaefer (BLV), Leiterin eines großen Berufsschulzentrums voll und ganz unterstützt. Insbesondere an den Themen „Gemeinschaftsschule“ und „Inklusion“ entfachten sich dann hitzige Debatten. Viele Fragen wurden aufgeworfen, vor allem auch nach der Finanzierung der Verbesserungsvorschläge, die auch durch die Zuhörer gemacht werden durften. Einige blieben leider unbeantwortet, so z. B. ob der beabsichtigte Zwei-Pädagogen-Einsatz in Inklusionsklassen im Haushalt finanziell abgesichert ist.
Wacker (CDU) kritisierte vor allem die überhetzte Einführung von Inklusion und die, wie er es nannte „absolute Überprivilegierung der Gemeinschaftsschulen“.
Dr. Kern (FDP) stellte der Regierungsarbeit von Grün-Rot ein vernichtendes Urteil aus: „ Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass man eines der erfolgreichsten Bildungssysteme in Deutschland derart radikal umkrempeln und gegen die Wand fahren kann.“
Alexander Oberst betonte, dass an allen Schulen immer noch gute Arbeit geleistet werde und man die Lehrkräfte vor allem in GMS und RS nicht gegeneinander ausspielen wolle/dürfe. Als VBE-Referatsleiter Realschule drückte er allerdings auch die Enttäuschung vieler an der RS unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen aus, die sich durch eine „Realschule als Gemeinschaftsschule light“, wie sie das neuen Schulgesetz vorgibt, überfahren fühlen.
Die Zuhörer/innen waren durchweg begeistert von der Diskussionsrunde und der Ernsthaftigkeit, mit der die Bildungspolitiker den Wahlkampf einleiteten. Auch dass das Moderatorenteam super durch den Abend leitete, wurde anerkennend bemerkt. Eine tolle Idee, die Wirtschaft direkt in eine solche Diskussion einzubeziehen, meinten die Einen. Die Anderen fanden es gut, mal zu hören, wie Berufsschullehrkräfte über die GMS/RS-Entwicklung denken, wieder andere nutzten die Chance direkt Fragen an die politisch Verantwortlichen zu stellen. Auch authentische Beiträge aus dem Auditorium – vor allem von „inklusionsgeschädigten“ Lehrkräften – konnten bei den Besuchern und den Diskussionsteilnehmern Wirkung erzielen.
Besonders nette und aussagekräftige Rückmeldungen von mehreren „Nichtteilnehmern“ am Tag nach der Diskussionsrunde: „Mist, dass ich nicht dabei sein konnte!“ und „Da hab ich aber was verpasst!“ Und von Teilnehmern „Der Alex und die Andrea haben den VBE da super vertreten!“
Sehen Sie hier einige Impressionen eingefangen von Herrn Andreas Baudisch.