VBE-Umfrage zum aktuellen Schulbetrieb unter Pandemiebedingungen: Arbeitsbelastung steigt

„Stellen Sie sich vor, Sie müssten in der Corona-Pandemie ohne Abstandsgebot und Maskenpflicht auf engem Raum mit bis zu 30 weiteren Personen zusammenarbeiten – unter Umständen mit unzureichender Belüftung. Dies beschreibt nicht die viel kritisierten Arbeitszustände im Schlachtbetrieb Tönnies, sondern die tägliche Arbeitssituation in den Klassenzimmern unserer Schulen. Es verwundert wenig, dass sich ein Drittel der Lehrkräfte nicht ausreichend geschützt fühlt und sich über 70 Prozent gerne regelmäßig auf das Virus testen lassen würden“, so der VBE-Chef Gerhard Brand.

Er bezieht sich auf die aktuellen Zahlen einer vom VBE bei forsa beauftragten Umfrage unter Lehrkräften allgemeinbildender Schulen. Diese beschäftigt sich mit der aktuellen Situation an Grundschulen im Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen sowie an weiterführenden Schulen im rollierenden System. Die Studie wurde in der ersten Juliwoche durchgeführt und ist für Baden-Württemberg repräsentativ.

Brand weiter: „Zudem sagt jede dritte Lehrkraft, dass die Lehrerinnen und Lehrer selbst Räume putzen, um den höheren Rhythmus bei der Reinigung zu gewährleisten. Damit verprellt das Kultusministerium die Lehrkräfte zusätzlich: Anstatt ein angemessenes Arbeitsumfeld mit ausreichend Zeit für Bildung und Erziehung zu schaffen, bekommen Lehrkräfte den Putzeimer in die Hand gedrückt.“

Das Ministerium hat nun auf den Unmut der Lehrkräfte reagiert und zumindest für das nächste Schuljahr die Möglichkeit freiwilliger Testungen angekündigt und für die weiterführenden Schulen eine Maskenpflicht außerhalb des Unterrichts angeordnet. „Zwei begrüßenswerte Schritte, die zeigen, dass die Kultusministerin auf dem richtigen Weg ist. Nun müssen weitere Schritte folgen. Die Maskenpflicht ist an allen Schulen auf alle direkten Interaktionen zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern auszuweiten. Eine einfache und effektive Schutzmöglichkeit, wie sie auch in Supermärkten und Arztpraxen eingesetzt wird, ist das Aufstellen von Plexiglasscheiben. Außerdem sollten Schülerinnen und Schüler, die aus einer Krankheitsphase kommen, vor der Rückkehr an die Schule getestet werden“, fordert Brand.

Arbeitsbelastung steigt

Jede zweite Lehrkraft der weiterführenden Schulen berichtet von einer höheren oder sogar deutlich höheren Arbeitsbelastung im Vergleich zum Schulbetrieb vor Corona. „Hier zeigt sich das enorme Pensum, das die Kolleginnen und Kollegen im rollierenden System zu leisten haben: Sie pendeln zwischen Präsenzunterricht, der Aufgabenerstellung für das selbständige Lernen zuhause, der Begleitung dieser Schülerinnen und Schüler, den Präsenzlernangeboten sowie dem Einsatz in der Notbetreuung. Viele Lehrkräfte sind in den letzten Wochen weit über ihr Deputat hinausgegangen, um dies alles leisten zu können“, erklärt der VBE Landesvorsitzende.

Die Annahme, dass sich durch die Rückkehr in einen Regelbetrieb die Belastung der Lehrkräfte normalisiert, lässt sich nicht belegen. Im Gegenteil: An der Grundschule berichten sogar 60 Prozent der Lehrkräfte von einer höheren Arbeitsbelastung. „Hier zeigt sich, dass wir auch im Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen noch weit von einem normalen Schulbetrieb entfernt sind. Der Unterricht findet unter strengen Regeln statt, und der anfallende Organisationsaufwand ist gewaltig: Es sind feste Lerngruppen zu bilden, die sich möglichst nicht mit anderen Klassen vermischen sollen. Dabei soll nach Möglichkeit eine Lehrkraft den Unterricht einer Klasse abdecken. Der Unterricht und die Pausen beginnen für die vier Klassenstufen zeitversetzt. Die Lehrkräfte sollen auch in den Pausen stets bei ihren Klassen bleiben. Für die Lehrkräfte selbst bedeutet dies, dass sie praktisch keine eigenen Pausen mehr haben“, erläutert Brand.

Mehrheit will zurück in den Regelbetrieb

Die große Mehrheit der Lehrkräfte spricht sich trotz allem für die Rückkehr der Schulen in den Regelbetrieb aus. So halten es rund zwei Drittel der Grundschullehrkräfte für richtig, dass ihre Schulen seit Ende Juni wieder komplett geöffnet haben. Ebenso viele Lehrkräfte der weiterführenden Schulen begrüßen die Rückkehr zum Regelbetrieb nach den Sommerferien. Der VBE-Chef lobt das Engagement der Lehrerinnen und Lehrer: „Einmal mehr zeigt sich das außerordentlich hohe Berufsethos der Lehrkräfte. Trotz aller Zusatzbelastungen und Bedenken zum Gesundheitsschutz wollen sie wieder an der Schule unterrichten.“

Für den weiteren Öffnungsprozess formulieren die Lehrkräfte sehr genaue Erwartungen an ihren Dienstherrn. Am häufigsten fordern rund 40 Prozent eine bessere digitale Ausstattung. „Ohne Arbeitsgerät lässt es sich eben schwierig arbeiten. Für die meisten Lehrkräfte im Land ist es immer noch die traurige Regel, dass sie für den Digitalunterricht keine Dienstgeräte zur Verfügung haben“, kommentiert Brand die Ergebnisse. Am zweithäufigsten erwartet fast jede dritte Lehrkraft eine bessere Kommunikation des Kultusministeriums. „Zuletzt gab es besonders viel Kritik für das Vorgehen des Ministeriums bei seinem Konzept der Lernbrücken. Erneut mussten Lehrkräfte und Schulleitungen hiervon zunächst in der Presse lesen, bevor sie selbst informiert wurden. Für den weiteren Öffnungsprozess sollte eine frühzeitige und klare Kommunikation mit den Schulen an oberster Stelle stehen“, betont Brand.

Weiterführende Informationen:

forsa-Ergebnisbericht

forsa-Ergebnischarts

Stellungnahme des Kultusministeriums zur Teststrategie an Schulen und Kitas