Oliver Hintzen, stellvertretender Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) und Schulleiter einer Grund- und Werkrealschule, ist sauer: „Die Idee der Lernbrücken ist vom Prinzip her gut, Vorgaben und Umsetzung sind jedoch noch deutlich ausbaufähig! Wir haben geahnt, dass es nicht einfach werden wird. Aber das, was nun passiert, ist eine Unverschämtheit!“
„Das Kollegium samt Schulleitung hat sich bereiterklärt, für die Schülerinnen und Schüler in den Ferien etwas anzubieten und steht jetzt ohne Material da“, wettert Hintzen. Die Schulen hätten am Freitag vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) die Informationen bekommen, dass der Verlag Lieferprobleme habe und die Unterlagen leider erst mit Beginn der Lernbrücken kämen, so der VBE-Vize weiter. „Wir haben vier Begleitordner erhalten, benötigt werden Lernmaterialien für 38 Schülerinnen und Schüler von Klasse 1 bis 9. Das ist einfach nur peinlich!“
Zumal das Material nur für Mathematik und Deutsch bereitgestellt werde, für Baden-Württemberg nicht neu entwickelt werden musste, sondern aus Schleswig-Holstein komme, und beim Verlag in den Datenbanken vorhanden sei. Für die Sekundarstufe sollte je nach Schule zusätzlich Englisch angeboten werden. Hier mussten sich die Schulen eigenständig Material erstellen.
Lenrbrücken belasten Lehrkäfte und Schulleitungen zusätzlich
Vergangene Woche wurden den Schulen eine Mail geschickt, dass sie die Unterlagen für den ersten Tag selbst herunterladen und ausdrucken müssten. Wer mit der Bestellung zu spät dran war, bekam sogar die Information, dass alle Unterlagen ausgedruckt werden müssen. Nicht nur, dass der organisatorische Aufwand von Beginn an sehr hoch war, jetzt stellt sich nun umso mehr die Frage der Nachhaltigkeit! „Allein für die Klassen 1 bis 4 sind das über 370 Seiten“, rechnet Hintzen vor. Viele Aufgaben machten erst dann Sinn, wenn sie farbig ausgedruckt würden. Diesen Luxus könnten sich die wenigsten Schulen aus Kostengründen erlauben. So entwickelten sich die Lernbrücken, die coronabedingte Defizite von Schülern ausgleichen sollten, laut Hintzen immer mehr zum Flop.
Die Lehrkräfte und Schulleitungen würden nun noch mehr Zeit in die Lernbrücken investieren müssen, als anfänglich gedacht – neben den anderen Herausforderungen wie Stundenplanerstellung unter Corona-Bedingungen, Vorbereitung der Klassenzimmer auf das kommende Schuljahr und Erstellung von angepassten Stoffplänen, denn die letzten Monate hatten nicht nur Auswirkungen auf die Schüler, die jetzt an den Lernbrücken teilnehmen.