IQB-Bildungstrend 2016 fällt für Baden-Württemberg nicht positiv aus

Dieses Jahr waren zum zweiten Mal die Viertklässler an der Reihe. Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hat die Grundschülerinnen und -schüler der vierten Klasse in Deutschland in den Fächern Deutsch und Mathematik auf Herz und Nieren geprüft. Die Ergebnisse sind dabei für Baden-Württemberg nicht allzu positiv. Das einstige Bildungsmunsterländle ist zwar nicht Vorletzter, wie vorher kolportiert wurde, muss sich aber im unteren Mittelfeld eingruppieren.

Im IQB-Bildungstrend 2016 wurden nach 2011 zum zweiten Mal die Viertklässlerinnen und Viertklässler an Deutschlands Grundschulen getestet. Untersucht wurden dabei die Kompetenzbereiche Lesen, Zuhören und Orthografie in Deutsch sowie Zahlen und Operationen, Raum und Form, Muster und Strukturen, Größen und Messen sowie Daten, Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit in Mathematik. Die Ergebnisse dieser Untersuchung hat das IQB am 13. Oktober 2017 im Rahmen der 359. Kultusministerkonferenz vorgestellt.

In fast allen Bereichen landet der Südwesten unter dem Bundesdurchschnitt und befindet sich nicht mehr an der Spitze, sondern am unteren Ende der Rangliste. Dieses Ergebnis nannte Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann, gleichzeitig auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) „mehr als ernüchternd“. „Die Ergebnisse der Studie zeigen einen bundesweiten Handlungsbedarf bei der Förderung in den Kernfächern Deutsch und Mathematik“, stellte die Präsidentin der KMK in Bezug auf das Ergebnis fest.

Ergebnisse der baden-württembergischen Viertklässler beim IQB-Bildungstrend 2016

Baden-Württemberg schneidet beim IQB-Bildungstrend 2016 besonders schlecht in den Kompetenzbereichen Lesen und Zuhören ab. 63,4 % der Schülerinnen und Schüler erreichen im Kompetenzbereich Lesen den Regelstandard, das ist das viertschlechteste Ergebnis der deutschen Bundesländer. 13,4 % der Grundschülerinnen und –schüler in BW erreichen den Mindeststandard nicht, nur 9,5 % erreichen den Optimalstandard. (Abb.1)

Besser sehen die Ergebnisse für Baden-Württemberg hingegen im Kompetenzbereich Orthografie aus. Hier erzielt das Land das fünftbeste Ergebnis im Bundesvergleich. Allerdings erreichen nur 56,7 % der Schülerinnen und Schüler an den baden-württembergischen Grundschulen den Regelstandard, 22,2 % erreichen den Mindeststandard nicht und nur 9,3 % erreichen den Optimalstandard. Damit steht Baden-Württemberg besser da als der Bundesdurchschnitt. (Abb.2)

IQB-Bildungstrend 2016: Mathematik und Trend

Auch in Mathematik liegen die baden-württembergischen Viertklässler über dem Bundesdurchschnitt. Diesmal allerdings nur knapp – 62,7 % erreichen den Regelstandard, 12,8 % den Optimalstandard. Den Mindeststandard verfehlen 15,5 % der getesteten Viertklässler in Baden-Württemberg. Damit befindet sich BW im bundesdeutschen Vergleich an achter Stelle. (Abb. 3)

Besorgniserregend negativ ist allerdings der Trend. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die den Regelstandard erreichen oder übertreffen hat sich in Baden-Württemberg in allen Kompetenzbereichen, für die eine Trendanalyse möglich war[1], verringert. Der Anteil ist dabei um 5 – 10 Prozentpunkte gesunken. Gestiegen ist dagegen der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die den Mindeststandard nicht erreichen. (Abb.4)

VBE Baden-Württemberg weist Kritik an Lehrkräften zurück

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht als eine Ursache für das Ergebnis, dass Grundschullehrkräfte zu viele Zusatzaufgaben erhalten haben, ohne dafür Entlastungen im Deputat zu bekommen oder dass zusätzliche Stellen geschaffen wurden. „Wir müssen es unseren Grundschullehrkräften endlich wieder ermöglichen, ihre Zeit in die Vorbereitung von gutem Unterricht stecken zu können“, fordert deswegen der Landesvorsitzende des VBE Baden-Württemberg, Gerhard Brand.

Dementsprechend wies der VBE Baden-Württemberg auch Ansätze einer Kritik an den Lehrkräften nach der Veröffentlichung des Bildungstrends zurück. Es sei den Lehrerinnen und Lehrern in Baden-Württemberg und ihrem Einsatz zu verdanken, dass das Land nicht noch weiter abgerutscht sei, hielt der VBE-Chef den Kritikern entgegen. „Würden Lehrkräfte nicht in großer Zahl über das geforderte Maß hinaus arbeiten, würde Baden-Württemberg wirklich einen der letzten Plätze im bundesweiten Vergleich einnehmen“, stellte Brand klar.

Drei Forderungen des VBE Baden-Württemberg an die Bildungspolitik

Damit sich die Situation an Grundschulen auch kurzfristig verbessert, hat der VBE drei Forderungen an die Bildungspolitik aufgestellt.

  1. Lehrerinnen und Lehrern muss es ermöglicht werden, sich auf Ihr Kerngeschäft, die Vorbereitung von gutem Unterricht, zu konzentrieren.
  2. Den Verantwortlichen in der Bildungspolitik muss es gelingen, endlich wieder Ruhe ins baden-württembergische Schulsystem zu bringen.
  3. Die Lehrerversorgung muss sichergestellt werden. Auch bei Krankheit muss Unterrichtsausfall vermieden werden.

In unnötigen Schulstrukturdebatten macht Brand dementsprechend eine weitere mögliche Ursache für das schlechte Abschneiden aus: „Im baden-württembergischen Bildungssystem gab es in den letzten Jahren insgesamt zu viel Unruhe. Das macht es für die Kolleginnen und Kollegen schwierig, sich auf den Beruf zu konzentrieren“, moniert Brand. „Und das“, so Brand, „gilt ganz besonders für die Grundschule.“

Konzeptpapier der Grünen enthält Forderungen des VBE Baden-Württemberg

In den Maßnahmen, mit denen man die aktuelle Situation verbessern kann, waren sich die Parteien im Landtag allerdings nicht einig. Die SPD fordert eine Enquete-Kommission, die sich parteiübergreifend mit den Themen frühkindliche Bildung und Grundschule beschäftigt. Die FDP macht sich hingegen für einen Schulfrieden und die Stärkung von Deutsch und Mathematik in der Grundschule stark. Die CDU verweist darauf, dass im Vergleich zum Schuljahr 2015/16 dieses Jahr 8 Stunden mehr Lesen, Schreiben und Rechnen auf dem Stundenplan stehen.

In diesem Zusammenhang freut sich der VBE Baden-Württemberg, dass die Grünen im Landtag in einem Konzeptpapier, wie es unter anderem in der Badischen Zeitung vom 12.10.2017 zu lesen war, Forderungen des VBE aufgenommen haben. „Mehr Fachlichkeit in der Lehrerausbildung, zusätzliche Ausbildungsplätze für das Grundschullehramt an den Pädagogischen Hochschulen, die Erhöhung der Studienzeit von acht auf zehn Semester – das sind alles Forderungen, die der VBE Baden-Württemberg oft genug an die Bildungspolitik gestellt hat“, erklärt Gerhard Brand.

Die Ergebnisse des IQB-Bildungstrend 2016 und entsprechende Grafiken finden Sie auf der Seite des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB).

[1] Nach Angaben des IQB konnte für den Kompetenzbereich Orthografie keine Trendanalyse auf Länderebene erstellt werden.

Bild: Stockphotosecrets.com