So stark wie keine andere Schulart sind Grundschulen vom Lehrermangel betroffen. Um die Auswirkungen des Mangels zu beschränken, setzt das Kultusministerium nun weitere Anreize für Gymnasiallehrkräfte, an Grundschulen zu unterrichten. Neben einer Einstellungszusage für das Gymnasium wird auch die begleitende Qualifizierung halbiert. Der VBE Baden-Württemberg begrüßt den Rückgriff auf pädagogisch vorqualifiziertes Personal, sieht die Halbierung der Qualifizierung aber kritisch.
An den Grundschulen in Baden-Württemberg herrscht Lehrermangel. Das ist kein Geheimnis. Seit Anfang Februar ist es nun auch kein Geheimnis mehr, dass sich die angespannte Lehrerversorgung im nächsten Schuljahr nicht verbessern wird. 1.600 Stellen werden nach Angaben des Ministeriums zum kommenden Schuljahr an Grundschulen frei. Allerdings stehen dieser Zahl nur 1.100 Bewerberinnen und Bewerber mit der Lehrbefähigung für Grundschulen gegenüber.
Lehrermangel: Im nächsten Schuljahr fehlen 500 Lehrkräfte an Grundschulen
Nach Adam Riese fehlen im neuen Schuljahr somit an Grundschulen noch 500 Lehrkräfte. Um diesen Mangel zu entschärfen, hat Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann (CDU), angekündigt, die Anreize für Gymnasiallehrkräfte, an Grundschulen zu unterrichten, zu verstärken. Das Angebot des Kultusministeriums: Lehrerinnen und Lehrer mit dem Lehramt für das Gymnasium, die an der Grundschule unterrichten, erhalten eine Einstellungszusage für eine spätere Übernahme als beamtete Gymnasiallehrkraft.
Außerdem ist beabsichtigt, die begleitende Qualifizierung für Gymnasiallehrkräfte an Grundschulen von zwei auf ein Jahr zu reduzieren. Für den Einstieg in das Programm sollen des Weiteren auch Lehrkräfte zugelassen werden, die nur ein grundschulaffines Fach studiert haben. „In der aktuellen Notlage begrüßen wir den Versuch, den Lehrermangel an Grundschulen dadurch zu bekämpfen, indem man weitere Anreize für fachlich und pädagogisch vorgebildetes Personal wie Gymnasiallehrkräfte setzt“, kommentiert der Landesvorsitzende des VBE, Gerhard Brand, das Vorhaben.
VBE kritisiert die Halbierung der Qualifizierung
Die Halbierung der Qualifizierung sieht der VBE Baden-Württemberg jedoch kritisch. „Auch wenn Gymnasiallehrkräfte fachlich sehr gut vorgebildet sind: Grundschulen haben ein anderes Anforderungsprofil als Gymnasien“, erklärt Brand. „Unsere Kernforderung bleibt deshalb, dass ausreichend Grundschullehrkräfte ausgebildet werden. Und dass die Attraktivität der Grundschule auch durch die Erhöhung der Besoldung auf A13 verbessert wird. Nicht umsonst ist der Lehrermangel an der Schulart mit der geringsten Bezahlung am gravierendsten“, kritisiert Brand die aktuelle Besoldungssituation an Grundschulen.
An Grundschulen sind die Klassen nicht nur in Folge von Integration und Inklusion deutlich heterogener als an Gymnasien. Gymnasiallehrkräfte müssen sich an Grundschulen ebenfalls darauf einstellen, dass sie deutlich mehr Erziehungsarbeit leisten müssen. Im Sinne einer guten Vorbereitung auf und Begleitung der Arbeit an Grundschulen müssen Gymnasiallehrkräften aber die Gelegenheit bekommen, sich an die Anforderungen der Grundschule anzupassen. „Wir sehen dies durch eine Halbierung der begleitenden Qualifizierung nicht mehr gegeben und fordern dringend, dass die Einarbeitungszeit bei zwei Jahren bleibt“, fordert Gerhard Brand.
Die Rahmenbedingungen für die Einstellung von Gymnasiallehrkräften
- Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für das Gymnasium können sich auf Stellen für Grundschullehrkräfte, die auch für Gymnasiallehrkräfte ausgeschrieben sind, bewerben.
- Die Einstellung erfolgt nachrangig zu ausgebildeten Grundschullehrkräften.
- Die Einstellung erfolgt zunächst nach den Bedingungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder.
- Nach Abschluss der Zusatzausbildung erfolgt bei Vorliegen der Voraussetzungen die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe in Besoldungsgruppe A12.
- Die Laufbahnbefähigung für das Lehramt für den höheren Schuldienst an allgemein bildenden Gymnasien geht nicht verloren.
- Die Stellenzusage für das Gymnasium greift nach mindestens dreijähriger Tätigkeit in der Grundschule.
- Unabhängig davon können sich Gymnasiallehrkräfte jederzeit auf eine Stelle am Gymnasium, an einer Gemeinschaftsschule oder einem beruflichen Gymnasium bewerben, wobei die Tätigkeit an der Grundschule als Zusatzqualifikation angerechnet wird. Bei einer Zusage werden die Gymnasiallehrkräfte freigegeben.
Ablauf der Zusatzausbildung
- Das Kultusministerium beabsichtigt eine Dauer von einem Jahr. Der VBE fordert zwei Jahre.
- Die Zusatzausbildung findet parallel zur Beschäftigung an einer Grundschule statt und erfolgt durch die Staatlichen Seminare für Didaktik und Lehrerbildung (Grundschule).
- Sie besteht aus einer konzentrierten Grundqualifizierung, anschließend folgen 15 Ausbildungstage im Blended-Learning-Format.
- Für die Teilnahme an der Zusatzausbildung erhalten Lehrkräfte eine Stundenreduktion in Höhe von vier Stunden
- Die Zusatzausbildung wird durch zwei Überprüfungen der Unterrichtspraxis (davon eine Stunde Mathematik oder Deutsch) und ein Reflexionsgespräch (45 Minuten zu grundschulpädagogischen Themen mit einem fachdidaktischen und einem pädagogischen Schwerpunkt) abgeschlossen. Es besteht eine Wiederholungsmöglichkeit.
- Während der Ausbildung erfolgen zwei Unterrichtsbesuche durch die Schulleitung.
Weitere Informationen erhalten Sie auf Lehrer Online Baden-Württemberg. Das Schreiben, mit dem sich die Kultusministerin an angehende Gymnasiallehrkräfte wendet, finden Sie dort ebenfalls.