Die erzielte Tarifvereinbarung gilt für alle angestellten Lehrer, sie ist unter schwierigen Rahmenbedingungen wie Schuldenbremse der Länder, Finanzierungslücken der VBL sowie niedriger Inflationsrate zustande gekommen. Erst in der vierten Verhandlungsrunde haben die Arbeitgeber ein Angebot vorgelegt. Lange Zeit sah es so aus, als ob keine „2“ vor dem Komma stehen würde! Eine angemessene Gehaltserhöhung war aber die Voraussetzung, dass wir die Erhöhung der Beiträge zur Zusatzversorgung VBL akzeptieren konnten. Ebenso wichtig war, dass die Höhe der Auszahlung an die künftigen „Betriebsrentner“ nicht gekürzt wird, auch das haben wir erreicht. Die Arbeitgeber beabsichtigten drastische Einschnitte oder deutlich größere Beitragserhöhungen.
Unser Verhandlungsführer Willi Russ vom dbb dankte für das große Engagement im Arbeitskampf: „Ohne die tolle Unterstützung in der letzten Woche, als erneut bundesweit mehr als 100.000 Beschäftigte die Aktionen unterstützt haben, wären die Verhandlungen hier in Potsdam mit hoher Wahrscheinlichkeit gescheitert“. Wir als VBE waren zahlreich bei den Warnstreiks in Stuttgart und in Ulm vertreten, auch wenn es hier nach oben noch Spielraum gegeben hätte.
Die Eckpunkte der Tarifvereinbarung:
- Entgelterhöhung um 2,1 Prozent zum 1. März 2015
- Weitere Entgelterhöhung um 2,3 Prozent, mindestens 75 €, zum 1. März 2016
- Die Besitzstandszulagen (z.B. kindergeldbezogene Entgeltbestandsteile) und die Garantiebeträge bei Höhergruppierungen werden entsprechend prozentual ebenfalls erhöht
- Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 24 Monaten bis zum 31. 12. 2016
- Erhalt der Zusatzversorgung VBL in voller Höhe – im Gegenzug Anhebung der Beiträge in drei Schritten um 0,4 Prozent (im Westen)
- Tarifliche Eingruppierung von Lehrkräften (Lehrkräfteentgeltordnung) mit Einstieg in „Paralleltabelle“
- Ost-West-Angleichung der Jahressonderzahlung in 5 Schritten
Erläuterungen und Kommentar zu den einzelnen Ergebnissen:
Entgelterhöhung: Angesichts der oben genannten schwierigen Rahmenbedingungen beträgt eine lineare Erhöhung über den vereinbarten Zeitraum von 24 Monaten mit durchschnittlich 4,61 Prozent ein spürbarer Zugewinn. Damit ist der Anschluss an das letztjährige Ergebnis bei Bund und Kommunen gewahrt. Eine höhere Anpassung war nicht durchsetzbar, da der volle Erhalt der VBL-Betriebsrente gegengerechnet werden musste.
Erhalt der Zusatzversorgung VBL in voller Höhe: Die Arbeitgeber hatten drastische Leistungseinschnitte der Betriebsrente als eine ihrer Kernforderungen auf dem Programm (20 % waren geplant!). Ohne solche Einschnitte wären aus Sicht der Arbeitgeber Tariferhöhungen undenkbar gewesen. Durch die steigende Lebenserwartung und die schlechten Kapitalerträge (VBL-Ost) seien die Betriebsrenten in der jetzigen Höhe nicht mehr haltbar, so die Argumentation der Arbeitgeber. Dieser Einschnitt konnte aber verhindert werden (Das Leistungsniveau im Punktemodell bleibt unangetastet!) durch insgesamt maßvolle Gehaltserhöhungen und durch finanzielle Zugeständnisse auf beiden Seiten: Im Abrechnungsverband West der VBL wird es eine geringfügige Erhöhung des Eigenanteils der Versicherten an der Umlage von derzeit 1,41 Prozent geben. Zum 1. Juli 2015 steigt der Eigenanteil um 0,2 Prozent und zum 1. Juli 2016 und 2017 um jeweils 0,1 Prozentpunkte. Die Arbeitgeber tragen derzeit einen Anteil von 6,45 Prozent, deren Anteil an der Umlage steigt bei Bedarf entsprechend auch an. Ein weiteres großes Plus der Tarifverhandlungen: Die Leistungen der VBL sind für die nächsten zehn Jahre festgeschrieben.
Der dbb konnte also erreichen, dass der Anteil am zusätzlichen Finanzierungsaufwand in den beiden Abrechnungsverbänden Ost und West in gleichem Maße auf die Arbeitgeber und die Versicherten aufgeteilt wird. Im Ergebnis musste eine geringe Zusatzbelastung der Arbeitnehmerseite zugestanden werden. Der Erhalt einer soliden Betriebsrente ist vor dem Hintergrund des ständig gesunkenen Niveaus der gesetzlichen Rentenversicherung für die Sicherung eines angemessenen Einkommens im Alter aber unverzichtbar.
Entgeltordnung für Lehrkräfte: Fakt ist, dass seit etwa zehn Jahren versucht wird, für die 200.000 Lehrkräfte im Arbeitnehmerverhältnis eine tarifliche Entgeltordnung zu verhandeln. An einer totalen Verweigerungshandlung der Arbeitgeber sind bisher alle Bemühungen gescheitert, da die Arbeitgeber unsere berechtigten Forderungen nur als Kostenfaktor abtun. Der dbb hat nach der Lohnrunde 2013 in mühevoller Kleinarbeit die TdL davon überzeugt, alles zu unternehmen, um bis zur Einkommensrunde 2015 ein Entgeltsystem zu entwickeln. Jetzt konnte endlich ein Teilerfolg erzielt werden, den der dbb mit seinen sechs Lehrer-Fachgewerkschaften erreicht hat. Am Ende gab es in Potsdam zwei Alternativen:
- Festhalten an den Maximalforderungen von dbb und GEW, d.h. alle Lehrkräfte bis EG 11 auf einen Schlag jeweils eine Entgeltgruppe höher einzugruppieren (um eine Paralleltabelle zu den Beamten zu erreichen). Diese berechtigte Forderung lehnen die Arbeitgeber aber kategorisch ab. Somit wären wir erneut mit dieser Forderung gescheitert. Die GEW hat sich entschieden, im Bereich der Entgeltordnung keinen Vertrag einzugehen um weiter streiken zu können.
- Oder einen Kompromiss eingehen und einen Vertrag mit der TdL schließen.
Die Gremien des dbb haben sich mit großer Mehrheit für den Kompromiss entschieden, um den Teufelskreis in den bisherigen Einkommensrunden von angesammelten Misserfolgen zu durchbrechen und einen Einstieg in eine Entgeltordnung zu schaffen, die zum 1. August 2015 in Kraft tritt. Die Eingruppierung aller Lehrkräfte in den Ländern wird zukünftig durch einen einheitlichen Tarifvertrag zwischen der TdL und dem dbb geregelt, der uns das Erheben von Tarifforderungen ermöglicht. Die einseitigen Richtlinien der Länder und der TdL mit ihren Differenzierungen zwischen Ost und West gehören damit der Vergangenheit an.
Für Lehrkräfte, die derzeit niedriger als in Entgeltgruppe 12 eingruppiert sind, wird mit einem Annäherungsverfahren die bestehende Entgeltdifferenz zur nächst höheren Entgeltgruppe durch Angleichungszulagen schrittweise reduziert, bis am Ende die Eingruppierung nach der „Parallel-Tabelle“ vollzogen wird. Diese Tarifeinigung ist der Einstieg in die Paralleltabelle. Diese Lehrkräfte erhalten am August 2016 eine dauerhafte Zulage von 30 Euro monatlich, die 2017 weiter erhöht werden wird, bis die Paralleltabelle erreicht ist. Beispiel: Eine GHS- Lehrkraft, die derzeit noch in E 11 eingruppiert ist, wird so schrittweise der Bezahlung nach E 12 angeglichen – entsprechend der Paralleltabelle einer verbeamteten GHS-Lehrkraft mit A 12. Leider konnte aber kein zeitlicher verbindlicher Rahmen vereinbart werden, bis wann die Paralleltabelle vollzogen werden soll. Dies wird Verhandlungsgegenstand zukünftiger Tarifrunden sein. Ob die in diesem Annäherungsverfahren vereinbarte Zulage nur von dbb-Mitglieder beantragt werden kann oder auch Nichtmitgliedern gewährt wird, kann derzeit noch nicht beantwortet werden.
Für einen Beschäftigten in der EG 9 bedeutet das bereits in dieser Tarifrunde ein zusätzliches Plus von rund 1 Prozent. Auch für die vielen der ca. 40.000 Lehrkräfte in Deutschland, die nicht über eine vollständige Lehrerausbildung verfügen, aufgrund bestimmter Bedarfe aber unentbehrlich sind, werden zahlreiche Verbesserungen der Eingruppierung bereits zum 1. August 2015 möglich sein. Solche Lehrkräfte gibt es aber in Baden-Württemberg eher wenig. Insofern profitieren vom Tarifergebnis besonders Lehrkräfte in Sachsen und weiteren Bundesländern.
Fazit: Die Ergebnisse bei den Gehaltserhöhungen und der Zusatzversorgung (VBL) können sich sehen lassen angesichts der politisch-wirtschaftlichen Gesamtsituation. Besonders der Erhalt der Betriebsrente im bisherigen Umfang ist ein großer Erfolg dieser Tarifrunde.
Beim Thema Entgeltordnung für Lehrkräfte hingegen haben wir den „Spatz in der Hand der Taube auf dem Dach“ vorgezogen. Der Einstieg in eine Entgeltordnung für tarifangestellte Lehrkräfte ist nicht mehr als ein Einstieg, aber es ist endlich ein Einstieg in Richtung gerechtere Bezahlung. Wir sind noch Meilensteine weit weg von einer gerechteren Bezahlung im Vergleich zu den verbeamteten Lehrkräften. Insofern ist bei den tarifbeschäftigten Lehrkräften die Enttäuschung verständlich, dass offenbar mehr Gerechtigkeit nur in Trippelschritten über einen langen Zeitraum erreicht werden kann. Nach sieben zähen Verhandlungstagen war dies leider der einzig mögliche Kompromiss, auch wenn wir uns alle natürlich mehr gewünscht hätten. Gerhard Brand: „Wir haben damit auch ein Stück Geschichte geschrieben, da erstmals ein Tarifvertrag nur mit dem dbb (VBE) abgeschlossen wurde. Daraus lässt sich wirklich etwas machen und zu diesem Abschluss stehen wir“. Die GEW hingegen verzichtet auf diesen wichtigen Schritt im Tarifkampf weil sie glaubt, durch weitere Streiks die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber brechen zu können.
Der dbb/VBE fordert nun auch, dass die vereinbarten Gehaltserhöhungen zeit- und inhaltsgleich auf die Beamten, Anwärter und Versorgungsempfänger übertragen werden, so wie es schon die Bundesländer Bayern, Rheinland-Pfalz und Hamburg angekündigt haben. Baden-Württemberg hatte in der Vergangenheit die Besoldungsanpassungen mehrfach verschoben, so mussten die verbeamteten Lehrkräfte auch zuletzt eine um ein Jahr verzögerte Besoldungsanpassung hinnehmen, obwohl durch stark gestiegene Steuereinnahmen genug Geld in der Staatskasse war. Es gibt also bei der derzeitigen Haushaltslage überhaupt keinen Grund, von den Beamten erneut ein Sonderopfer zu verlangen.
Bernhard Rimmele, Referatsleiter Arbeitnehmer im VBE