Kultusminister sieht Unterrichtsversorgung durch rosarote Brille. Gute Schule ist mehr als nur „der Pflichtbereich ist abgedeckt“

Beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg ist man anderer Meinung als der Kultusminister. „Eine gute Unterrichtsversorgung ist mehr als nur `der Pflichtbereich ist abgedeckt´“, sagt VBE-Chef Gerhard Brand, zumal auch dieses Jahr der Ergänzungsbereich wieder als „Reservetank“ für durch Krankheit ausgefallene Lehrer herangezogen werde. Dass die Stellen vorne und hinten nicht reichten, sehe man auch daran, dass bereits hunderte von befristeten Krankheitsverträgen abgeschlossen werden mussten.
Dass die Unterrichtsversorgung der Schulen „rechnerisch“ gewährleistet ist, wie es der Kultusminister der Öffentlichkeit immer wieder so gerne vorrechnet, entspricht zahlenmäßig durchaus der Wahrheit. Was jedoch eine 100-Prozent-Versorgung ist, definiert noch immer die Kultusbehörde. An den Schulen kommen deutlich weniger Stunden an, als dort wirklich benötigt werden, und das weiß auch die Landesregierung, darf das öffentlich jedoch nur nicht zugeben.
Der VBE weiß von Schulen, die deutlich zu wenig Differenzierungsstunden anbieten können – im Grundschulbereich sind es so gut wie gar keine -, die keine einzige AG-Stunde mehr im neuen Schuljahr haben. Wie man da noch von „Schulprofilen“ reden kann, ist dem VBE völlig unklar. Der Ergänzungsbereich muss wieder als „Erste-Hilfe-Koffer“ herhalten, um daraus vorab Stunden des Pflichtbereichs zu entnehmen. Schulen werden selbst bei geringeren Stundenüberhängen Lehrer stundenweise als Krankheitsstellvertreter abgezogen und dorthin abgeordnet, wo sonst kein Pflichtunterricht stattfinden könnte. Ganztages- und Gemeinschaftsschulen sowie die Inklusion benötigen mehr und nicht weniger Pädagogen.
„Dass der Bildungshintergrund und der Geldbeutel der Eltern auch unter Grün-Rot noch immer eine viel zu große Rolle spielen, kann man nicht wegdiskutieren“, moniert VBE-Chef Gerhard Brand. „Dass aber die Landesregierung weiterhin gerade bei den Schwächeren spart, ruft Unverständnis hervor. Kinder begüterter Eltern können sich Nachhilfe leisten. Schüler aus sozialen benachteiligten Schichten sind auf qualitativ hochwertige und ausreichende zusätzliche Angebote der Schulen angewiesen, wovon es aber viel zu wenige gibt. Ganztagesschulen können ein Schritt für mehr Bildungsgerechtigkeit sein; aber nur mit binnendifferenzierendem Unterricht lassen sich nicht alle Defizite von Schülern kompensieren. „Da braucht man schon gezielt zusätzliche individuelle Fördermöglichkeiten durch Lehrer, die aber nicht ohne den Einsatz von Haushaltsmitteln zu bekommen sind“, sagt Brand.