Lieblingslehrerin / Lieblingslehrer – wie geht das?!

Herzlichen Glückwunsch – zum tollsten Beruf der Welt. Euphorie bitte. Leidenschaft auch; nicht nur für den Beruf an sich, noch weniger für das beruhigende Beamtengehalt, sondern vor allem für KollegInnen, Eltern, SchülerInnen und Unterricht, für unvorbereitete Vertretungsstunden, Telefonate in Dauerschleife, verhaltensoriginelle Kinder und lückenhaftes Einmaleins oder Kleinschreibung am Satzanfang. Aber im Ernst: Die Welt braucht Sie. Wirklich. Unsere SchülerInnen brauchen Sie.

Aber wie geht Lieblingslehrerin / Lieblingslehrer? Dafür gibt es freilich kein Rezept. Aber Vorschläge. Zehn ernstgemeinte Vorschläge, die den Praxistest bereits hinter sich haben, die meistens zum Erfolg führen, manchmal nicht, niemals alle. 

Wie also wird man Lieblingslehrerin / Lieblingslehrer?
  1. Versuchen Sie es nicht. Dann könnte es klappen. Tun Sie nicht so, als wären Sie die oder der beste Freund/in Ihrer Schüler. Versuchen Sie nicht, gemocht zu werden. Seien Sie Sie selbst. Der Rest kommt dann ganz von alleine.
  2. Beachten Sie Ihre eigene Prägung. Jede/r von Ihnen hat positive und negative Vorbilder. Die liebevolle und fürsorgliche Lehrerin, den konsequenten oder den cholerischen Lehrer, den anspruchsvollen oder die lasche, die methodenreiche oder den unvorbereiteten – LehrerInnen gibt es viele. Und wir können von allen lernen – im Guten wie im Schlechten. 
  3. Gute Lehrer machen guten Unterricht. Guter Unterricht ist gut untersucht, eigentlich wissen wir, wie es geht. Dabei gilt: Ihre SchülerInnen erkennen Ihren Einsatz, Ihren Anspruch, auch an sich selbst. Deshalb ist guter Unterricht Voraussetzung dafür, ein/e gute/r LehrerIn zu sein.
  4. Guter Unterricht alleine reicht nicht. Punkt. Ohne aber. Alleine nützen die didaktische Gänsehaut beim Einstieg, ein methodisches Feuerwerk oder niveaudifferenzierte Arbeitsphasen nichts. Als Lehrperson sind Sie der entscheidende Faktor, das Salz in der Suppe sozusagen. Eine gute, eine wertschätzende, eine reflektierte Beziehung zwischen SchülerInnen und LehrerIn ist Voraussetzung eines guten und erfolgreichen Unterrichts.
  5. LieblingslehrerInnen sind (nicht) alle gleich. Diversität ist wichtig. Dennoch gibt es Eigenschaften und Verhaltensweisen, die LieblingslehrerInnen im Allgemeinen auszeichnen. Wertschätzung, ebenso wie Empathie, Echtheit, Haltung, Konsequenz, aber auch Fachlichkeit und Professionalität sind unabdingbar für alle LieblingslehrerInnen. Machen auch Sie sich klar, was Ihnen wichtig ist. 
  6. Jede/r hat Stärken und Schwächen. Haben Sie sich, bezogen auf Ihren Beruf, schon einmal gefragt, was Sie gut und weniger gut können? Versuchen Sie sich an einer Klärung, was Ihre Stärken und Schwächen sind. Denn nur wer diese kennt, weiß, woran er zu arbeiten hat oder worauf er sich verlassen kann.
  7. Lieblingslehrer denken auch an sich selbst. Denn alles geht nicht. Aber vieles geht, wenn der Kopf frei ist. Wir nehmen unsere Arbeit mit nach Hause, jeden Tag. Abzuschalten will gelernt sein, muss geübt werden, gelingt vielleicht niemals ganz. Aber: Lieblingslehrer kennen ihre Mitte.
  8. Lieblingslehrer ist man nicht, sondern wird man. Beziehung ist Arbeit und braucht Zeit. Feilen, sägen, hämmern, klopfen, schleifen, salzen oder zuckern Sie. Erwarten Sie nicht, dass alles sofort läuft. Ihre Schüler müssen lernen, mit Ihnen zu lernen – und zu leben. Und weil Schule keine Einbahnstraße ist, gilt das auch umgekehrt. 
  9. Manchmal gibt es Wichtigeres als Unterricht. Ein Streit in der Pause, eine leere Tintenpatrone oder ein volles Heft, eine schlaflose Nacht oder eine Nacht ohne Schlaf an der Konsole, ein Handy auf dem Tisch oder kein Taschenrechner im Schulranzen, gar kein Schulranzen, weil der noch in der Sporthalle liegt, oder keine Sportschuhe auf dem Weg dorthin. All das ist wichtig. Manchmal wichtiger. Klären Sie es. 
  10. Lieblingslehrer kennen ihre Grenzen – und trotzdem… Schule ist nur Schule. Zweierlei folgt daraus: Erstens die Erkenntnis, dass nicht alles möglich ist, dass die Zeit in der Schule oftmals überlagert ist von dem, was draußen geschieht. Zweitens folgt daraus der Auftrag, trotzdem alles Mögliche zu versuchen. LieblingslehrerIn können Sie sein, wenn Sie Ihre SchülerInnen entgegen aller Widerstände dennoch erreichen.

Noch immer gilt: Herzlichen Glückwunsch! Zum tollsten Beruf der Welt. Seien Sie LehrerIn mit Leidenschaft. Suchen Sie nicht nach einem Rezept, glauben Sie an sich selbst. Vertrauen Sie Ihren Vorbildern, Ihrer Wahrnehmung, Ihrem Urteil. Machen Sie guten Unterricht. Machen Sie nicht nur guten Unterricht, sondern manchmal noch mehr. Pflegen Sie die Beziehung zu Ihren SchülerInnen und denken Sie dabei auch an sich, an das Wichtige, an Ihre Grenzen. Versuchen Sie bei all dem nicht, Lieblingslehrerin / Lieblingslehrer zu sein. Denn dann werden Sie es.