Mit dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder unter drei Jahren, hat sich seit dem Jahr 2013 die Anzahl der Kita- Beschäftigten beinahe verdoppelt. Der Bedarf an Fachkräften steigt nach wie vor stetig und die Nachfrage ist ungebrochen. Die Ausbildungskapazitäten wurden stetig erhöht, Quereinstieg wurde ermöglicht und doch reichen die Maßnahmen nicht aus, um den Fachkräftemangel zu beheben. Nun legt das Kultusministerium eine Werbekampagne auf, um den Fachkräftemangel an Kitas zu reduzieren. Sie lautet: „Mehr bekommst du nirgendwo!“ und soll dazu dienen, sowohl neue Erzieherinnen und Erzieher als auch sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten zu gewinnen. Die Attraktivität des Berufsbilds soll dabei herausgestellt werden: Traumberuf Erzieherin/Erzieher!
Der VBE Baden-Württemberg begrüßt grundsätzlich die Kampagne, bedauert aber, dass die Erzieherausbildung an den Fachschulen nur etwas nachrangig behandelt wird und in den Videos keine Fachschulabsolventen diese Form der Ausbildung vorstellen. Es ist nach wie vor so, dass bei der Fachschulausbildung mehr Absolventen / Absolventinnen einen Abschluss als Erzieher/Erzieherin machen als bei der Praxis-Integrierten – Ausbildung. Derzeit gibt es zahlenmäßig mehr Ausbildungsplätze an den Fachschulen mit mehr Vollzeitunterricht als bei PIA. Der VBE Baden-Württemberg ist aber froh, dass endlich eine Werbekampagne für dieses Berufsbild aufgelegt wurde und hofft auf positive Auswirkungen hinsichtlich des Fachkräftemangels.
Prognosen Fachkräftebedarf
Studien belegen für Baden-Württemberg ein erhebliches Defizit an Kita-Plätzen. Die Bertelsmann Stiftung geht davon aus, dass 57.600 Plätze fehlen. Damit diese Lücke geschlossen werden kann und um den gesetzlichen Betreuungsanspruch zu gewährleisten, braucht es in Baden- Württemberg ungefähr 16.800 zusätzliche Fachkräfte. Der Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) hat in einem Vorausrechnungsmodell für Baden-Württemberg präsentiert, nach dem bis 2025 rund 24.000 zusätzliche Fachkräfte – da- von etwa 19.500 Vollzeit – allein für den Mehrbedarf aufgrund des Kita-Ausbaus benötigt werden. Hinzu käme ein Ersatzbedarf von etwa 15.500 Fachkräften, da rund 18 Prozent der Mitarbeitenden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. So müssten bis 2025 knapp 40.000 zusätzliche Fachkräfte akquiriert werden.
Laut Bertelsmann Stiftung beläuft sich der Bedarf an Fachkräften auf 41.000 Personen, sollten beispielsweise deren Empfehlungen für einen kindgerechten Personalschlüssel für alle Kita-Kinder und für eine professionelle Personalausstattung für Leitungsaufgaben realisiert werden. Die da- für erforderlichen Ausbildungskapazitäten stellen eine große Herausforderung dar. Es müssen auch genügend Berufsschullehrer verfügbar sein.
Hilfreiche Maßnahmen
Der VBE Baden-Württemberg fordert kurz- mittel- und langfristige Handlungsstrategien für die Gewinnung, Qualifizierung und Bindung der Fachkräfte.
Unsere Forderungen:
- Der Einsatz von multiprofessionellen Teams – also von Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, Logopädinnen und Logopäden, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Heilpädagoginnen und Heilpädagogen.
- Ein Freiwilliges Pädagogisches / Soziales Jahr in den Kitas. Warum nicht mit einer gewissen Anrechnung auf die Ausbildung, falls der Erzieherberuf ergriffen wird?
- Zusätzliche Unterstützung in Verwaltungsaufgaben (Sekretariat)
- Hauswirtschaftliche Hilfen und damit den Wegfall von Putztagen
Offene Fragen müssen konsequent angegangen werden: Wie können wir die Abbrecherquote während der Ausbildung reduzieren? Wie schaffen wir bessere Rahmenbedingungen? Wie steigern wir die Personalbindung? Wie bekommen wir professionelle, gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen?
Zwischenfazit
Letzten Endes muss der Arbeitsplatz Kita attraktiv sein. Nur so ergreifen ausreichend Personen den Beruf und bleiben auch dabei. Die Fachkräfteoffensive des Kultusministeriums wird alleine nicht ausreichen. Gruppengröße reduzieren
Die Gruppengröße zeitweise auf bis zu 28 Kinder pro Gruppe anzuheben, löst nur kurzfristig Probleme. Längerfristig führt dies zu einer Überbelastung und zu einem erhöhten Krankenstand. Da jetzt schon die Probleme im Bereich Aufsichtspflicht enorm sind, kann dies keine dauerhafte Lösung sein. Wir müssen dringend zurück zu den Personalbemessungen und Mindeststandards, die vor der Zeit der Pandemie galten. Nur mit einem akzeptablen Fachkraft-Kind-Schlüssel lässt sich die pädagogische Qualität der Kitas als Bildungseinrichtungen umsetzten.
Weitere Denkansätze
Der enorme Fachkräftemangel muss spürbar reduziert werden. Die vorrangige Strategie der Personalbedarfsdeckung hat bisher im Ausbau der Ausbildungskapazitäten bestanden, bei der Akademisierung geht es nur langsam voran. Warum sollten nicht die Studienkapazitäten für Früh- und Kindheitspädagogen weiter ausgebaut werden, um verstärkt akademisch qualifiziertes Personal in Kitas mit der entsprechenden Vergütung zu beschäftigen? Die Schaffung von spezialisierten Stellen in Themenbereichen wie Sprachförderung oder Inklusion könnte Akademikerinnen und Akademiker im Arbeitsfeld halten oder ins Arbeitsfeld bringen.
Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger
Den derzeitigen Mangel an pädagogischen Fachkräften fangen immer mehr unausgebildete Personen, beziehungsweise Quereinsteiger auf. Diese haben eine verkürzte Ausbildung. Ihnen und allen anderen müssen berufsbegleitende Weiterqualifizierungen unter pädagogischer Anleitung angeboten werden. Für diese Anleitungen und die der Auszubildenden aus den Fachschulen brauchen pädagogische Fachkräfte ausreichend Zeit. Entlastet werden könnten das pädagogische Personal und die Kita-Leitungen durch weitere Personen, die hauswirtschaftliche Aufgaben und Verwaltungstätigkeiten übernehmen.
Kitaleitungen
Dringend müssten Kitaleitungen besser auf ihre vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben vorbereitet werden. Die Fachberatungen und das Forum Frühkindliche Bildung könnten an dieser Stelle sicherlich noch mehr miteinbezogen werden. Letztlich braucht es ein flächendeckendes und trägerübergreifendes Fortbildungssystem „Führungskraft“.
Fazit
Den politisch Verantwortlichen muss frühkindliche Bildung mehr wert sein, als es bisher der Fall gewesen ist, sonst bleibt der Traum vom Traumberuf ein Traum.
Walter Beyer, Stv. Landesvorsitzender
Susanne Sargk, Landesreferatsleiterin Kita im VBE