Wissenschaftliche Begleitforschung Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg. Abschlussbericht 2016 liegt vor.

Die „Wissenschaftliche Begleitforschung Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg (WissGem)“ war im Sommer 2015, vor Erscheinen ihres Abschlussberichts, in vieler Munde.

Seit Januar 2016 liegt der schriftliche Abschlussbericht vor. Er beschreibt und analysiert den komplexen Transformationsprozess, der mit der Einführung der Gemeinschaftsschule auf der Ebene des Schulsystems, der Einzelschule und des Unterrichts einhergeht. Ingesamt 10 von aktuell 271 Gemeinschaftsschulen, 8 Hochschulen und 31 Wissenschaftler waren am WissGem-Forschungsprojekt beteiligt.

Im Folgenden werden als zentral und beachtenswert erachtete Befunde, die in der 87-seitigen Kurzfassung des Abschlussberichts (KF WissGem) ausgeführt werden, aufgezeigt:

Einführend stellt die Forschungsgruppe fest, dass „eine derart differenzierte und alltagsnahe Beobachtung u.a. von Merkmalen der Unterrichtsqualität an inklusiven, aber auch an anderen Schularten im deutschsprachigen Raum bisher nicht berichtet“ wurde. „Deshalb sei betont, dass die kontinuierliche, kriteriengeleitete Begleitung und Beobachtung des alltäglichen Schul- und Unterrichtsgeschehens auch an anderen Schularten interessant wäre.“ (KF WissGem, S. 10)

Darüber hinaus wird ausgeführt, dass „in den unterschiedlichen Gemeinschaftsschulen konzeptionell vielfältige Anstrengungen bei der Umsetzung der für sie formulierten rechtlichen Vorgabe ersichtlich wurden, die der Forschungsgruppe höchst beachtenswert erscheinen […] Externe Vergleiche zeigen keine für die Gemeinschaftsschulen auffälligen Befunde, sie zeigen jedoch Entwicklungsbedarfe für einzelne Schulen und deren Lehrkräfte, gerade mit Blick auf jene Unterrichtssequenzen, die auf den untersten Qualitätsstufen angesiedelt waren. Nach lediglich drei Jahren im Kontext komplexer Reformen erscheinen derartige Bedarfe indes normal.“ (KF WissGem S. 9)

Im Kapitel „Zusammenfassung, Diskussion und Empfehlungen“ legt die Forschungsgruppe nahe, die zentralen Untersuchungsthemen, insbesondere den Umgang mit Heterogenität im Unterricht und die Inklusion, als gesellschaftliche und schulartübergreifende Herausforderung anzuerkennen; Gemeinschaftsschulen nähmen vorweg, was andere Akteure und evtl. andere Schularten noch erarbeiten werden (KF WissGem, S. 69).

Das Forscherteam führt aus, dass sich die Qualität der Befunde im „Herausarbeiten von wiederkehrenden und strukturell angelegten Mustern bzw. Typen im Alltag der Gemeinschaftsschulen“ ergäben, etwa bei Fragen der Kooperation von Lehrkräften oder bei Sichteisen der Akteure auf Individualisierungsprozesse“ (KF WissGem, S. 70).

Den sogenannten Starterschulen scheine mehrheitliche die regionale Etablierung gelungen zu sein, gemeinsam entwickelte und einheitlich umgesetzte Kooperationskonzepte auf der Schulebene korrelierten mit wachsenden Schülerzahlen und der Zusammensetzung der Schülerschaft.

Auf der Einzelschulebene sei zudem ersichtlich, dass die Etablierung der Gemeinschaftsschule zahlreiche innere (betr. Unterrichtsbereich, Leistungsmessung) und äußere (betr. Kooperationsformen) Transformationsprozesse anzustoßen scheint. „Auf der Mikroebene, die wesentlich zur Motivationsentwicklung beiträgt, werden die am weitesten fortgeschrittenen Transformationsprozesse sichtbar. Sie treten vor allem konturiert im Hinblick auf die Differenzierungs- und Individualisierungskonzepte und der mit ihnen im Zusammenhang stehenden Diagnostik und Leistungsbeurteilung – hier jedoch deutlich weniger elaboriert – hervor.“ (KF WissGem, S. 71)

Die Forschungsgruppe betont „die große Bedeutung der Lehrkräfte“, die sich auf die konzeptionelle Arbeit und damit einhergehende Kooperation sowie im Hinblick auf den Umgang mit Heterogenität und Inklusion erstrecke. „Lehrkräfte stehen an Gemeinschaftsschulen einer komplexeren Anforderungsstruktur gegenüber, die durch die verstärkte Bedeutung konzeptioneller Arbeit und die tendenziell stärkere Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen der heterogener gewordenen Schülerschaft bedingt ist.“ Lehrkräfte fühlten sich dann gut für die Arbeit an Gemeinschaftsschulen qualifiziert, wenn sie an in- und externen Fortbildungen partizipieren können, durch eine klare Führung und Strukturierung von Schulleitungen unterstützt werden und eine gut entwickelte innere und äußere Kooperations- und Kommunikationsstruktur nutzen können. „Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen zeichnen sich durch höhere Innovationsbereitschaft und positivere Einstellungen gegenüber leistungsbezogener Heterogenität aus“; gleichwohl wünsche sich ein Großteil bessere Umsetzungsbedingungen (KF WissGem, S. 72f).

Heike Stober, Referat Gemeinschaftsschule im VBE