VBE-Umfrage zu „Lernen mit Rückenwind“: Es mangelt an Zeit und Personal

„Bildungsgerechtigkeit ist ein hohes Gut. Es liegt in der Verantwortung der politischen Akteure, die Schulen so auszustatten, dass sie die in der Pandemie abgehängten Schülerinnen und Schüler wieder auffangen können. An unseren Schulen mangelt es jedoch an Zeit, Personal und Ressourcen, um ‚Lernen mit Rückenwind‘ wirkungsvoll in die Praxis umsetzen zu können“, fasst der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage seines Verbands zusammen.

 

Um sich ein erstes objektives Meinungsbild einzuholen, wie „Lernen mit Rückenwind“ in der Praxis ankommt, hat der VBE rund 120 Schulen aus ganz Baden-Württemberg befragt. Die Erhebung lief parallel zum Start des Förderprogramms in den beiden ersten Wochen nach Ende der Herbstferien. Geantwortet haben jeweils die Schulleitungen, diese wurden aber auch zu den Belastungen der Lehrkräfte befragt.

Teilnahme der Schulen

Das erste überraschende Ergebnis der Umfrage lautet, dass über ein Viertel der Schulen (27 Prozent) gar nicht am Rückenwind-Programm teilnimmt. „Wir haben gezielt bei Schulen nachgefragt, warum sie nicht mitmachen. Es sind vor allem Schulen, die vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen sind und nur wenige Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf haben. Diese Schulen haben eigene Förderkonzepte entwickelt und sind daher nicht auf das Förderprogramm des Landes angewiesen“, erläutert der VBE-Landesvorsitzende.

Umsetzbarkeit für Schulleitungen

Neun von zehn Schulleitungen geben an, nicht über die zeitlichen Ressourcen zu verfügen, um „Lernen mit Rückenwind“ planen und koordinieren zu können.

„Dies sollte Niemanden mehr überraschen. Die Grenze des Möglichen ist erreicht, wenn nicht bereits überschritten. Der VBE hat dieses Schuljahr bereits über 169 Überlastungsanzeigen von Schulleitungen aus ganz Baden-Württemberg erhalten. Und genau heute vor einer Woche haben wir eine große Studie zur Berufszufriedenheit von Schulleitungen vorgestellt – mit dem ernüchternden Ergebnis, dass inzwischen jede zweite Schulleitung von ihrem Jon abrät und 0 Prozent der Schulleitungen sich durch die zuständige Politik unterstützt fühlt. Die Ministerin hat nun angekündigt, die Schulleitungen für die Umsetzung von ‚Lernen mit Rückenwind‘ entlasten zu wollen. Dies ist ein erster Schritt, reichen wird es aber nicht. Um die Leitung von Schulen wieder leistbar zu machen, braucht es mehr Leitungszeit und Anrechnungsstunden für besondere Aufgaben. An einer vollständigen Umsetzung der zweiten Stufe des Konzepts zur Stärkung und Entlastung der Schulleitungen führt kein Weg mehr vorbei“, erklärt Brand.

Mehrarbeit für Lehrkräfte

Die große Mehrheit von 60 Prozent der Schulleitungen sagt, dass „Lernen mit Rückenwind“ für die Lehrkräfte mit erheblicher Mehrarbeit verbunden ist. Nur gut 10 Prozent verneinen dies.  Weitere rund 30 Prozent der Befragten machen keine Angabe, da sie nicht am Programm teilnehmen. Die Schulleitungen benennen auch sehr genau die Formen der Mehrarbeit für Lehrkräfte, auf den Top 5 der Zusatzbelastungen landen:

  1. Personen anwerben und einarbeiten,
  2. Auflistung und Priorisierung der Schülerinnen und Schüler,
  3. Kurse planen,
  4. Materialbeschaffung und
  5. Konferenzen durchführen.

„Die Lehrerinnen und Lehrer halten den Schulbetrieb momentan unter größten Anstrengungen irgendwie am Laufen. In dieser Lage stellt ‚Lernen mit Rückenwind‘ eine weitere, erhebliche Zusatzbelastung für sie dar. Sie müssen die Vorarbeit für die von außen kommenden Unterstützungskräfte leisten, diese Zusatzkräfte einarbeiten und pädagogisch an die Hand nehmen. Wenn sie dies weiter leisten sollen, muss das Ministerium die Lehrkräfte zumindest zeitweise von außerunterrichtlichen Aufgaben entlasten“, fordert Brand.

Schwachstellen

Die Schulleitungen wurden schließlich offen und ohne Vorgaben gefragt, welche Anmerkungen sie zu „Lernen mit Rückenwind“ haben. Die fünf häufigsten Antworten lauten:

  1. Es ist eigentlich ein gutes Konzept, aber die Umsetzung ist nicht gut.
  2. Das Programm verursacht einen extrem hohen Verwaltungsaufwand.
  3. Das Programm ist durch den Personalmangel schwer umsetzbar.
  4. Für kleine Schulen ist das Programm ein immenser Aufwand beziehungsweise nicht machbar.
  5. Verträge für Personal fehlen.

Gerhard Brand: „Die Rückmeldungen verdeutlichen, dass die Schulen ‚Lernen mit Rückenwind‘ grundsätzlich als ein sinnvolles und notwendiges Programm anerkennen. Allein: Es fehlt ihnen an allen Ecken und Kanten an den nötigen Ressourcen, um es umsetzen zu können. Viele Schulen verfügen schon zu Normalzeiten nicht über das nötige Personal, um den Pflichtunterricht stemmen zu können. In Krisenzeiten jedoch verfügen sie nicht ansatzweise über die nötigen Reserven und Ressourcen, um etwaige Zusatzbelastungen auffangen zu können.“

„Daneben hapert es bei ‚Lernen mit Rückenwind‘ aber auch an der praktischen Umsetzung. Die Schwachstellen sind nur 5.800 Freiwillige im Pool und nur 500 Institute anstelle der erhofften 20.000 Helfer. Die Schwachstellen sind vor allem auf dem Land, wo es wenige Freiwillige gibt und nicht alle davon geeignet erscheinen. Und eine Anmeldeprozedur, die zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht funktionierte. Sowie der Umstand, dass die Arbeitsverträge für diejenigen, die sich bereit erklärt hatten, nicht zu bekommen waren. Die Schulen, die es früh versucht hatten, waren enttäuscht.“

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