Hitze in Klassenzimmern: Eine wachsende Belastung für Schulen in Baden-Württemberg

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Extreme Hitzewellen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen und stellen Schulen in Baden-Württemberg vor immer größere Herausforderungen. Während in vielen Lebensbereichen Anpassungen an höhere Temperaturen bereits stattgefunden haben, hinkt der Bildungssektor in Bezug auf wirksame Schutzmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte hinterher.

In den Sommermonaten gleichen viele Klassenzimmer in Baden-Württemberg regelrechten Backöfen. Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke sind keine Seltenheit, insbesondere in schlecht gedämmten Altbauten oder Containerschulen. Aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen wird immer wieder deutlich: Hitze im Klassenzimmer ist nicht nur ein Komfortproblem, sondern beeinträchtigen die Konzentrationsfähigkeit, die Gesundheit und das Lernklima massiv.

Schülerinnen und Schüler berichten von Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen, Lehrkräfte klagen über Erschöpfung und sinkende Unterrichtsqualität. Aus vielen Gesprächen und Interviews weiß ich, dass Unterrichtsausfälle und frühzeitige Unterrichtsenden im Sommer keine Ausnahme mehr sind. Dennoch fehlt es vielerorts an verbindlichen Maßnahmen, um Kinder und Pädagoginnen und Pädagogen ausreichend zu schützen. Zudem stellt das Thema Ganztagsschule und Ganztagsbetreuung Schulleitungen und Lehrkräfte vor ganz immense Herausforderungen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Hitzebelastung

Studien belegen, dass bereits ab 26 Grad Celsius die kognitive Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen deutlich abnimmt. Bei 30 Grad und mehr vervielfachen sich die Fehlzeiten, das Unfallrisiko steigt und das soziale Miteinander leidet. Besonders betroffen sind vulnerable Gruppen wie jüngere Kinder, Schülerinnen und Schüler mit chronischen Erkrankungen oder solche mit Konzentrationsschwierigkeiten.

Gesetzliche Grundlagen und Baurichtlinien

Der bauliche Wärmeschutz an Schulen ist in Baden-Württemberg im Wesentlichen in der Landesbauordnung (LBO) und in den einschlägigen technischen Baubestimmungen wie der DIN 4108 – „Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden“ – geregelt. Hinzu kommen Empfehlungen des Umweltbundesamtes und Vorgaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), die sich mit den Arbeitsbedingungen in Schulen beschäftigen.

Für Büroräume existieren laut Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) klare Vorgaben: Die Raumtemperatur soll 26 Grad dauerhaft nicht überschreiten, ab 30 Grad sind Maßnahmen zu treffen. In Schulen hingegen fehlen oftmals solche verbindlichen Regelungen. Zwar empfiehlt das Kultusministerium Baden-Württemberg, ab einer Raumtemperatur von 27 Grad flexibilisierte Unterrichtsformen wie „Hitzefrei“ in Betracht zu ziehen, doch gibt es keine allgemeingültige Verpflichtung zur technischen Nachrüstung oder zum Einbau von Klimatisierungssystemen.

Vergleich: Baurichtlinien für Schulen und Büros

Während bei Neubauten von Bürogebäuden Aspekte wie Sonnenschutz, moderne Dämmung und Lüftungsanlagen längst Standard sind, werden viele Schulgebäude nach veralteten Richtlinien gebaut oder saniert. Schulen werden häufig als Sonderbauten betrachtet, und die Umsetzung moderner baulicher Maßnahmen erfolgt schleppend – nicht zuletzt aus Kostengründen. Ein Vergleich zeigt:

  • Bürogebäude: Verpflichtende Maßnahmen zur Einhaltung von Raumtemperaturen, moderne Sonnenschutzsysteme, automatische Lüftung, regelmäßige Kontrolle der Luftqualität.
  • Schulen: Meist nur Empfehlungen, selten verpflichtende Nachrüstungen, viele Gebäude mit schlechter Dämmung, veraltete Fenster, kaum mechanische Lüftung, Sonnenschutz oft unzureichend.
Stimmen aus der Praxis

Aus zahlreichen Gesprächen mit Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen und Schülern ergeben sich immer wieder ähnliche Problembeschreibungen:

  • Viele Klassenzimmer sind nach Süden oder Westen ausgerichtet, was die direkte Sonneneinstrahlung verstärkt.
  • Mobile Klimageräte sind selten vorhanden und häufig nicht ausreichend dimensioniert.
  • Rollos oder Gardinen bieten oft nur einen unzureichenden Schutz vor der Hitze.
  • Das Stoßlüften, das besonders in Pandemiezeiten empfohlen wurde, hilft an heißen Tagen kaum – im Gegenteil, es lässt oft noch mehr warme Luft ins Gebäude.
  • Der Wunsch nach verbindlichen, landesweit einheitlichen Regelungen ist groß, da Kommunen und Schulträger unterschiedlich reagieren und investieren.

Lehrkräfte berichten, dass sie im Sommer einen Großteil ihrer Unterrichtszeit mit improvisierten Maßnahmen wie Ventilatoren, Eiswürfeln oder sogar dem Verlegen des Unterrichts ins Freie verbringen. Die Belastung ist enorm – sowohl für die Gesundheit der Schulgemeinschaft als auch für die Qualität des Lernens.

Handlungsbedarf und Forderungen des VBE Baden-Württemberg

Der VBE BW fordert seit Jahren eine Anpassung der baulichen Standards an Schulen an die gestiegenen klimatischen Anforderungen. Dazu gehören:

  • Verbindliche Vorgaben zur maximalen Raumtemperatur, wie sie bereits für Büros gelten.
  • Förderprogramme für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden.
  • Der flächendeckende Einbau von Sonnenschutzsystemen und modernen Lüftungsanlagen, insofern diese gekoppelt sind an selbst erzeugende Stromsysteme wie Photovoltaikanlagen moder alternativ das Einziehen von Kühldecken
  • Schulinterne Notfallpläne für Hitzetage, um flexibel auf extreme Temperaturen reagieren zu können.

Aus pädagogischer Sicht ist es zudem notwendig, die Unterrichtsorganisation an die klimatischen Gegebenheiten anzupassen.

Innovative Lösungsansätze und Good-Practice-Beispiele

Einige Kommunen und Schulträger sind bereits aktiv geworden und setzen innovative Konzepte um. Dazu zählen:

  • Schulneubauten nach Passivhaus-Standard mit konsequentem Sonnenschutz und automatischer Belüftung.
  • Nachrüstung von Altbauten mit außenliegenden Jalousien, Wärmeschutzverglasung und mobilen Klimageräten.
  • Schulprojekte zur Begrünung von Schulhöfen und Dächern, um das Mikroklima vor Ort zu verbessern.
  • Einbindung von Schülerinnen und Schülern in Projekte zur Sensibilisierung für Klimaschutz und nachhaltigen Schulbetrieb.

Solche Beispiele zeigen, dass bauliche und organisatorische Maßnahmen wirkungsvoll kombiniert werden können, um die Lern- und Arbeitsbedingungen an Schulen zu verbessern.

Fazit

Die Belastung durch Hitze in Klassenzimmern ist längst kein Randthema mehr, sondern betrifft den Schulalltag in Baden-Württemberg in zunehmendem Maße. Vielerorts besteht großer Nachholbedarf bei der baulichen Ausstattung, den gesetzlichen Vorgaben und der politischen Aufmerksamkeit. Es ist dringend erforderlich, dass Schulen – ähnlich wie Bürogebäude – klare und verbindliche Standards erhalten, um Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte wirkungsvoll zu schützen. Dafür setzt sich der VBE Baden-Württemberg auf unterschiedlichen Stellen intensiv ein. Seit November haben wir auch einen ständigen Sitz im Beratergremium Bildung der DGUV. Der Klimawandel ist Realität, und nur mit entschlossenem Handeln können wir sicherstellen, dass Lernen auch in Zukunft unter fairen, gesunden und motivierenden Bedingungen möglich bleibt.

Weitere Infos

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