Abgesenkte Eingangsbesoldung, verzögerte Gehaltsanpassungen – der Staat spart gerne an seinen Beamten. In den Tarifverhandlungen und bei der Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamten konnten der Beamtenbund Tarifunion Baden-Württemberg (BBW) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg allerdings Erfolge erzielen. Wie der VBE Baden-Württemberg diese Erfolge erzielt hat, beschreibt Ihnen Josef Klein, Mitglied des Landesvorstands.
Die Geschichte ist fast so alt wie der Pillenknick, den unsere Generation ja noch erlebt hat: In einer Studie wurde für bestimmte Regionen untersucht, wie viele Störche dort zu Hause sind und wie hoch die Geburtenrate ist. Es zeigte sich eine signifikante positive Korrelation zwischen der Anzahl der Störche und der Anzahl der Babys. Das heißt, je mehr Störche eine Region hat, umso mehr Babys gibt es dort. Man könnte also tatsächlich annehmen, dass der Storch die Babys bringt. Oder doch nicht? Nein, denn das Ergebnis der obigen Studie ist ein typisches Beispiel, dass Korrelation keine Kausalität bedeutet.
In diesem Fall ist nämlich eine dritte Variable für diesen scheinbaren Zusammenhang verantwortlich. Diese dritte Variable ist die Industrialisierung. Die Regionen, die stark industrialisiert sind, haben weniger Störche, da es sich um eher städtische Regionen handelt. Aus dem gleichen Grund haben sie auch weniger Babys, da Familien mit Kindern sich eher im ländlichen Bereich ansiedeln. Berechnet man die partielle Korrelation des Vorkommens der Störche und der Geburtenrate und kontrolliert dabei die Variable Industrialisierung, so stellt man keine signifikante Korrelation mehr fest. Das zeigt, dass der eigentliche Zusammenhang zwischen der Industrialisierung und der Geburtenrate und zwischen der Industrialisierung und der Anzahl der Störche besteht und nicht zwischen der Anzahl der Babys und der Anzahl der Störche.
Erste Schleife: Die abgesenkte Eingangsbesoldung
Im VBE-Magazin 1/2 2018 – und auch schon in den Heften vorher – habe ich an mehreren Beispielen aufgezeigt, was der VBE für die Kolleginnen und Kollegen in Sachen Gehaltskürzungen und Gehaltserhöhungen unternommen hat. Nehmen Sie das Heft ruhig noch einmal her und studieren Sie es erneut.
Die Absenkung der Eingangsbesoldung zum Beispiel: „Unsere“ Marianne Markwardt (VBE-Kreisvorstand Rottweil / Villingen-Schwenningen) ist zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern des Beamtenbundes (BBW) aus anderen Fachgewerkschaften seit dem Jahr 2015 Klägerin in einem Musterprozess gegen die 8%-ige Absenkung der Eingangsbesoldung bei neu eingestellten Beamtinnen und Beamten in Baden-Württemberg. Damals hat eine andere Lehrergewerkschaft auf ihrer Homepage dagegen opponiert und die „Lehrerverbände des Beamtenbundes“ einmal mehr zu diskreditieren versucht. (Lesen Sie dazu Seite 45 im VBE-Magazin vom Januar 2018). Für den VBE war aber damals schon klar, dass es nicht reichen wird „irgendwann“ einmal eine Rücknahme zu erreichen. Wenn wir gegen diese Ungerechtigkeit angehen, dann muss das auch rückwirkend gelten, war und ist der Standpunkt des BBW und VBE.
Deshalb haben wir alle betroffenen Mitglieder aufgefordert, rechtzeitig Widerspruch einzulegen. Was also mit der Absenkung vor dem 31.12.2017 passiert, wird in besagtem Musterprozess mit Marianne Markwardt entschieden. Bis die Entscheidung aber fällt, kann es noch Jahre dauern (die Gerichte haben inzwischen unglaubliche Wartezeiten). Wenn der Musterprozess allerdings gewonnen wird, dann werden alle davon profitieren, die fristgerecht Widerspruch eingelegt haben.
Aber warum wurde die Absenkung der Eingangsbesoldung zum 1.1.2018 aufgehoben? Nun auch hier haben BBW und VBE ihre Hände im Spiel. Blicken wir auf den Beginn der Amtszeit von Winfried Kretschmann: das Pfeifkonzert der Demonstration des Beamtenbundes (Anfang 2012) in der Stuttgarter Liederhalle klingt dem Ministerpräsidenten noch heute in den Ohren. Kein Anlass des Beamtenbundes Baden-Württemberg, an dem Kretschmann nicht dran erinnert – zuletzt im Dezember 2017; es muss eindrücklich gewesen sein. Warum waren die Beamten damals so sauer? Nullrunden, Verschiebung von Gehaltserhöhungen um Monate, Einschnitte in Beihilfe und vieles, vieles andere mehr, das war das Regierungsprogramm der neuen Koalitionäre damals. Sie genierten sich seinerzeit auch nicht, zeitgleich die Ministerien künstlich aufzublasen.
Das brachte die Beamten in Rage. Über Jahre summierten sich die Eingriffe (bis heute, z.B. bei der Beihilfe), so dass der BBW nur noch eine Alternative sah. Dr. Gisela Färber, Lehrstuhlinhaberin an der Universität Speyer wurde beauftragt, die Alimentationen unter die Lupe zu nehmen. Das Ergebnis des Gutachtens, das in der Landesregierung gut studiert wurde und wird: Besonders bei „abgesenkten“ Gehältern, aber auch in Großstädten und nach einigen anderen Kriterien schrammen die Beamtengehälter knapp an der Gesetzmäßigkeit vorbei. Die folgende Drohung mit einer Verfassungsklage veranlasste dann die Landesregierung, bei der Eingangsbesoldung ab 1.1.2018 schnell nachzubessern. Ein grandioser Erfolg für den BBW und den VBE, an dem sonst niemand beteiligt ist.
Zweite Schleife: Verzögerte Gehaltsanpassungen
Wie oben schon beschrieben: Beamte werden immer zur Konsolidierung der Haushalte herangezogen. Die Angestellten unterliegen den tarifrechtlichen Bestimmungen, an denen die Regierung nicht rühren darf. Während die Tarifbeschäftigten also grundsätzlich „zur Zeit“ ihre Gehaltserhöhung bekommen, erhalten die beamteten Kolleginnen und Kollegen diese mehrheitlich „zur Unzeit“. Wenn die unteren Einkommensgruppen das Glück hatten, ihr Geld rechtzeitig oder nur mit geringen Verschiebungen zu bekommen, ging es den höheren Gehaltsgruppen richtig an den Geldbeutel: auch unter Kretschmann gab es Verschiebungen der Gehaltserhöhungen um bis zu einem Jahr, also de facto Nullrunden. Obwohl der BBW argumentativ dagegenhielt, war das Bollwerk aus Ministerpräsident und Finanzminister(in) – unterstützt durch die die Regierung tragenden Fraktionen – nicht zu knacken.
Doch plötzlich der Meinungsumschwung bei der Regierung. Die letzte Gehaltserhöhung, die ebenfalls zeitlich verschoben erfolgte, wurde nachgebessert. Schuld daran war erneut das Färbergutachten. Und wie schreibt Finanzministerin Edith Sitzmann im Begleitbrief zur Nachzahlung im Januar 2018, der allen Landesbeamten zuging? „Der Gesetzentwurf enthielt die vollständige Umsetzung der Vereinbarung der Landesregierung mit dem BBW-Beamtenbund Tarifunion und dem Verein der Richter und Staatsanwälte…“
Auch hier ist eindeutig (und sogar von dritter Seite belegt): Der BBW und der VBE waren über alle Maßen erfolgreich, so dass sie im Januar ein Mehr im Geldbeutel spürten, nämlich die Nachzahlung der verschobenen – und im Nachhinein eben zeitgleichen – Gehaltserhöhung.
Scheinkorrelationen
Eine andere, dem DGB zugeordnete, Lehrervertretung versucht nun auf den davonfahrenden Beamtenbundszug aufzuspringen und konstruiert ihr eigenes Modell. Nachdem der Gesetzentwurf zur Gehaltserhöhung mit zeitlichen Staffelungen bekannt wurde, lehnten DGB und die ihr angeschlossene Gewerkschaft die Gehaltserhöhung ab. Das heißt: Man nahm in Kauf, keine Gehaltserhöhung zu bekommen. Nachdem dann die korrigierte Gesetzesvorlage auf dem Markt war, feierten die Mitbewerber das als ihren Erfolg (und versuchten, in einem Rundmail an alle Schulen den BBW und den VBE in die Pfanne zu hauen). Dass es anders war, bestätigt das Schreiben der grünen Finanzministerin.
Also zieht man das letzte Register der Scheinkorrelationen. In den Lehrerzimmern hängen Plakate:
„Danke GEW, dass ihr das für uns erreicht habt!“ (Die genannte Lehrervertretung dankt sich mit diesem Plakat selbst!) Postkarten mit ähnlichen Botschaften liegen in Lehrzimmern und –fächern.
Wieso fallen mir da die Babys bringenden Störche ein?
Bild: Stockphotosecrets