Nach zwei Jahren pandemiebedingter Zwangspause wurden am 25.02.2022 in Potsdam die Tarifverhandlungen für den Sozial- und Erziehungsdienst wieder aufgenommen. Die für 2020 bereits geplante Tarifrunde für den Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) wurde damals wegen des Pandemieausbruches abgesagt, aber jetzt im Jahr 2022 wird Corona die Tarifauseinandersetzung nicht verhindern – auch wenn die derzeitigen Bedingungen für einen Arbeitskampf unter Pandemiebedingungen für alle beteiligten Gewerkschaften eine große, organisatorische Herausforderung ist.
Ein kleiner Rückblick geht in das Jahr 2015, als es in einer Sondertarifrunde um die grundsätzliche Eingruppierung der Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst ging. Nach harten Verhandlungen und zahlreichen Aktionen durch die Gewerkschaftsmitglieder konnte die überfällige Aufwertung des gesamten Berufstandes durch einen tragfähigen Kompromiss erkämpft werden. Im Februar 2022 geht es nun darum, den bereits begonnenen Weg der Wertschätzung und Aufwertung der Kolleginnen und Kollegen im Sozial- und Erziehungsdienst weiter zu verfolgen.
Derzeit arbeiten ca. 672.000 Frauen und Männer als pädagogische Fachkräfte im Sozial- und Erziehungsdienst in Kindertageseinrichtungen und ca. 338.000 Sozialarbeiterinnen und -arbeiter sowie Sozialpädagoginnen und -pädagogen. Sie alle waren und sind in der Pandemie sehr stark gefordert und haben erneut unter Beweis gestellt, dass die professionelle Arbeit in den Kitas und in der Jugendhilfe „systemrelevant“ ist.
Start in die Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst
Für die Tarifverhandlungen gilt also nun auch, dass die richtigen Schlüsse aus der Pandemie für den Sozial- und Erziehungsdienst gezogen werden. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Arbeitgeber wegen der Pandemie für eine finanzielle Aufwertung des Berufsstandes wenig Spielraum sehen. Beim ersten Treffen der Tarifpartner am 25. Februar 2022 wurde daher gleich einmal die Möglichkeit auf eine schnelle Einigung durch die harte Linie der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in wichtigen Punkten wie die konkrete Festlegung von Vor- und Nachbereitungszeiten ausgebremst.
Der VBE Baden-Württemberg ist über seinen Dachverband dbb an den Verhandlungen beteiligt und hat mit dem dbb Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach einen erfahrenen Verhandlungsführer am Start. Ulrich Silberbachs Einschätzung nach dem Abschluss der ersten Verhandlungsrunde am 25. Februar 2022 in Potsdam:
„Das war ein durchwachsener Beginn. Für die nächste Verhandlungsrunde haben wir uns mehrere Themenblöcke vorgenommen, um nach sachgerechten Lösungen für die komplexen Probleme zu suchen. Das ist vernünftig. Noch fehlt den kommunalen Arbeitgebenden aber die entscheidende Einsicht: Von diesen Verhandlungen muss ein echtes Signal der Wertschätzung ausgehen, das dem gesellschaftlichen Stellenwert der frühkindlichen Bildung und der Sozialen Arbeit gerecht wird. Nicht nur für die vorhandenen Kolleginnen und Kollegen, sondern auch für die dringend benötigten Nachwuchskräfte. Die Aufwertung des gesamten Berufs- feldes ist zwingend erforderlich. Wir brauchen klare Perspektiven, insbesondere für deutliche Entlastungseffekte.“
Generelle Forderungen des VBE in den Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst
Daher fordert der VBE Baden-Württemberg etwa eine bessere Bezahlung durch höhere Eingruppierungen und die dringende Überarbeitung der Eingruppierungsmerkmale in den entsprechenden Entgelttabellen. Daneben sollen aber noch weitere Arbeits- und damit Rahmenbedingungen verbessert werden.
Ein wichtiges Thema ist etwa „Zeit“, und das gleich unter mehreren Gesichtspunkten: So sollen beispielsweise Leitungsfunktionen nicht nur entsprechend bezahlt werden, sondern auch durch die verpflichtende Einführung von Stellvertretungspositionen entlastet werden – die dann natürlich ebenfalls entsprechend der Verantwortung entlohnt werden muss. Grundsätzlich soll die Arbeit „am Menschen“ qualitativ besser werden, indem mehr Vorbereitungszeit für Inhalte und auch Organisatorisches eingeplant wird. Nicht zuletzt geht es um das Thema „Qualifikation“: Hier fordern die Gewerkschaften einen Rechtsanspruch der Beschäftigten auf regelmäßige Fortbildungen und eine Honorierung von Qualifizierungen bzw. Fort- und Weiterbildungen, Aufstiegsmöglichkeiten oder gegebenenfalls Zulagen für alle Beschäftigten.
Die Forderungen für die Weiterführung der Tarifverhandlungen am 21./22. März 2022:
1. Verbesserung der Eingruppierungsmerkmale, insbesondere durch
- Anhebung der Grundeingruppierung der
– Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger
– Sozialassistentinnen und Sozialassistenten
– Erzieherinnen und Erzieher
- Darstellung der pädagogischen Tätigkeiten im offenen Ganztag
- Honorierung von Qualifizierungen bzw. Fort- und Weiterbildungen, Aufstiegsmöglichkeiten oder ggf. Zulagen für alle Beschäftigten
2. Überarbeitung der Eingruppierungsmerkmale für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen durch Gleichstellung mit vergleichbaren Studienniveaus sowie Schaffen neuer Merkmale für die Schulsozialarbeit mit dem Ziel einer verbesserten Zuordnung zu den jeweiligen Entgeltgruppen
3. Anpassung und Öffnung der Stufenlaufzeiten
4. Anpassung der Eingruppierung der Kita-Leitungen an die gestiege- nen Anforderungen. Faktorisierung von Plätzen beispielsweise für Kinder unter drei Jahren und für behinderte Kinder im Sinne des § 2 SGB IX
5. Verbesserung der Qualität der Arbeit sowie Entlastung der Beschäftigten erzielen durch:
– Ausdehnung der Vorbereitungszeit, um mehr Zeit für die mittelbare pädagogische Arbeit zu haben
– Einführung von Entlastungstagen durch ein Konsequenzenmanagement
6. Rechtsanspruch auf Qualifizierung für alle Beschäftigten beispielsweise von
• Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern
• Sozialassistentinnen und Sozialassistenten zu Erzieherinnen und Erziehern
7. Verbindliche Einführung der Position der stellvertretenden Leitung z. B. stellvertretende Kita-Leitung
8. Erweiterung der S-Tabelle mittels weiterer Entgeltgruppen nach oben
9. Qualifizierung und angemessene Vergütung für Praxisanleitung sowie die Ausstattung mit Zeitkontingenten
10. Anerkennung der Berufstätigkeit und der bei anderen Trägern erworbenen Berufserfahrung
11. Anpassung der Eingruppierung an die gestiegenen Anforderungen im Bereich der Behindertenhilfe aufgrund der gesetzlichen Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz
Am 21. und 22. März 2022 gehen die Verhandlungen weiter. Das Landesreferat Kita des VBE-Baden-Württemberg bleibt am Ball und versucht aus der Ferne die Verhandlungen zu begleiten und an die Basis weiterzugeben.
Susanne Sargk, Landesreferatsleiterin Kindertageseinrichtung im VBE