Am 02.05.2016 stellten Verhandlungsführer Winfried Kretschmann (Grüne) und Thomas Strobl (CDU) den Koalitionsvertrag 2016-2021 vor und machten damit den Weg für das erste grün-schwarze Regierungsbündnis in Baden-Württemberg frei. Das 138-seitige Schriftstück trägt den Titel „Verlässlich. Nachhaltig. Innovativ“. Ministerpräsident Kretschmann betonte, dass man sich auf mehr als „den kleinsten gemeinsamen Nenner“ geeinigt habe. Bereits im April hatte der VBE „Schulbausteine für die Koalitionsverhandlungen 2016“ erarbeitet und den im Landtag vertretenen Parteien zugestellt. Zahlreiche darin aufgeführte VBE-Forderungen haben Eingang in den neuen Koalitionsvertrag gefunden.
Auf den Seiten 25-35 hat das so genannte Kiwi-Regierungsbündnis unter dem Titel „Verlässlich, vielfältig, erfolgreich in der Bildung“ bildungspolitische Grundsätze der Regierungsarbeit definiert, darunter das Ziel eines „qualitativ hochwertigen Bildungssystems“ sowie die Leitlinien „Vielfalt und Qualität, Leistung und Durchlässigkeit“, die in den verschiedenen Schularten umgesetzt werden sollen.
Auf ausgewählte Aspekte des Koalitionsvertrages wird im Folgenden Bezug genommen:
FRÜHKINDLICHE BILDUNG: AUF DEN ANFANG KOMMT ES AN
Gute Qualität bei der Betreuung
Im Rahmen der oben genannten Schulbausteine nahm der VBE auf die anspruchsvolle gesellschaftliche Eingliederungsaufgabe frühkindlicher Angebote Bezug. Hinsichtlich der seitens des Regierungsbündnisses angestrebten schrittweisen Umsetzung des Orientierungsplans drängt der VBE auf die Notwendigkeit der verbindlichen Festschreibung des Orientierungsplans sowohl für Kindertageseinrichtungen als auch für Kinderpflege.
Kinderbildungspass: Familien unterstützen – frühkindliche Bildung fördern
Im Kontext des VBE-Beschlusses für ein verpflichtendes Kindergartenjahr werden seitens des VBE die geplante Entlastung von „Familien bei der Finanzierung des Besuchs eines Kindergartens im Jahr vor der Einschulung“ und damit die frühkindliche Bildung und die Integration befürwortet.
Erzieher und Pädagogen gut ausbilden und qualifizieren
Im Sinne der Qualitätsentwicklung heißt der VBE das seitens des Regierungsbündnisses aufgeführte und sowohl aktuelle als auch zukünftige multiprofessionelle Bedarfe wie auch bewährte beziehungsweise erweiterte Abschlüsse abbildende Miteinander hochschulisch und beruflich qualifizierter Fach- und Führungskräfte gut.
Sprache fördern und Bildungshäuser mit Zukunft
Der VBE sieht seine Forderung der Weiterführung und Erweiterung bestehender Sprachförderungsprogramme bzw. -konzepte (SPATZ) aufgegriffen und betont im Sinne kontinuierlicher Sprachentwicklung die Notwendigkeit der Programmfortführung und -ausweitung auf die Grundschule. Der VBE fordert unverändert, die gelungenen Modelle „Schulreifes Kind“ und „Bildungshaus“ nicht nur wie seitens des grün-schwarzen Bündnisses vorgesehen an den bestehenden Standorten fortzuführen, sondern in ihren positiven Elemente auf weitere Einrichtungen auszubauen.
SCHULEN MIT VIELFALT, QUALITÄT UND LEISTUNGSSTÄRKE
Grundschule
Der VBE erkennt die Erhöhung der Stundentafel in Deutsch und Mathematik um jeweils zwei Stunden als wichtigen Baustein der Unterstützung der Grundfertigkeiten an.
Im Koalitionsvertrag skizziert das Bündnis ein durch Kontinuität und Systematik geprägtes Beratungskonzept für Grundschulen. Diesbezüglich regt der VBE an, die politische Ernsthaftigkeit dieser Forderung an der notwendigen Hinterlegung mit Deputatsstunden zu messen.
Der VBE begrüßt im Sinne erfolgreicher Beratung und Bildungsbiografien die angedachte Intensivierung des Austauschs zwischen Eltern und Lehrkräften der Grundschule und der weiterführenden Schulen.
Ganztagsschule und Betreuung verlässlich und flexibel
Der VBE teilt die Ausführungen des Bündnisses zum schulischen Ganztag sowie das pädagogische Bündnis-Ziel der Rhythmisierung. Gleichzeitig drängt der VBE darauf, dass Ganztagsschule mehr Lehrerstunden benötigt. Diesbezüglich zeigt sich die Verbandsleitung erfreut über das Bündnis-Bestreben, im Rahmen des schulischen Ganztages das Angebot für eine Stunde Sport und Bewegung zu schaffen.
Aus Sicht des VBE ist die im Koalitionsvertrag hergestellte Verbindung zwischen muttersprachlichem Unterricht für Kinder mit Migrationshintergrund und Ganztagesunterricht nicht schlüssig. Vielmehr fordert der VBE die angekündigte Überprüfung des Konsularmodells auf alle Schularten und -formen auszuweiten.
Gemeinschaftsschule
Der VBE unterstützt die klare Abgrenzung der Gemeinschaftsschule als integrative Schulart von der Realschule als Schulart mit leistungsdifferenzierten Angeboten.
Die Verbandsleitung begrüßt die im Koalitionsvertrag erteilte Zusage der weiteren Verfügbarkeit notwendiger Ressourcen für die anspruchsvolle Arbeit von Gemeinschaftsschulen, plädiert zugleich für einen aufgabenorientierten Ressourcenausbau und betont die Notwendigkeit der Konkretisierung der grundsätzlich befürworteten Selbstverpflichtung des Bündnisses.
Die Aussicht, Gemeinschaftsschulen ab Klasse 8 in einem Schulversuch den offenen Ganztag zu ermöglichen, bewertet der VBE als schülerorientiert und begrüßenswert. Ebenso heißt der VBE die Möglichkeit der Einrichtung einer Oberstufe bei Vorliegen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestschülerzahl willkommen.
Realschule
Der VBE begrüßt die angekündigte Ausstattung der Realschulen mit 10 zusätzlichen Poolstunden pro Zug. Diese kommen zu den bereits im Aufbau befindlichen zehn Stunden hinzu, so dass die Realschulen über insgesamt zwanzig zusätzliche Stunden verfügen werden.
Darüber hinaus zeigt sich der VBE erfreut über die Möglichkeit der Schaffung von Unterrichtsangeboten für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler ab Klasse 8 auf dem erweiterten Niveau.
Werkrealschule
Der VBE betont, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte Perspektive für Lehrkräfte der Werkrealschulen und die Eröffnung von Aufstiegs- und Wahlmöglichkeiten für die anderen Schularten, überfällig sind. Desgleichen verhält es sich mit einem diesbezüglichen konkreten Zeitplan.
QUALITÄT, VERLÄSSLICHKEIT UND EIGENSTÄNDIGKEIT FÜR UNSERE SCHULEN GEWÄHRLEISTEN
Auf die Schulleitungen und die Lehrkräfte kommt es an
Der VBE begrüßt die seitens des Bündnisses vorgesehene vergleichsweise eigenständigere Entscheidungsmöglichkeit der pädagogischen Profilierung und insbesondere der Personalauswahl und des Personaleinsatzes.
Im Zuge der angekündigten Zusage hinsichtlich „mehr Raum für die innere Entwicklung ihrer Schulen“ fordert der VBE eine deutliche Erhöhung der Leitungszeit.
Darüber hinaus betont der VBE insbesondere im Kontext der Gewinnung von Führungskräften die Forderung der Realisierung des Abstandsgebots.
Großen Zuspruch seitens des VBE erfährt die Ankündigung des Bündnisses, „Lehrkräfte durch eine zentrale Bereitstellung von Unterrichts- und Lernmaterialien“ zu unterstützen.
Lehrerversorgung – verlässlich und gerecht
Der VBE stimmt der Absicht des Bündnisses zu, zur Vermeidung von Unterrichtsausfällen die Krankheits- beziehungsweise Ausfallvertretung zu verbessern und drängt auf eine Unterrichtsversorgung im Umfang von 110%.
Das im Fokus befindliche Ressourcenmodell, das sich aktuell im Schulamtsbezirk Tübingen/Reutlingen im Modellversuch befindet, darf gemäß VBE-Forderung nicht zu weiteren unterrichts- oder betreuungsqualitätsmindernden Kürzungen führen.
DIGITAL@BW: SCHULEN MIT DIGITALISIERUNG UND MEDIENKOMPETENZ
Der VBE fordert, den Bereich Informationstechnik als eigenständiges Fach zu unterrichten und auszuweisen.
INKLUSIVE BILDUNG STÄRKEN
Der VBE beharrt auf das durchgängige Zwei-Pädagogen-Prinzip im Rahmen inklusiver Settings. Das im Koalitionsvertrag dargestellte Bestreben des Bündnisses, das Zwei-Pädagogen-Prinzip dort, „wo das fachlich sinnvoll und möglich ist“, anzulegen, wird seitens des VBE als zu unverbindlich und unzureichend erachtet.
Zudem fordert der VBE Anrechnungen für alle in inklusive Settings eingebundenen Lehrkräfte und Schulleitungen.
RELIGIONSUNTERRICHT UND ETHIK
Der VBE fordert den sofortigen und durchgängigen Ausbau des Ethikunterrichts für alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 1, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Ein schrittweiser Ausbau, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, wird seitens des VBE als unzureichend eingestuft.
Heike Stober, Mitglied der Verbandsleitung
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