Das Land Baden-Württemberg baut den Ethikunterricht in der Sekundarstufe I schrittweise aus. Das haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann (CDU) auf einer Landespressekonferenz bekannt gegeben. Das Land erfüllt damit eine langjährige VBE Forderung. Gerhard Brand, Landesvorsitzender des VBE Baden-Württemberg, fordert den Ausbau des Ethikunterrichts auch in der Grundschule und das so schnell wie möglich.
Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen steigt. Laut Angaben des Kultusministeriums besucht an Real- und Gemeinschaftsschulen ein Drittel der Schülerinnen und Schüler den Religionsunterricht nicht. An den Haupt-/Werkrealschulen sind es sogar mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler, die den Religionsunterricht nicht besuchen. Aufgrund dieser Zahlen scheint die Einführung von Ethik als verpflichtendes Unterrichtsfach in der Sekundarstufe I geboten.
Dieser langjährigen VBE-Forderung will das Land nun auch nachkommen und den Ethikunterricht von Klasse 7 bis Klasse 5 schrittweise ausbauen. Das bedeutet, dass ab dem Schuljahr 2019/20 die siebten Klassen der Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen Ethikunterricht erhalten. 2020/21 sollen alle sechsten Klassen der weiterführenden Schulen versorgt werden. Die komplette Versorgung der Sekundarstufe I wird laut dem Plan des Ministeriums im Schuljahr 2021/22 erreicht werden.
Brand: Ethik löst Aufsichtsproblematik und vermittelt Werte
Die Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann (CDU) rechtfertigte den Schritt nicht nur mit der wachsenden Zahl der Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sondern auch mit der Bedeutung der Werteerziehung: „Der Ausbau des Ethikunterrichts ist für die Werteerziehung in den Schulen zentral. Angesichts der wachsenden Anzahl an Schülerinnen und Schülern ohne kirchliche Bindung übernimmt der Ethikunterricht eine bedeutende Aufgabe.“
Gerhard Brand, Landesvorsitzender des VBE Baden-Württemberg kann dem zustimmen und ergänzt: „Ethik löst zum einen mit der Aufsicht über Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ein ganz praktisches und rechtliches Problem. Zum anderen findet in diesem Schulfach Werteerziehung statt, die den Kindern und Jugendlichen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sonst nicht in diesem Ausmaß zuteil wird.“ Mit der Einführung des Ethikunterrichts für die Sekundarstufe I erfüllt das Land nun auch eine langjährige Forderung des VBE
VBE fordert Ethikunterricht ab Klasse 1
Trotz des geplanten Ausbaus ist der VBE-Vorsitzende Brand nicht komplett zufrieden: „Es ist für den VBE unverständlich, warum mit dem Ausbau des Ethikunterrichts nicht in der Primarstufe begonnen wird. Denn dort brennt es eigentlich, weil die Aufsichtsproblematik hier die größte Rolle spielt“, kritisiert Brand, dass nicht von unten mit dem Ausbau begonnen wird. Der VBE Baden-Württemberg fordert deswegen, dass an Grundschulen so schnell wie möglich gehandelt wird. Gerhard Brand: „Als Verband fordern wir den Ethikunterricht für die Primarstufe, und zwar ab Klasse 1.“
In der Pressekonferenz zeigte die Ministerin, dass sie das Problem erkannt hat: „Auch an den Grundschulen ist es aus meiner Sicht notwendig, zukünftig Ethikunterricht anzubieten. Deshalb lassen wir schon jetzt die Bildungspläne dazu erarbeiten.“ Dass sie Ethikunterricht in der Primarstufe gerne schon früher hätte, ließ die Ministerin durchblicken. „Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre ein schnellerer Ausbau wichtig“, so die Ministerin auf der Pressekonferenz.
Möglichkeiten zur Beschleunigung sollten wahrgenommen werden
Dass die Ministerin den Handlungsbedarf erkennt, sieht Brand positiv. Er mahnt aber: „Wenn aber mit der Einführung von Ethik an der Grundschule erst begonnen wird, sobald die Sekundarstufe I abgedeckt ist, dann wird das zu spät sein. Wenn die Kultusministerin Möglichkeiten zur Beschleunigung sieht, sollte sie diese wahrnehmen.“ Der VBE-Landesvorsitzende verweist auch darauf, dass die VBE-Umfrage zu Gewalt gegen Lehrkräfte gezeigt habe, dass Werteerziehung auch an der Grundschule notwendig sei.
Für den Ausbau des Ethikunterrichts plant das Land, zusätzliche Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für Ethik neu einzustellen. Für den Ausbau im Schuljahr 2019/20 sind 71 Deputate eingeplant, für die weitere schrittweise Einführung rechnet das Kultusministerium mit einem Mehrbedarf von je 114 Deputaten für 2020/21 und 2021/22. Außerdem sind umfangreiche Fortbildungen für Ethiklehrerinnen und -lehrer geplant. In der Pressekonferenz bezifferte die Kultusministerin die jährlichen Kosten auf rund 20 Millionen Euro.
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