Wackelt das Beamtentum?

Beamtentum

„Man“ streitet sich um und über das Beamtentum der Lehrkräfte. Ist es billiger? Ist es teurer? Gehört es abgeschafft? Gibt es Sicherheit? Sind Beamte zur Erledigung hoheitlicher Aufgaben überhaupt notwendig? Das sind Fragen, die mit schöner Regelmäßigkeit in den Medien auftauchen, diskutiert werden und – nach Anreicherung mit positiven und negativen Beispielen – unbeantwortet stehen bleiben. Was unstrittig ist: Beamtenbund und VBE setzen sich aktiv und nachhaltig für das Beamtentum ein, und wir haben dafür gute Gründe.

Mitstreiter haben wir bei den weiteren Lehrerverbänden des Beamtenbundes (dbb / BBW), aber keinesfalls bei den Gewerkschaften, die dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angeschlossen sind. Blicken wir wenige Jahre zurück nach Griechenland. Da sah man, wie ein Staat ohne Beamte funktioniert. Da wurde keine Grundsteuer eingetrieben, weil es keine funktionierenden Katasterämter gab. Da wüteten Waldbrände, weil die Feuerwehr nicht funktionierte. Da haben die Lehrer für eine zwanzigprozentige Lohnerhöhung acht Monate lang gestreikt. Ein ganzer Schülerjahrgang bekam keine Abgangszeugnisse, verlor ein Jahr Schulbildung. 

Und Deutschland heute? Zunächst einmal: ob Baden-Württembergs Lehrkräfte verbeamtet werden oder nicht entscheidet sich in Baden-Württemberg. Auch bei uns gab es immer wieder Tendenzen neu zu definieren, was man unter hoheitlichen Aufgaben verstünde. Damit verbunden war die Frage, ob Lehrkräfte ebenso hoheitliche Aufgaben ausüben wie Steuerfahnder, Richter oder Polizisten. Dank des VBE haben wir es seit Jahren und Jahrzehnten geschafft, in Gesprächen und Verhandlungen die Politik zu überzeugen, dass nicht zuletzt der Staat davon profitiert, wenn Lehrkräften der Beamtenstatus verliehen wird. Indes: eine Automatik liegt darin nicht. Der Beamtenstatus ist ein hohes Gut, das auch in Baden-Württemberg immer wieder neu erkämpft werden muss. Bei der Politik, aber auch gegen die Ideologen anderen „Glaubens“. Die Angriffe nehmen zu. Der VBE bekommt in dieser Richtung immer mehr zu tun. Blicken wir also auf aktuelle Geschehnisse in anderen Bundesländern.

Beamtentum – ein Blick über die Landesgrenzen

Sachsen Dezember 2017: Auf den digitalen Plattformen unserer Mitbewerber liest man unter anderem , dass sie sich „nicht am Machtspiel um die Lehrerverbeamtung beteiligen“. Und weiter: „Die Verbeamtung wird vom Kultusminister und einigen CDU-Politikern zum Allheilmittel erklärt.“ Unterstrichen wird die Aktion durch eine von der Jungen GEW Sachsen initiierte Studentenaktion in Leipzig, die das Beamtentum störend findet. Denn – so der Nachwuchs für kommende Schülergenerationen im Brief: Als Beamter könne man sie in die „Brandgebiete des Freistaates (Bautzen, Erzgebirge, Plauen usw.)“ versetzen, streiken könnten sie auch nicht und sich somit nicht mehr mündig in politischen Fragen und in demokratische Prozesse einmischen. Was die Frage aufwirft, ob es sich eine lebendige Demokratie eigentlich leisten kann, auf Lehrer als Aktivposten zu verzichten? – Da stellt sich dem Autor doch schon einmal die Frage, ob man Bautzen, das Erzgebirge und Plauen zur lehrerfreien Zone erklären sollte? Oben wird schon einmal als Feindbild die CDU hingestellt. Da werfen wir doch gleich einmal einen Blick zum Nachbarn in Thüringen.

Thüringen 1. Quartal 2018: Der derzeitige Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter, ist Kultusminister in Thüringen. Er gehört der Partei „Die Linke“ an und ist unverdächtig, der CDU nahezustehen. Auf den Impuls, dass Thüringen seine Lehrkräfte verbeamtet, antwortet Holter: „Zunächst einmal gibt eine Verbeamtung Sicherheit – den Lehrerinnen und Lehrern, aber auch den Schulen. Verbeamtet ist alles ein Stück planbarer….  Thüringen hat sich für die Verbeamtung entschieden, um Lehramtsabsolventen diese Sicherheit anbieten zu können.

Bundesverfassungsgericht Pressemitteilung Nr. 91/2017 vom 19. Oktober 2017:

Die Beschwerdeführenden sind beziehungsweise waren als beamtete Lehrkräfte an Schulen in verschiedenen Bundesländern (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein) tätig. Sie nahmen in der Vergangenheit während der Dienstzeit (teils wiederholt) an Protestveranstaltungen beziehungsweise Streikmaßnahmen der DGB-nahen Mitanbieterin teil. Diese Teilnahme wurde durch die zuständigen Disziplinarbehörden disziplinarrechtlich geahndet. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Streikteilnahme stelle einen Verstoß gegen grundlegende beamtenrechtliche Pflichten dar. Insbesondere dürfe ein Beamter nicht ohne Genehmigung dem Dienst fernbleiben. In den fachgerichtlichen Ausgangsverfahren wandten sich die Beschwerdeführerinnen sowie der Beschwerdeführer erfolglos gegen die jeweils ergangenen Disziplinarverfügungen.

Mit den Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführenden eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG (teilweise in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG). Sie machen insbesondere geltend, die Koalitionsfreiheit gewährleiste ein Streikrecht auch für Beamte, jedenfalls aber für beamtete Lehrkräfte. Solange Beamte keine hoheitlichen Aufgaben ausübten, unterfielen sie nicht dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG. Auf die Personengruppe der nicht hoheitlich tätigen Beamten, zu der beamtete Lehrkräfte zählten, finde Art. 33 Abs. 5 GG und das daraus abgeleitete Streikverbot keine Anwendung. Selbst wenn man von einer Anwendung des Art. 33 Abs. 5 GG auf alle Beamten ausginge, sei das Streikverbot für Lehrer nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu vereinbaren.

Darüber hinaus rügen die Beschwerdeführenden die Missachtung der Vorgaben des Grundgesetzes zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung des nationalen Rechts. Die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleiste mit Art. 11 Abs. 1 ein umfassendes Streikrecht für Beamte, welches nicht statusbezogen, sondern nur nach funktionalen Kriterien eingeschränkt werden dürfe. Diese völkerrechtlichen Vorgaben ließen sich auf das nationale Recht übertragen. Das von der Rechtsprechung bislang als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums angesehene Streikverbot für Beamte müsse daher insbesondere vor dem Hintergrund der jüngeren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in den Rechtssachen Demir und Baykara v. Türkei (Urteil der Großen Kammer vom 12. November 2008, Nr. 34503/97) und Enerji Yapi Yol Sen v. Türkei (Urteil vom 21. April 2009, Nr. 68959/01) überdacht werden.

Beamtenbund (dbb)  Januar 2018: Das Berufsbeamtentum „mit dem ihm innewohnenden Streikverbot ist ein wichtiger Stadortfaktor für die Bundesrepublik Deutschland“. dbb-Chef Ulrich Silberbach sieht die Demokratie in Gefahr, wenn die Kläger im DGB in Karlsruhe Recht bekämen.

Das besondere Dienst- und Treueverhältnis inklusive Streikverbot ist für ihn „die dauerhafte Voraussetzung für die wirksame Entfaltung der Demokratie“. Auf der einen Seite verzichteten die Beamten auf das Streikrecht, auf der anderen Seite stelle der Staat die materielle Existenz der Beamten sicher – während des Erwerbslebens, bei Krankheit und im Alter. „Das Kümmern des Staates um seine Beamten prägt deren Einstellung zu ihrer Arbeit für das Gemeinwesen“, argumentiert Silberbach. „Beamter zu sein ist halt nicht nur ein Job, es ist ein Dienst an der Gesellschaft.“

Auch wenn unsere Mitbewerber immer wieder betonen, dass sie nichts gegen den Beamtenstatus für Lehrkräfte haben, dafür haben sie aber auch nichts. Bisher hat noch niemand der Verantwortlichen die Aussage des damaligen baden-württembergischen Vorsitzenden des Mitanbieters, Rainer Dahlem, aus dem Jahre 2003 bestritten. Er sagte damals „Schafft das Beamtentum ab“ (Badische Zeitung vom 26.6.2003).

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