Eine deutliche Angst, dass der Mangel an Lehrkräften weiter zunimmt, dazu eine steigende Zahl von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern an den Schulen und schon zu Schuljahresbeginn Stellen, die nicht besetzt werden können. Das sind die Kernaussagen einer repräsentativen Umfrage, für die das Sozialforschungsinstitut forsa im Auftrag des VBE bundesweit rund 1.300 Schulleiterinnen und Schulleiter befragt hat – 253 davon aus Baden-Württemberg.
„Im Grunde bestätigen die Zahlen das, was wir schon länger fordern: Wir müssen raus aus der Mangelverwaltung!“, betont der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand. Die Politik müsse endlich vom Sprechen ins Handeln kommen.
Die Statistik packe den Mangel in weiche Wattebällchen. „Nur helfen uns weiche Wattebällchen in dieser Situation nicht weiter. Wir brauchen keine Wattebällchen, wir brauchen mehr Lehrer!“, sagt der VBE-Landesvorsitzende.
Vakante Stellen an den Schulen
Etwa die Hälfte der Schulleitungen (49 Prozent) gaben bei der Umfrage an, dass bereits zu Beginn des Schuljahres in Baden-Württemberg Stellen nicht besetzt werden konnten. Dabei sagten 23 Prozent, dass eine Stelle nicht besetzt war, bei 13 Prozent waren es drei oder sogar mehr Stellen, für die keine Lehrkraft zu Verfügung stand.
„Das sind alles andere als gute Startvoraussetzungen, geht man davon aus, dass durch das Schuljahr hinweg mit krankheitsbedingten Ausfällen zu rechnen ist. Im Umkehrschluss heißt das, dass Unterricht nicht regelmäßig stattfinden kann und dass die Kolleginnen und Kollegen mehr belastet werden. Gleichsam fällt der Bildungserfolg“, sagt Gerhard Brand.
Bei den jetzt präsentierten Daten schneidet Baden-Württemberg zwar im Schnitt mit 1,1 nicht besetzten Stellen besser ab als der Bund (1,6), jedoch täuscht es nicht darüber hinweg, dass sich der Anteil der zur Verfügung stehenden Stellen, die in Baden-Württemberg nicht besetzt sind, seit 2019 auf fast gleichbleibendem Niveau (11 Prozent) befindet.
Deutliche Angst vor Lehrkräftemangel
Dunkle Wolken ziehen auch am Horizont auf: 81 Prozent der Schulleitungen befürchten, dass sie in Zukunft stark oder sogar sehr stark vom Lehrkräftemangel betroffen sein werden.
„Die Landesregierung muss hier dringend gegensteuern und verhindern, dass unsere Schulleiterinnen und Schulleiter resignieren. Was Schulleitungen jetzt brauchen ist mehr Personal und mehr Zeit“, sagt Brand.
„Das Ziel muss es sein, schon frühzeitig einzugreifen, um zu verhindern, dass der Lehrkräftemangel weiter voranschreitet. Es ist höchste Zeit, dass sich was tut“, so der VBE-Landesvorsitzende.
Um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken, fordert der VBE Baden- Württemberg:
- Abbrecherquote verringern: Deswegen braucht es eine bessere Begleitung im Studium und im Referendariat.
- Erhöhung der Kapazitäten: Schaffung von mehr Studienplätzen.
- Bessere Studien- und Arbeitsbedingungen: Dazu gehört auch, endlich Grundschullehrkräfte sowie Bestandslehrkräfte an Haupt- und Werkrealschulen nach A13 zu besolden.
- Beruf der Lehrkräfte muss attraktiver werden: Abwanderung in andere Bundesländer verhindern und wieder junge Menschen für den Beruf gewinnen.
Diese Maßnahmen reichen aber nicht aus. „Der Optimalfall ist, dass Unterricht durch vollausgebildete Lehrkräfte gehalten wird – das ist unser Credo, quasi unsere DNA. Aber die Situation ist keineswegs optimal“, erklärt Gerhard Brand.
Würde man sich nur darauf verlassen, dass neue voll ausgebildete Lehrkräfte an die Schulen kommen, würde sich die Lage an den Schulen noch weiter zuspitzen.
Man werde daher nicht umherkommen, Quer- oder Seiteneinsteiger an Schulen einzusetzen – also Personen, die kein originäres Lehramtsstudium absolviert haben.
Statistik zeigt mehr Quereinsteiger an Schulen
Die Zahl der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger wird laut Studie größer: 39 Prozent der Schulleitungen sagen, dass an ihren Schulen Personen ohne originäre Lehramtsausbildung, beschäftigt sind. Im Vergleich zu 2018 (18 Prozent) hat sich der Wert mehr als verdoppelt.
Wenn man es richtig angehe, können Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger helfen, den Lehrkräftemangel zu lindern und die Unterrichtsversorgung zu verbessern, betont Gerhard Brand. Ohne hohe Hürden für den Quer- und Seiteneinstieg gehe es aber nicht.
Der VBE fordert für Quer- und Seiteneinsteiger an Schulen:
- Zulassung zum Quereinstieg nur mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium in einem schulaffinen Fach.
- Vor dem Einsatz im Unterricht eine pädagogische und wissenschaftliche Vorqualifizierung.
- Eine berufsbegleitende Qualifizierung, um das methodisch-didaktische Wissen zu vertiefen.
- Anrechnungsstunden für die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die sich um Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger kümmern.
- Wenn sie alle Module der Nachqualifizierung auf wissenschaftlichem Niveau erfolgreich absolviert haben, sollten Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger die Chance erhalten, als voll ausgebildete Lehrkräfte nachqualifiziert zu werden, wenn die prinzipielle Eignung gegeben ist.
Weiterführende Links:
Forsa-Ergebnischarts zur Studie: Landesdaten Baden-Württemberg
Rede des VBE-Landesvorsitzenden Gerhard Brand
Bericht zur forsa-Studie Lehrkräftemangel und Quereinstieg: Landesdaten Baden-Württemberg