Lehrkräfte-Entgeltordnung (L-EGO) bleibt ein Dauerbrenner

Beschäftigte im Schuldienst

Josef Klein, Vorstandsmitglied VBE-BW

Josef Klein, Vorstandsmitglied VBE-BW

Heute will ich auf Grund der aktuellen Ereignisse einmal ein paar Worte über angestellte Lehrkräfte verlieren, dies allerdings in der Hoffnung, dass diese Worte nicht verloren sind. Zunächst zum Begriff: „Angestellte“ und „Arbeiter“ heißen seit der Einführung des TV-L und TVöD im Jahre 2006 offiziell „Beschäftigte“, wobei die Begriffe in der Praxis nicht nur im mündlichen Sprachgebrauch traditionell weiterhin nebeneinander verwendet werden. Dies sorgt für Verwirrungen, die zudem dadurch angereichert werden, weil im Personalvertretungsrecht (§4 LPVG) auch die Beamten zu den Beschäftigten gehören. Es wäre wirklich einfacher gewesen, den Begriff „Angestellte“ zu belassen, aber nichts ist so beständig wie die Veränderung, egal, ob diese Sinn macht oder eben nicht. Im Bereich des Schuldienstes gibt es als Beschäftigte des Landes Baden-Württemberg Lehrkräfte im Beschäftigtenverhältnis, Pädagogische AssistentInnen, KrankheitsvertreterInnen, ErzieherInnen, FachlehrerInnen (die wenigsten, da die Mehrheit der FL Beamte sind) und einige andere. Zu den im Schuldienst Beschäftigten gehören nicht die Hausmeister und Sekretärinnen, da diese nicht Beschäftigte des Landes, sondern der Kommunen sind. Sie unterliegen dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) und nicht dem Tarifvertrag des Landes (TV-L). Ausnahmen kann es im Bereich der Heimschulen oder Seminare geben, wo das Land gegebenenfalls selbst Schulträger ist. Zu den Beschäftigten des Landes gehören aber auch solche KollegInnen, die im Rahmen eines Gestellungsvertrages für den Staatsdienst „bereitgestellt“ werden, z.B. ReligionslehrerInnen, PfarrerInnen, KatechetInnen, usw., auch wenn bei jenen Arbeitgebern der TV-L gegebenenfalls keine Gültigkeit hat.

Es bleibt die Frage zu klären, warum es überhaupt beschäftigte Lehrkräfte gibt. Nun, manche haben bei Einstellung altershalber die Grenze überschritten, bei der man in Baden-Württemberg noch verbeamtet wird (42 plus), anderen traut der Staat gesundheitlich nicht zu, das andere Ende des Berufsweges zu erreichen. Wieder andere, z.B. aus anderen Ländern oder Bundesländern, erfüllen ausbildungshalber oder persönlich nicht die Bedingungen, verbeamtet zu werden. Beschäftigte unseres Landes erkennt man daran, dass sie einen TV-L- Vertrag des Landes Baden-Württemberg unterschrieben haben.

Durch den TV-L Vertrag werden bestimmte Regelungen der beamteten Lehrkräfte für die beschäftigten Lehrkräfte übernommen (z.B. Arbeitszeit nach Deputaten), andere nicht. Somit bilden beschäftigte Lehrkräfte eine besondere Spezies. Die wichtigste gehaltstechnische Besonderheit für Lehrkräfte besteht im fehlenden Eingruppierungstarifvertrag für beschäftigte Lehrkräfte im öffentlichen Dienst der Länder. Schon nach dem bis 2006 geltenden Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) waren Lehrkräfte von der Vergütungsordnung, die für alle anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder die Eingruppierung regelte, ausgenommen. Stattdessen wird die Eingruppierung auf Basis von Arbeitgeber-Richtlinien vorgenommen. Genau diese möchte der VBE für die beschäftigten Lehrkräfte ändern. Für die Lehrkräfte muss wie bei den anderen Beschäftigten des Landes die Eingruppierung durch Zusammenwirken der Gewerkschaften und Arbeitgeber geregelt werden. Dafür stehen wir und dafür stehen wir -mit Ihnen- auf. Das Zauberwort heißt L-EGO, die Lehrkräfte – Entgeltordnung. An ihr arbeiten wir seit Jahren, besonders intensiv seit einem Jahr. Und wir waren zu einem kleinen Teil erfolgreich. Darüber später mehr.

Der VBE als Gewerkschaft

Der gebräuchlichste Kommentar zum Landespersonalvertretungsgesetz führt zum § 2 (Begriff der Gewerkschaft) aus, dass auch Beamtenverbände zu den Gewerkschaften zählen, sofern es sich um Zusammenschlüsse auf freiwilliger Basis handelt, keine Arbeitgeber als Mitglieder haben und von diesen unabhängig organisiert sind. Da der VBE das geltende Tarif- und Schlichtungsrecht anerkennt und auch alle anderen im Kommentar genannten Bedingungen erfüllt, ist er also nicht nur Verband, der die Interessen der Beamten vertritt, sondern auch Gewerkschaft, die für die Interessen der Beschäftigten eintritt. Es wird von anderer Seite immer wieder behauptet, der VBE sei schon deshalb keine Gewerkschaft, weil er nicht tariffähig sei. Soeben haben wir erneut das Gegenteil bewiesen: durch die Zustimmung des VBE zum Einstieg in L-EGO wurde ein großer Stein auf dem sehr steinigen Weg der Gehaltserhöhungen für beschäftigte Lehrkräfte beiseite geräumt. An den Verhandlungen für Tariferhöhungen wirken seit Jahren gleichberechtigt ver.di und die Tarifunion des Beamtenbundes mit. Der VBE sitzt über die Tarifunion mit am Tisch. Willi Russ als Verhandlungsführer der Tarifunion sitzt mit Frank Bsirske (ver.di) am gleichen Tisch wie Jens Bullerjahn, der Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt, der für alle Bundesländer außer Hessen über die TdL die tariflichen Feinheiten aushandelt.

Das ist Ihnen alles neu? Kein Wunder, denn die Medien -auch die öffentlich-rechtlichen- haben sich angewöhnt, sehr einseitig über die Verhandlungen zu berichten. Das mag damit zu tun haben, dass der Beamtenbund sich violett und der VBE sich blau präsentiert, während die Presse(gewerkschaften) und „die Andersgläubigen“ sich vorwiegend Rot als Lieblingsfarbe aussuchten. Es ist nicht hinzunehmen, dass der Südwestrundfunk von unseren beiden Demonstrationen in Stuttgart und Ulm kein Wort berichtete, auch dass der Südkurier von der Stuttgarter Beamtenbunds-Demo ausführlich berichtete und ein ebenso großes Archiv-Bild mit roten statt blau-violetten Fahnen dazufügte. In beiden Fällen erfolgte eine Beschwerde des VBE, man kann dabei nur auf Sensibilisierung der Medien hoffen, mehr nicht.

Auf jeden Fall ist der VBE im Beamtenbund-Tarifunion mit seinen 1,28 Millionen Mitgliedern sehr gut aufgestellt. Und die 370 000 Beschäftigten der Tarifunion können von den Arbeitgebern nicht übersehen werden. Resümee: Der VBE ist eine wirksame Vertretung der Beschäftigten und Beamten, die sich mit ihrer Arbeit nicht verstecken muss.

L-EGO

Wie oben beschrieben, arbeitet der VBE schon seit vielen Jahren an einer Entgeltordnung für Lehrkräfte, die nicht nur wie bisher von den Arbeitgebern „bestimmt“ wird. Tatsächlich hat das Jahr 2014 dabei Fortschritte gebracht, die sich niemand erträumte. Nachdem die GEW zu Jahresanfang 2014 zunächst aus Frust total ausgestiegen war, hat der VBE intensiv mit den Arbeitgebern an einem Gesamtpaket gearbeitet, das pünktlich zu Beginn der Tarifverhandlungen vorlag. Die Hürde war und ist, dass das Paket Teil der Tarifverhandlungen wurde. An anderer Stelle dieses VBE-Magazins können Sie nachlesen, welch vielfältige Themen in den Tarifverhandlungen auf der Agenda standen. Da die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes -außer den beschäftigten Lehrkräften- aus vielen verschiedenen Gruppen bestehen, konnten sich die Lehrerverbände und
Lehrergewerkschaften mit der Forcierung von L-EGO auch 2015 nicht durchsetzen und es drohte die Situation -wie seit Jahren einmal mehr- für L-EGO nichts zu erreichen.

Und nun passierte etwas ganz Interessantes: Obwohl die Bundesregierung massiv am Gesetz zur Tarifeinheit bastelt (das mit ziemlicher Sicherheit vom Bundesverfassungsgericht wieder kassiert wird), haben die Arbeitgeber in diesem Fall gerne davon Gebrauch gemacht, dass dieses Gesetz noch nicht in Kraft ist. So wurde mit dem VBE ein Tarifvertag abgeschlossen, in dem der Einstieg in die Lehrerentgelttabelle ermöglicht wurde. Zufrieden sind wir damit natürlich nicht, aber ein erster Schritt ist getan und weitere sollen folgen. Es ist ein Einstieg in eine gerechtere Bezahlung der tariflichen Lehrkräfte. Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann sagt dazu: „Für den VBE steht jetzt schon fest, dass das Thema Entgeltordnung Lehrkräfte ein Dauerbrenner im Kalender der nächsten Tarifverhandlungen öffentlicher Dienst bleiben muss. Die heute offerierten (‚zusätzlichen‘ Anm. d. Autors) 30 Euro mehr für die Kolleginnen und Kollegen mit vollständiger Lehrerausbildung, die in den Entgeltgruppen 9 bis 11 eingruppiert sind, bedeuten in keiner Weise, dass der ungerechtfertigte Einkommensabstand zwischen den tarifangestellten und verbeamteten Lehrkräften überwunden ist. Es ist aber erreicht, dass in den künftigen Runden auf der Basis eines Tarifvertrags verhandelt werden kann. Das ist ein Meilenstein, wenn auch vorerst ein kleiner. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) schafft sich das Problem ungerechter Bezahlung im Lehrkräftebereich nicht vom Hals. Das muss klar sein.“

Die GEW hat nach dem Motto „Alles oder nichts!“ den Einstieg abgelehnt und läuft deshalb Gefahr, weitere Jahre nichts zu bekommen. Welche Haltung die richtige ist, wird erst die Zukunft weisen. Aber dem VBE ist der Spatz in der Hand deutlich lieber als die Taube auf dem Dach.

Und die Beamten?

Während die Tarifverhandlungen für Beschäftigte seit 2012 für alle Bundesländer außer Hessen von Herrn Bullerjahn (Sachsen-Anhalt) geführt werden, sind die Länder autonom darin, wie sie mit dem Tarifabschluss für ihre jeweiligen Beamten umgehen. Bei der letzten Besoldungserhöhung für Beamte hat die baden-württembergische Landesregierung den A 12-Lehrkräften (und höher) durch Zeitverschiebungen quasi ein Jahr eine Nullrunde zugemutet. Die beiden Fraktionsführer Edith Sitzmann (Grüne) und Claus Schmiedel (SPD), haben im Vorfeld für 2015 ausgeschlossen, dass für die Beamten zeitgleich die Tarifvereinbarungen übernommen werden. Andere Bundesländer sind da weiter: Bayern, Rheinland-Pfalz und Hamburg haben die zeit- und inhaltsgleiche Übernahme bereits angekündigt. Der Beamtenbund bleibt am Ball!

Josef Klein, Vorstandsmitglied im VBE-BW

Tarifverhandlungen mit der TdL (Tarifgemeinschaft der Länder) zur Lehrkräfte-Entgeltordnung

Bernhard Rimmele, Referatsleiter Tarifbeschäftigte im VBE Baden-Württemberg

Der VBE fordert: Gleicher Lohn für die tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer. Endlich die Benachteiligung gegenüber den verbeamteten Kolleginnen und Kollegen aufheben.

Der VBE als Einzelgewerkschaft und Berufsverband ist Mitglied beim Deutschen Beamtenbund (dbb) und mit Sitz und Stimme in der Bundestarifkommission vertreten. Somit sitzt der VBE mit am Verhandlungstisch, wenn über die Eingruppierung der tarifbeschäftigten Lehrkräfte entschieden wird. Jetzt hat die TdL beschlossen, mit dem dbb in Tarifverhandlungen zur Entgeltordnung-Lehrkräfte zu treten. Der Verhandlungsauftakt fand am 20. Feb. 14 statt.

Hintergrund: Die tarifbeschäftigten Lehrkräfte erhalten gegenüber ihrer verbeamteten Kolleginnen und Kollegen Monat für Monat ein um mehrere Hundert Euro geringeres Nettogehalt. Dieser Einkommensunterschied hat sich in Jahrzehnten auf Grund steigender Sozialversicherungsabgaben aufgebaut. In allen bisherigen Tarifrunden ist es den Berufsverbänden und Gewerkschaften nicht gelungen, die Verweigerungshaltung in Sachen Abschluss einer tariflichen Entgeltordnung für Lehrkräfte aufzubrechen. Die Länder als Arbeitgeber legen nach wie vor in Eingruppierungsrichtlinien einseitig fest, welche Eingruppierungen tarifbeschäftigte Lehrkräfte  erhalten. Die tarifbeschäftigten Lehrkräfte sind noch die einzige Berufsgruppe im öffentlichen Dienst ohne Eingruppierungstarifvertrag.

Jetzt musste die TdL erkennen, dass im Verteilungskampf  um den besten Berufsnachwuchs der Lehrerberuf für Hochschulabsolventen immer weniger attraktiv ist. Zumal in einigen Bundesländern Ostdeutschlands die Lehrkräfte nur als Tarifbeschäftigte eingestellt werden und damit erheblich weniger verdienen als ihre verbeamteten Kolleginnen und Kollegen im Westen. Je nach Steuerklasse beträgt das Einstiegsgehalt für eine Lehrkraft mit Entgeltgruppe E 11 nur zwischen 1470 – 2047 € Netto im Monat. Die TdL versicherte dem dbb, ernsthafte Verhandlungen zu führen und eine umfassende Lösung anzustreben.

Der VBE setzt sich dafür ein, dass bis zum Beginn der nächsten Tarifrunde 2015 eine Lehrer-Entgeltordnung  (abgekürzt auch L-EGO genannt)vereinbart werden kann, die die Einkommensunterschiede erheblich minimiert. Ziel ist es, durch höhere Entgeltgruppen für Lehrkräfte der Forderung – Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – endlich Geltung zu verschaffen. Es ist ein Skandal, dass tarifbeschäftigte Lehrkräfte durch geringere Gehälter als Lehrerinnen und Lehrer 2. Klasse diskriminiert werden.

Der VBE  fordert die Landesregierung als Mitglied der TdL eindrücklich dazu auf, diese Ungerechtigkeit zu beenden.

Ein Überblick: Tarifauseinandersetzungen, Demonstrationen, Streik und Entgeltordnung für Lehrkräfte

Eine Vorbemerkung

Ist der VBE als Berufsverband auch eine Gewerkschaft? Fehlt dem VBE dazu auf Grund seines hohen Beamtenanteils der Lehrerschaft (in Baden-Württemberg sind über 90% der Lehrerinnen und Lehrer im Beamtenverhältnis) nicht das klassische Gewerkschaftsinstrument des Streikes, um seine Interessen durchzusetzen.

Zwei Antworten:

  1. Im VBE sind neben den angestellten tarifbeschäftigten Lehrerinnen, Lehrern und Fachlehrer/innen  auch andere Berufsgruppen organisiert: Erzieher/innen, Pädagogische Assistenten und Assistentinnen, Religionslehrer/innen und Geistliche, Studenten und Studentinnen und andere Berufsgruppen. Der VBE ist seinerseits wieder Mitglied beim  Beamtenbund, eine Dachorganisation mit 38 Einzelgewerkschaften und insgesamt 1.266.000 Mitgliedern, davon ca. 370.000 Tarifbeschäftigte. Innerhalb dieses dbb (Deutscher Beamtenbund) gibt es die dbb-tarifunion, die bei Tarifauseinandersetzungen neben dem DGB  gleichstark und gleichberechtigt am Verhandlungstisch den Arbeitgebern gegenübersitzt. 
  2. Die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen brauchen selbstverständlich auch eine starke Interessen- und Berufsvertretung. Wie wichtig das ist, zeigt sich bei den jüngsten Sparmaßnahmen der Landesregierung, wo durch den massiven Einsatz des Beamtenbundes Baden-Württemberg in Verbindung mit seinen Einzelmitgliedern wie dem VBE noch viel restriktivere Einschnitte bei der Besoldung und Versorgung verhindert werden konnten und hoffentlich noch verhindert werden.

Der VBE ist also ein Berufsverband, der sich für die Belange von Bildung und Schule stark macht und er ist eine Gewerkschaft, die für die Interessen der Beamten und Beamtinnen und der Tarifbeschäftigten in deren Arbeitsfeldern von Schulen u.a. Einrichtungen kämpft.

Einleitung

„Die Begriffe Tarifpartnerschaft und Arbeitskampf markieren die Pole, zwischen denen Tarifverhandlungen stattfinden“, so Frank Stöhr, der 1. Vorsitzende der dbb-Tarifunion. Nur eine starke und gut vorbereitete Gewerkschaft wird erfolgreiche Tarifauseinandersetzungen führen können. Deshalb ist es eine wesentliche Aufgabe der dbb-tarifunion schon heute wieder auf die nächste Tarifrunde zu schauen, denn der jetzige Tarifvertrag endet im Dez. 12.  Der VBE und sein Dachverband mit der dbb-tarifunion wird sich wappnen müssen für eine sehr harte Tarifrunde, denn mit dem Argument, dass der Staat seine Schuldenlast verringern muss, wird man uns mit einer Null-Runde oder einem Trostpflaster abspeisen wollen. Das Argument der Schuldenverringerung des Staates ist zwar richtig, aber solange der Staat auf Steuereinnahmen aus dem Kapitalverkehr, durch Abschreibungen und andere Vergünstigungen verzichtet und damit die Einnahmenseite vernachlässigt, darf es auf der anderen Seite nicht zu einer Unterbezahlung des Öffentlichen Dienstes führen. Wie wichtig und wertvoll ein gut funktionierender öffentlicher Dienst ist, zeigt sich gerade im Vergleich mit vielen anderen Staaten. So ist bis dato ein gut funktionierender öffentlicher Dienst Garant für eine stabile Demokratie und ein großer Vorteil im internationalen Wettbewerb. Damit das so bleibt, darf die öffentliche Hand im Wettbewerb um die jungen Leute nicht den Kürzeren ziehen, weil die Einkommen der im öffentlichen Dienst Beschäftigten seit vielen Jahren immer schlechter werden im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern.

Wenn wir uns an die letzte Tarifrunde  vom Frühjahr 2011 zurückerinnern, war das Ergebnis sehr bescheiden: geringe Gehaltszuwächse, sogar unter den Inflationsraten von 2010 und 2011,  und vor allem ein Scheitern der überfälligen Entgeltordnung für Lehrer (mehr dazu weiter unten).

Bisher konnten bis auf wenige Ausnahmen (z.B. kam es 2006 zu einem langwierigen Arbeitskampf bei den Tarifauseinandersetzungen um ein modernes Tarifrecht) die Tarifverhandlungen am grünen Tisch gelöst werden. Streik als wichtigstes Mittel des Arbeitskampfes gab es in den letzten Jahrzehnten kaum, im Gegensatz zu anderen Ländern wie etwa Frankreich oder Italien. Das liegt daran, dass sich in Deutschland der verhandlungsorientierte Ansatz bestens bewährt hat. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass eine verhärtete Politik der Arbeitgeber auch die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes zu einer strategischen Neuausrichtung zwingt.

Zwar wird auch zukünftig der bisherige verhandlungsorientierte Ansatz Priorität haben, aber die Gewerkschaften werden mit noch härteren Gegenpositionen der öffentlichen Arbeitgeber konfrontiert werden. Deshalb müssen sich die Gewerkschaften auch auf Arbeitskämpfe einstellen.

Besonderheiten des Öffentlichen Dienstes

Lässt sich in der Bundesrepublik schon eine gewisse Reserviertheit gegenüber Arbeitskämpfen im Allgemeinen feststellen, erhöht sich diese Skepsis noch im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen im Öffentlichen Dienst. Im Vorfeld der letzten Einkommensrunden wurde sogar die Ansicht vertreten, schon Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst seien eigentlich nicht rechtens; schließlich könnten sich im Bereich des Öffentlichen Dienstes die zwei Tarifpartner auf Kosten eines Dritten, des Steuerzahlers, einigen. Dieser Fehleinschätzung gilt es offensiv entgegenzutreten. Schließlich ist es so, dass ein Wirtschaftsunternehmen Gewinne erwirtschaften kann, die dann an die Mitarbeiter weitergegeben werden können. Hat die öffentliche Hand einmal Geld zu viel, gibt sie es entweder dem Steuerzahler zurück oder aber investiert es in öffentliche Projekte. Dies macht den Verteilungskampf um eine gerechte und angemessene Teilhabe der öffentlich Beschäftigten schwieriger als in der Privatwirtschaft. Hinzu kommt, dass sich die Öffentlichkeit beim Öffentlichen Dienst als Bürger und Steuerzahler persönlich betroffen fühlt.

Kommt es dann zum Arbeitskampf, wird die Einstellung der Öffentlichkeit noch kritischer. Zumal der Irrtum, im Öffentlichen Dienst dürfe doch eigentlich gar nicht gestreikt werden, weit verbreitet ist. Bei einem Streik in der Metallbranche lässt sich der Zeitung entnehmen, dass dies eventuell Folgen für die Volkswirtschaft haben mag. Bei einem der Müllabfuhr, des Krankenhauspersonals, der öffentlichen Verwaltung oder der Lehrerschaft ist jedermann unmittelbar und direkt im Alltag betroffen. Das mag einem möglichen Arbeitskampf zusätzliches Druckpotenzial verleihen, es setzt  seinen Erfolgsaussichten aber auch Grenzen, wenn es nicht gelingt, die Bevölkerung von der Berechtigung der durch einen Arbeitskampf zu erreichenden Ziele zu überzeugen.

Tarifauseinandersetzungen, Arbeitskampf und öffentliche Medien

Es gilt also: Ein Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst ist nur erfolgreich zu gestalten, wenn es gelingt, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Ziele der Arbeitnehmer des Öffentlichen Dienstes nicht im Widerspruch zu den Interessen der Bevölkerung stehen und absolut gerechtfertigt sind.  Wie eine Tarifauseinandersetzung und ggf. ein Arbeitskampf abläuft, sei im Folgenden kurz erläutert.

Stufen der Tarifauseinandersetzung und des Arbeitskampfes

Im Vorfeld und während der Tarifverhandlungen wird es also darum gehen, die Forderungen massiv und öffentlichkeitswirksam zu vertreten.

Diese Forderungen müssen durch Protestdemonstrationen mit großer Beteiligung unterstrichen werden. Das Recht zu demonstrieren ist durch die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit gewährleistet. Demonstrationen sind nicht genehmigungspflichtig, sondern nur bei der zuständigen Behörde anmeldepflichtig. Ihre Durchführung kann jedoch mit Auflagen versehen werden. Das Recht auf Demonstration haben entgegen dem Streikrecht auch Beamte*, die sich in der Freizeit den Streikenden anschließen können und außerhalb der Dienstzeit selbstverständlich auch an Demonstrationen teilnehmen können. Oftmals werden Protestdemonstrationen/-kundgebungen auch im Rahmen von (Warn-)Streiks durchgeführt, ggf. schon während der Tarifverhandlungen. Eine Mahnwache ist im rechtlichen Sinne ebenfalls eine Demonstration bzw. Kundgebung.

  1. Wenn die Tarifverhandlungen gescheitert sind, kommt es zum Schlichtungsverfahren. Hier wird versucht, mittels eines unbeteiligten Dritten eine Lösung in der Tarifauseinandersetzung zu erzielen.
  2. Bei der erneuten Aufnahme der Verhandlungen geht es darum, ob die Tarifparteien die Einigungsempfehlung annehmen  oder die Verhandlungen für gescheitert erklären.
  3. Im Falle des Scheiterns kommt es zu einer Urabstimmung und  ggf. zu einem Streikbeschluss.  Die Urabstimmung ist ein satzungsrechtliches Instrument, mit dem sich die Gewerkschaften der Streikbereitschaft vergewissern. 75% der Gewerkschaftsmitglieder müssen sich für den Streik aussprechen, damit der Vorstand den Streik beschließen kann.
  4. Dann erfolgt der Streik, also die gemeinsame, planmäßig durchgeführte Niederlegung der Arbeit durch eine größere Anzahl von Arbeitnehmern.
  5. Bei einer erneuten Wiederaufnahme der Verhandlungen ringen die Tarifparteien um eine Lösung.
  6. Über dieses Lösungsergebnis wird bei einer 2. Urabstimmung entschieden: Wenn 25 % der Gewerkschaftsmitglieder für das neue Verhandlungsergebnis stimmen, wird der Streik für beendet erklärt.

Ob und wann es zu einem Arbeitskampf kommt, wird im Öffentlichen Dienst nicht von einer Einzelgewerkschaft beschlossen, sondern im Gesamtverbund mit der dbb.tarifunion, die für alle Tarifbeschäftigten die unter den Tarifvertrag der Länder (TV-L) fallen, Tarifverhandlungen führt. Die dbb-tarifunion führt in der Tarifauseinandersetzung die Regie und wird in Absprache mit den Einzelgewerkschaften entscheiden, wie die Tarifauseinandersetzungen ablaufen. Dass es innerhalb des VBE Landesverbände gibt, die im Lehrerbereich einen bis zu 100% hohen Anteil Tarifbeschäftigter bei den Lehrern haben (vor allem in Ostdeutschland), ist deren Streikkraft ungleich stärker als bei uns in Baden-Württemberg. Unser Landesverband wird vor allem darin gefordert sein, in der Tarifauseinandersetzung mit massiven Protesten und Demonstrationen für die Forderungen einzutreten und sich notfalls an punktuellen Streiks zu beteiligen. Warum es in der nächsten Tarifrunde zu massiven Auseinandersetzungen bis hin zum Arbeitskampf kommen kann, liegt u.a. auch an der Verweigerungshaltung der Länder, den tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrern endlich eine gerechte Bezahlung zukommen zu lassen.

Die schlechte Bezahlung der tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer

Woher kommt es, dass angestellte Lehrerinnen und Lehrer gegenüber ihren verbeamteten Kolleginnen und Kollegen erheblich geringere Gehälter haben? Bei einer vollen Lehrerstelle beträgt der Unterschied beim Nettogehalt zwischen 500 – 900 Euro monatlich, unter Mitberücksichtigung der privaten Krankenversicherung der Beamten. Dies führt über Jahrzehnte gerechnet zu einem Einkommensunterschied von mehreren hunderttausend Euro. Es ist ein Skandal, dass Kolleginnen und Kollegen für genau dieselbe Arbeit jeden Monat abgestraft werden, bloß weil sie aus irgendeinem Grund nicht ins Beamtenverhältnis übernommen wurden. Dies verstößt nach Auffassung des VBE massiv gegen den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.

Im BAT (Bundesangestelltentarifvertrag), der 1961 in Kraft trat, lag das Bruttogehalt einer angestellten Lehrkraft um ca. sieben Prozent über dem Bruttogehalt vergleichbarer Beamter, das war damals der Arbeitnehmeranteil an der Rentenversicherung. Damit lagen Beamte und Angestellte  im gleichen Einkommensniveau. Die Höhe des Gehaltes orientierte sich an der Beamtenbesoldung, und so gab es keine Notwendigkeit, eine eigene Entgeltordnung für Lehrer zu bilden. Die Belastung der Angestellten mit Sozialabgaben ist aber seit dieser Zeit kontinuierlich und gewaltig gestiegen, so  dass sich im Laufe von Jahrzehnten die Einkommenskluft zwischen Angestellten und Beamten immer weiter vergrößerte.  So können bis heute die Länder als Arbeitgeber die Bezahlung über einseitig festgelegte Eingruppierungsrichtlinien festlegen. Grund- und Haupt/Werkrealschullehrer sind in der Entgeltgruppe 11 eingruppiert, Sonderschullehrer und Realschullehrer in Gruppe 13. Um eine annähernd gleiche Bezahlung zu erreichen, sollte die Regeleingruppierung aller akademisch qualifizierten Lehrkräfte in der Entgeltgruppe 14 erfolgen, wie es auch sonst in vielen anderen akademischen Berufen der Fall ist.

Weitere Verschlechterungen durch den TV-L

Dazu kam noch, dass November 2006 der BAT durch den Tarifvertrag der Länder (TV-L) abgelöst wurde. Damit wurde eine neue Tabellenstruktur eingeführt, die deutlich schlechter als die früheren BAT-Vergütungen war. Die neuen Tabellenentgelte liegen sogar unter dem Brutto vergleichbarer Beamte. Immerhin konnten die Gewerkschaften bei den Tarifverhandlungen 2006 erreichen, dass mit dem neuen Tarifrecht erstmals auch für angestellte Lehrkräfte ein Eingruppierungsvertrag abgeschlossen werden solle. Seit dieser Zeit setzen die Arbeitgeber auf Verzögerung und Verschleppung. Für fast alle Berufe ist es mittlerweile gelungen, eine eigene Entgeltordnung abzuschließen, die jetzt am 1.1. 2012 in Kraft trat (L-Entgeltordnung, abgekürzt Lego).  Lediglich für die Lehrkräfte gibt es bis dato noch keine Entgeltordnung. Es ist auch klar warum: Die Beschäftigtengruppe der Lehrer ist die Größte und würde bei einer entsprechenden Verbesserung die Länder einiges kosten. Aber Gerechtigkeit hat halt ihren Preis.

Bei der letzten Tarifauseinandersetzung setzten die dbb-tarifunion und der DGB alles daran, auch diese schmerzliche Lücke zu schließen. Im Gesamtverbund aller Gewerkschaften konnten die Lehrergewerkschaften ihre Forderung jedoch noch nicht durchsetzen. Das lag sicher auch daran, dass  den Nicht-Lehrer-Gewerkschaften das Gesamtergebnis der Tarifverhandlungen akzeptabel erschien.**  Mit umso größerer Entschlusskraft werden die Lehrergewerkschaften in der neuen Tarifrunde ihre Forderung einbringen und hoffentlich einen Einstieg in eine Lehrer-Entgeltordnung schaffen, der zu einer Verbesserung der tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer führen muss. Damit dies möglich wird, bedarf es einer Mobilisierung der gesamten Lehrerschaft (einschließlich der Beamten) bis hin zur Bereitschaft, notfalls einen Arbeitskampf durchzuführen. Dabei zählen die tarifbeschäftigten Kollegen auf die Beamtinnen und Beamten, die zwar nicht streiken dürfen, aber auf vielfältige andere Art und Weise ihre Kolleginnen und Kollegen unterstützen können.

Denn die Tarifergebnisse hatten in der Vergangenheit immer auch Signalwirkung für die Forderungen der Beamtinnen und Beamten. Meistens wurden die Ergebnisse auf die Beamten übertragen, manchmal zwar auch mit Abstrichen, so wie es die jetzige Landesregierung will. Trotzdem gilt der Grundsatz: Gute Tarifergebnisse für die Tarifbeschäftigten sind auch gute Nachrichten für die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen.

Deshalb hoffen die tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer auf die Solidarität ihrer verbeamteten Kolleginnen und Kollegen in der kommenden Tarifauseinandersetzung.

Nur gemeinsam sind wir stark.

*Beamte haben kein Arbeitskampfrecht und damit erst recht kein Streikrecht. Die Teilnahme eines Beamten an einem Streik stellt damit eine Dienstpflichtverletzung dar, die disziplinarrechtlich geahndet werden kann. Im Übrigen dürfen Beamte angeordnete Mehrarbeit, z.B. im Rahmen von durchzuführenden Notdienstzeiten, nicht verweigern. Sie sind gegebenenfalls auch zur Ableistung einer so genannten unterwertigen Tätigkeit verpflichtet. Beamte dürfen außerhalb von Notdienstzeiten jedoch nicht auf bestreikten Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Beamten steht es aber frei, sich in der Pause oder Freizeit den Streikenden anzuschließen, um ihre Solidarität zu bekunden. Die Teilnahme an Demonstrationen außerhalb der Dienstzeit steht auch Beamten zu.

**Hier nochmals zur Erinnerung die wichtigsten Tarifergebnisse vom März 2011. Der jetzige Tarifvertrag läuft bis Ende 2012.
2011: 360 Euro Einmalzahlung und ab 1. April 1,5% lineare Erhöhung.
2012: Ab dem 1. Jan. 1,9% lineare Erhöhung und darauf eine zusätzliche soziale Komponente von mtl. 17 Euro auf alle Gehaltstabellen.
Eine neue Entgeltordnung zum 1.1. 2012, die für viele Berufsgruppen Verbesserungen brachte, z.B. auch  für die Päd. Assistenten, die nun von E 6 nach E 8 höhergruppiert werden können.

Bernhard Rimmele, Referat Arbeitnehmer im VBE Baden-Württemberg