Stellungnahme des Sonderschulreferates des VBE- Baden-Württemberg zur Anhörungsfassung

Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg und anderer Vorschriften

Stand 06.03.15

Der VBE begrüßt, dass die Anhörungsfassung vorliegt und kann den wesentlichen Änderungen weitgehend zustimmen.

Uschi Mittag, Referat Sonderschule

Uschi Mittag, Referat Sonderschule

Bestätigend wurde vom VBE wahrgenommen, dass im Anhörungsentwurf deutlich wird, dass in Baden-Württemberg das Bildungsrecht für alle Schülerinnen und Schüler bereits gesichert ist – und damit die UN-Konvention erfüllt ist (vgl. S.29 3. Absatz; S.36 1. Absatz) – und dass weitergehende inklusive Entwicklungen sich auch an den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen orientieren.

Sorge des VBE ist seit vielen Jahren, dass durch fehlende finanzielle Mittel die Umsetzung gefährdet sein könnte. Für den VBE ist es weiterhin eine Selbstverständlichkeit und daher begrüßen wir es, dass im Einzelfall dem Wohl der jungen Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen Rechnung zu tragen ist (S.28, 3. Absatz) und dass sichergestellt sein muss, dass für ein Kind mit anerkanntem sonderpädagogischen Bildungsbedarf die notwendige personelle und sächliche Ausstattung zur Verfügung steht. (S. 32)

Den Wegfall der Sonderschulpflicht sieht der VBE in der Praxis längst als vollzogen an. Es ist dem VBE kein Fall bekannt, bei dem in den letzten 30 Jahren ein Kind zwangsweise in die Sonderschule gekommen wäre. Zielführend wird die Einschränkung des Elternwahlrechts vom VBE gesehen. Der Elternwille findet schon lange weitestgehende Berücksichtigung. In besonders gelagerten Fällen müssen Kinder und Lehrer geschützt werden. Der VBE ist sich sicher, dass dies nur in wenigen Ausnahmefällen der Fall sein wird.

Bedauerlich findet der VBE, dass die Verortung der Sonderschullehrer zwar einerseits auf freiwilliger Basis geschehen soll, andererseits aber die angekündigten zusätzlichen Inklusionsstellen für Sonderpädagogen ausschließlich an Regelschulen ausgeschrieben werden sollen. Dies stellt eine problematische Entwicklung dar. Besonders die Berufsanfänger benötigen unbedingt die Ankoppelung an die SBBZ. Es erscheint dem VBE mehr als fraglich, dass der Schulleiter einer Regelschule die Fachaufsicht angemessen ausüben kann.

Im Blick auf die verschiedenen fachlichen Voraussetzungen, die an der Regelschule benötigt werden, könnte dies einen Versetzungsmarathon auslösen, den niemand möchte. In Zeiten hoher Mobilität muss man damit rechnen, dass sich inklusive Gruppenzusammensetzungen ändern.Hinzu kommt, dass die SBBZ die Sonderschullehrerressourcen punktgenau und damit effektiv steuern können. Nicht jede inklusive Maßnahme braucht permanent einen Sonderschullehrer im Unterricht.

Weder nachvollzieh- noch vertretbar findet der VBE, dass die Besoldung der Sonderschulrektoren weiterhin im Ungleichgewicht bleiben soll. Sie orientiert sich immer noch an der Zahl der Schüler, die in den SBBZ betreut werden und nicht an der Zahl der Schüler, die insgesamt vom SBBZ betreut werden. Eine Ungleichbehandlung stellt die umgekehrte Inklusion dar: Wenn in inklusiven Settings die Mittel mit dem Kind wandern und es auch an der besuchten Schule statistisch gezählt werden soll, dann muss dies auch im umgekehrten Fall gelten. Es ist nicht abschließend geklärt, mit welchen Ressourcen diese Kinder beschult werden sollen.Die umgekehrte Inklusion ist mit mehreren Einschränkungen verbunden: Kinder dürfen nur aufgenommen werden, wenn Plätze frei sind, dh. erst wenn alle Kinder mit anerkanntem sonderpädagogischem. Bildungsbedarf einen Platz erhalten haben. Bei umgekehrter Inklusion zählen die Kinder ohne anerkannten sonderpädagogischem Bildungsbedarf nicht zum Klassenteiler und es dürfen keine zusätzlichen Klassen gebildet werden.

Daraus ergeben sich Belastungen für Eltern und Schulen. Bleibt zu hoffen, dass die Schulverwaltung ausreichende Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommt, damit sie im Prozess der Bildungswege-konferenzen dem Kindswohl dienende und dem Elternwunsch entsprechende Entscheidungen treffen können.

Um mit ICF zu sprechen, zeigen sich im Anhörungsentwurf viele fördernde, aber auch einige hemmende Faktoren. Die hemmenden Faktoren sollten im Sinne aller Schüler und LehrerInnen überarbeitet werden, um sowohl den Schülern mit, als auch den Schüler ohne sonderpädagogischem Bildungsbedarf gerecht werden zu können. Auch die Lehrkräfte benötigen dringend fördernde Faktoren, um ihren Auftrag positiv, qualifiziert, weiterhin engagiert und gesund ausführen zu können.

Uschi Mittag, VBE Referat Sonderschulen

Darf man sich auch im Verlauf des Jahres etwas wünschen?

Ich wünsche mir statt Polemik sachliche Antworten auf kritische Fragen. Es fällt mir in dieser Legislaturperiode immer wieder auf, dass auf rein sachliche Kritik reflexartige Angriffe erfolgen. Wer nicht unkritisch den politischen Vorgaben folgt, ist von vorgestern, greift an wo nur das Beste erreicht werden soll….

Wem nützt das? Aus meiner Sicht führt dies zu Politikverdrossenheit und zu innerer Abkehr.

Uschi Mittag, Referat Sonderschule

Uschi Mittag, Referat Sonderschule

Wem nützt es, wenn ständig alles hoch gelobt wird, was zu keinem Zeitpunkt evaluiert wurde? Soll dies dazu führen, den Glauben an die Sinnhaftigkeit der Veränderung der Schullandschaft zu stärken? Aus meiner Sicht wird dadurch eher das Gegenteil erreicht. Wir haben engagierte Kolleginnen und Kollegen, die aber nicht über unbegrenzte eigene Ressourcen verfügen. An einigen Schulen bemerke ich allgemeine Verunsicherung und Sorge, dem auf Dauer nicht gewachsen zu sein. Dies führt dauerhaft zu krankheitsbedingten Ausfällen. Daran kann niemandem gelegen sein. Schon jetzt ist der Krankenstand hoch.

Wem nützt es, wenn man Zusicherungen macht, die durch die Hintertür ad absurdum geführt werden. Ich spreche hier die Verortung der Sonderschullehrer an. Wenn man postuliert, dass man es den Sonderschullehrern überlässt, wo sie verortet werden wollen und gleichzeitig für Sonderschullehrer Stellen an Regelschulen ausschreiben möchte, dann steht dies im Widerspruch. Außerdem macht es wenig Sinn, den SBBZ langfristig die Flexibilität zu nehmen, die notwendig ist um mit den vorhandenen knappen Ressourcen effektiv umgehen zu können. Sonderpädagogik light und im Gießkannenprinzip nützt den betroffenen Kindern wenig.

Wo ist der Ausweg aus diesem Teufelskreis? Ich sehe ihn darin, dass man auf sachliche Kritik eine ehrliche, sachliche Antwort bekommt und wertschätzend mit den verschiedenen Sichtweisen umgeht. Alles andere ist nicht zielführend! Es ist doch klar, dass die Basis andere Erfahrungen macht wie sie theoretisch angedacht werden. Dies muss aber in stabile Ballance gebracht werden, sonst droht Chaos!

Uschi Mittag, Referat Sonderschule

Viele Fragen statt linearer, publizistischer Antworten.

Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen
Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen

Inklusive Beschulung wirft sehr viele Fragen auf. Lineare Antworten können nicht gegeben werden. Es geht dem Referat primär darum, pragmatische Wege der Umsetzung zu etablieren, die alle Kinder im Focus behalten und ihre möglichst optimale Förderung sichern.

Folgende Fragen müssen dabei reflektiert werden:

Welche Verbindlichkeiten gibt es bei der Schulwahl (noch)?

Welche Rechte haben Eltern behinderter und Eltern nicht-behinderter Kinder?

Welche Verantwortung und damit Pflichten hat die Landesregierung gegenüber der Schulverwaltung, die die Schulen beraten, begleiten, mit Ressourcen ausstatten muss?

Welche Pflichten hat der Schulträger?

Welche Verbindlichkeiten gehen die Schulen ein, wenn sie inklusiv arbeiten?

Wer garantiert, dass regelmäßig und objektiv evaluiert wird, wie die Leistungsentwicklung aller Kinder verläuft?

Kann man von Schulen realistischerweise verlangen, dass sich das Kollegium innerhalb eines Jahres so weit fortbildet, dass sie Kinder inklusiv beschulen können?

Wie soll das möglich sein?

Welche Fortbildungen müssen dafür angeboten und verbindlich besucht werden?

Wer überprüft dabei die Entscheidungsträger?

Zählt Ideologie mehr als pragmatisches Denken und die Sicht auf das einzelne Kind? Theorie mehr als Erfahrungen aus der Praxis?

Reicht ein Sonderschullehrer aus, um ein Berufsschulzentrum von mehr als 1400 Schülerinnen und Schülern sonderpädagogisch zu betreuen?

Können Gemeinschaftsschulen Schüler mit Anspruch auf ein Sonderpädagogisches Bildungsangebot ablehnen?

Von wem erhält der Sonderschullehrer Unterstützung, wenn er Schülerinnen und Schüler fördern muss, für deren Behinderungsart er nicht ausgebildet wurde?

Wie kann man verhindern, dass bei uns Verhältnisse wie in Hamburg, Berlin oder NRW um sich greifen? ( Schließen von Förderschulen, Mindestgrößenfestsetzung für SOS, fehlende Lehrkräfte…)

Wer garantiert, dass Sonderschullehrer, die inklusiv arbeiten, ausschließlich zur Erfüllung sonderpädagogischer Aufgabenbereiche an den Regelschulen eingesetzt werden?

Wer garantiert den inklusiv beschulten Kindern, dass sie dauerhaft an der Regelschule bleiben dürfen?

Wer überprüft, ob alle Kinder gleichberechtigt am Unterricht teilhaben können und ob alle die ihnen zustehende Förderung erhalten?

Was geschieht in inklusiven Klassen, wenn der Sonderschullehrer oder der Klassenlehrer ausfällt?

Woher sollen die notwendigen Sonderschullehrer kommen?(Wir haben in BW schon lange den Mangel verwaltet. Die Sonderschulen waren selten zu 100% versorgt, nicht selten bis zu 50% mit GHS-Lehrkräften!)

Mit welchen zeitlichen Ressourcen soll die Schulverwaltung bei ständigem Personalabbau die inklusiven Kinder gut begleiten, immer mehr inklusive Beschulungsmöglichkeiten einrichten, Eltern professionell beraten und für jedes Kind Bildungswegekonferenzen durchführen?

Wie soll der erhöhte Ressourcenbedarf – sowohl der Lehrkräfte als auch der Schulverwaltung – dauerhaft finanziert werden?

Wie werden die Deputate verändert, um dem erhöhten Beratungsbedarf und den ständig wachsenden Aufgabenfeldern (Inklusion, Informationsabende, zusätzliche Teambesprechungen, Weiterbildungen, Ausweitung der Frühförderung auf 0-3-jährige) gerecht werden zu können? Alles wie gehabt? Alles zusätzlich?

Wann werden die Verantwortlichkeiten der verschiedenen Leistungs- und Kostenträger (Schule / Jugendämter / Eingliederungshilfe / Krankenkasse / Schulträger) eindeutig geregelt sein, um den Kindern die notwendigen Hilfen garantieren zu können?

Fragen über Fragen – weit und breit keine zufriedenstellenden Antworten. Ich frage mich, wohin das führen soll? Dies hat nichts damit zu tun, ob man Inklusion positiv oder negativ gegenübersteht. Es sind Fragen, die die Kollegien umtreiben, die vor Ort in der Verantwortung stehen und die permanent – trotz übermäßigem Einsatz – an ihre Grenzen stoßen.

Krankmachende Arbeitsbedingungen kann sich Baden-Württemberg dauerhaft nicht leisten, genausowenig wie sinkende Leistungsergebnisse der Schülerinnen und Schüler als Resultat nicht geklärter und damit nicht gesicherter Rahmenbedingungen.

VBE: Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren stärken

Die Referatsleiterin Sonderschulenim Verband Bildung und Erzie­hung (VBE), Uschi Mittag, wirbt dafür, die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszent­ren (SBBZ) zu stärken und nicht durch Abzug von Lehrkräften zu schwächen.

Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen
Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen

„Es soll den Sonderpädagogen nicht langweilig werden“, sagt die VBE-Referatsleiterin, Uschi Mittag. So sollen Änderungen durchgesetzt werden, über die sonderpädagogische Fachleute nur den Kopf schütteln. „Aktuell wird diskutiert, Sonderpädagogen, die mehr als einen halben Lehrauftrag im Rahmen inklusiver Maßnahmen an Regelschulen ver­bringen, an diese zu versetzen“, entsetzt sich Uschi Mittag. Wichtiger sei, die sonder­pädagogischen Kompetenzen der Lehrer zu stärken, das Fachwissen auszubauen und nicht, sie zu vereinzeln, indem man sie wegversetzt. Sonderpädagogik im Gießkannen­prinzip sei keinesfalls sinnvoll, so Mittag. Sonderpädagogische Kompetenz zeichne sich durch hohe Systemkenntnis, durch Netzwerkkompetenz und flexible, subsidiäre und häufig zeitlich befristete Intervention, Beratung und Begleitung aus. Dies sei bei einer Versetzung an Regelschulen nicht mehr möglich, so die VBE-Referatsleiterin.

Die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) müssen als quali­fizierte Einrichtungen allen zur Verfügung stehen. Sonderschullehrer sind auf den fach­lichen Austausch untereinander angewiesen. In der Regel arbeiten an den SBBZ Son­derpädagogen mit unterschiedlichen Fächerkombinationen zusammen und können sich gegenseitig fachlich unterstützen und beraten.

„Die Zahl der Eltern, die ihr Kind bewusst an Sonderschulen anmelden, nimmt eher zu als ab“, versichert Mittag. Es habe sich herumgesprochen, dass intensive sonderpäda­gogische Förderung den Kindern meist die notwendige Stabilität verleihen könne, die sie für ihr berufliches Weiterkommen benötigten. Trotzdem sollten auch diese Kinder vermehrt an inklusiven Maßnahmen teilhaben – außerhalb des Unterrichts.

Grundvoraussetzung sei, so Mittag, dass sich das Kind wohl fühle und Erfolgserleb­nisse habe. Schüler mit kognitiven Defiziten benötigten mehr Unterstützung und Anlei­tung durch die Lehrkraft als leistungsstärkere Kinder. Sonderpädagogen, die die Fähig­keiten eines Supermanns besitzen, gebe es leider nicht. Deren Ressourcen und Kräfte haben eindeutig Grenzen.

Der Erhalt der hohen Qualität der SBBZ und damit der sonderpädagogischen Förde­rung ist notwendig, um mit den vorhandenen Ressourcen effektiv arbeiten zu können. „Wenn man den SBBZ Ressourcen entzieht, würde es zu nicht absehbaren Qualitäts­verlusten kommen“, mahnt die VBE Referatsleiterin.

Achterbahn, oder konstruktive Schulentwicklung?

Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen
Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen

Es soll den Sonderpädagogen nicht langweilig werden. Ständig sollen Änderungen durchgesetzt werden, über die die sonderpädagogischen Fachleute nur den Kopf schütteln können. Hatte man gedacht, dass endlich Ruhe einkehren könnte, war dies  ein Irrtum. Aktuell neu wird diskutiert, Sonderpädagogen, die mehr als einen halben Lehrauftrag im Rahmen inklusiver Maßnahmen an Regelschulen verbringen, an diese zu versetzen. Wer kommt auf so eine Idee? Es geht darum, die sonderpädagogischen Kompetenzen der Lehrer zu stärken, das Fachwissen auszubauen und nicht, sie zu vereinzeln. Sonderpädagogik im Gießkannenprinzip macht keinen Sinn. Sonderpädagogische Kompetenz zeichnet sich durch hohe Systemkenntnis, durch Netzwerkkompetenz und fleixibel, subsidiäre – und häufig zeitlich befristete Intervention und Beratung und Begleitung aus. Dies ist bei einer Versetzung an Regelschulen nicht mehr möglich. Ressourcen könnten nicht mehr punktgenau zum Einsatz kommen.

Die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, müssen als qualifizierte Beratungszentren allen zur Verfügung stehen. Dafür brauchen die Lehrkräfte die Verortung vor Ort. Sie sind auf den fachlichen Austausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen angewiesen. In der Regel arbeiten an den SBBZ Sonderpädagogen mit unterschiedlichen Fächerkombinationen zusammen und können sich daher gegenseitig fachlich unterstützen und beraten. Außerdem – und dies ohne zu klagen und zu jammern, oder gar um die eigenen Pfründe retten zu wollen – haben die Sonderpädagogen weiterhin die Verantwortung für die Kinder, die an den Sonderschulen gefördert werden.

Die Zahl der Eltern, die ihr Kind bewusst an Sonderschulen anmelden, nimmt eher zu als ab. Es hat sich herumgesprochen, dass die intensive sonderpädagogische Förderung den Kindern meist die notwendige Stabilität verleihen kann, die sie für ihr berufliches Weiterkommen benötigen. Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen, auch diese Kinder sollen vermehrt an inklusiven Maßnahmen – außerhalb des Unterrichts – teilhaben.
Es geht hier nicht um Ideologie – es geht um den verantwortlichen Um-gang mit dem Wohl des Kindes. Wer glaubt, dass es zielführender ist, wenn man Kinder möglichst  lange gemeinsam den Unterricht besuchen lässt – egal wie es ihnen dabei geht –  der hat irgend etwas nicht verstanden, oder verfügt schlicht nicht über ausreichende sonderpädagogische Kenntnisse und Erfahrenswerte. Man weiß, welche Faktoren förderlich und welche hinderlich beim Lernfortschritt sind. Grundvoraussetzung ist, dass sich das Kind wohl fühlt und Erfolgserlebnisse hat. Klingt simpel, ist aber von elementarer Bedeutung. Man weiß, dass Kinder mit kognitiven Defiziten, mehr Unterstützung und Anleitung durch die Lehrkraft brauchen, als leistungsstärkere Kinder. Sonderpädagogen, die die Fähigkeiten eines Superman besitzen, gibt es leider nicht. Auch ihre Ressourcen und Kräfte haben Grenzen. Sie sollten möglichst effektiv zum Wohle der Kinder eingesetzt werden.

Die hohe Qualität der Arbeit in der sonderpädagogischen Beratung, im Un- terricht und in der Diagnostik kann man nicht einfach an Schulen abordnen. Die sonderpädagogischen Ressourcen müssen passgenau zum Einsatz kommen, sonst droht eine deutliche Verschlechterung der Unterstützungsmöglichkeiten, die die Kinder und Jugendlichen mit dem Anspruch auf sonderpädagogische Förderung dringend brauchen.

Es gibt viele private Sonderschulen in Baden-Württemberg. Man kann Lehrer staatlicher Schulen aber nicht an Privatschulen abordnen. Das ist dienstrechtlich nicht vorgesehen.

Der VBE weist die Verantwortlichen im Kultusministerium ausdrücklich auf diese Zusammenhänge hin. Der Erhalt der hohen Qualität der SBBZ und damit der sonderpädagogischen Förderung ist notwendig, um mit den vorhandenen Ressourcen effektiv arbeiten zu können. Wenn man den SBBZ Ressourcen entzieht, würde es zu nicht absehbaren Qualitätsverlusten kommen und die passgenaue Vorgehensweise erschweren. Das will niemand!
Lit. VDS 1/14 Pädagogische Impulse S.8-9

Die Rechte aller Kinder müssen vorrangig beachtet werden!

Welche Rechte nimmt man einem Kind, wenn man es in eine Situation bringt, die seinen Bedürfnissen nicht entspricht?

Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen
Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen

Bitte versetzen Sie sich in folgende Situation: Sie sind zu Gast in einem Kreis von hochkarätigen Theologen / Medizinern / Politikern … . Sie unterhalten sich, es fallen Begriffe und Namen von denen Sie noch nie etwas gehört haben. Sie können der Unterhaltung inhaltlich nicht folgen, obwohl Sie sich sehr anstrengen. Langsam aber sicher wächst bei Ihnen die Angst, dass Sie in das Gespräch einbezogen werden – aber nicht angemessen antworten können. Nach einiger Zeit schalten Sie innerlich ab, da Sie so und so nicht verstehen, worüber gesprochen wird. Der Abstand zwischen Ihnen und den anderen Gesprächsteilnehmern wird immer größer … .

Ähnlich erging es mir bei einem Aufenthalt in Amerika. Ich war im Rahmen eines Angebotes für Lehrer – „Teachers visit USA“ – vier Wochen in Arizona und Kalifornien. Als ich ankam wurde ich von einer mir fremden Frau abgeholt. Sie begrüßte mich, redete auf mich ein, erwartete eine Antwort, die ich ihr leider meist schuldig bleiben musste, da ich ihren Slang kaum verstand.
Ich habe an mir beobachtet, dass ich mich anfangs bemühte, sie zu verstehen, aber nach kurzer Zeit abgeschaltet habe. Es hat mich schlicht überfordert. Der Körper zieht dann die innere Notbremse.

So oder ähnlich muss es Kindern gehen, die in einem Lernumfeld sind, das nicht ihren Bedürfnissen entspricht. Ist es Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Kinder mit einer mentalen Beeinträchtigung bereits im Kindergarten meist mit viel jüngeren Kindern spielen und ihre Lieblingsspiele und -spielsachen nicht altersentsprechend sind? Woran das wohl liegen mag? Haben Sie schon beobachtet, dass diese Kinder sich in der Schule gern dasselbe Arbeitsblatt mehrfach holen? Sie brauchen die Sicherheit, dass sie es schaffen können. Eine Umgebung, in der alle anderen mehr leisten können, wirkt sich auf ihren Lernwillen negativ aus. Ich habe jede Menge Kinder erlebt, die leider erst viel zu spät und damit entmutigt in die Förderschule kamen.

Aus meiner Sicht ist es ein menschliches Grundbedürfnis, dass man mit Menschen zusammen ist, denen man auf Augenhöhe begegnen kann. Der Mensch braucht den zwischenmenschlichen Austausch. Man möchte verstanden werden. Man möchte Aufgaben anpacken, die man schaffen kann.
Die Forderung, die der VBE immer wieder wiederholt ist, dass bei allen pädagogischen Entscheidungen, das Kind mit seinen individuellen Bedürfnissen handlungsleitend sein muss. Wir müssen weg von einer ideologischen Sichtweise hin zu einer pragmatischen, die die finanziellen und sächlichen Ressourcen von Anfang an in die Entscheidung einbezieht. Mit Wunschdenken ist niemandem gedient, am allerwenigsten den Kindern. Der VBE setzt sich für die Umsetzung der UN-Konvention ein. Dabei muss das Kindswohl aller Kinder handlungsleitend sein. Um die Umsetzung der UN-Konvention geht es doch, oder habe ich etwas falsch verstanden?