Die Rechte aller Kinder müssen vorrangig beachtet werden!

Welche Rechte nimmt man einem Kind, wenn man es in eine Situation bringt, die seinen Bedürfnissen nicht entspricht?

Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen
Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen

Bitte versetzen Sie sich in folgende Situation: Sie sind zu Gast in einem Kreis von hochkarätigen Theologen / Medizinern / Politikern … . Sie unterhalten sich, es fallen Begriffe und Namen von denen Sie noch nie etwas gehört haben. Sie können der Unterhaltung inhaltlich nicht folgen, obwohl Sie sich sehr anstrengen. Langsam aber sicher wächst bei Ihnen die Angst, dass Sie in das Gespräch einbezogen werden – aber nicht angemessen antworten können. Nach einiger Zeit schalten Sie innerlich ab, da Sie so und so nicht verstehen, worüber gesprochen wird. Der Abstand zwischen Ihnen und den anderen Gesprächsteilnehmern wird immer größer … .

Ähnlich erging es mir bei einem Aufenthalt in Amerika. Ich war im Rahmen eines Angebotes für Lehrer – „Teachers visit USA“ – vier Wochen in Arizona und Kalifornien. Als ich ankam wurde ich von einer mir fremden Frau abgeholt. Sie begrüßte mich, redete auf mich ein, erwartete eine Antwort, die ich ihr leider meist schuldig bleiben musste, da ich ihren Slang kaum verstand.
Ich habe an mir beobachtet, dass ich mich anfangs bemühte, sie zu verstehen, aber nach kurzer Zeit abgeschaltet habe. Es hat mich schlicht überfordert. Der Körper zieht dann die innere Notbremse.

So oder ähnlich muss es Kindern gehen, die in einem Lernumfeld sind, das nicht ihren Bedürfnissen entspricht. Ist es Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Kinder mit einer mentalen Beeinträchtigung bereits im Kindergarten meist mit viel jüngeren Kindern spielen und ihre Lieblingsspiele und -spielsachen nicht altersentsprechend sind? Woran das wohl liegen mag? Haben Sie schon beobachtet, dass diese Kinder sich in der Schule gern dasselbe Arbeitsblatt mehrfach holen? Sie brauchen die Sicherheit, dass sie es schaffen können. Eine Umgebung, in der alle anderen mehr leisten können, wirkt sich auf ihren Lernwillen negativ aus. Ich habe jede Menge Kinder erlebt, die leider erst viel zu spät und damit entmutigt in die Förderschule kamen.

Aus meiner Sicht ist es ein menschliches Grundbedürfnis, dass man mit Menschen zusammen ist, denen man auf Augenhöhe begegnen kann. Der Mensch braucht den zwischenmenschlichen Austausch. Man möchte verstanden werden. Man möchte Aufgaben anpacken, die man schaffen kann.
Die Forderung, die der VBE immer wieder wiederholt ist, dass bei allen pädagogischen Entscheidungen, das Kind mit seinen individuellen Bedürfnissen handlungsleitend sein muss. Wir müssen weg von einer ideologischen Sichtweise hin zu einer pragmatischen, die die finanziellen und sächlichen Ressourcen von Anfang an in die Entscheidung einbezieht. Mit Wunschdenken ist niemandem gedient, am allerwenigsten den Kindern. Der VBE setzt sich für die Umsetzung der UN-Konvention ein. Dabei muss das Kindswohl aller Kinder handlungsleitend sein. Um die Umsetzung der UN-Konvention geht es doch, oder habe ich etwas falsch verstanden?

Rechtliche Stellung der Schulsozialarbeit

Dr. Chritoph Wolk, Mitglied im VBE Landesvorstand
Dr. Chritoph Wolk, Mitglied im VBE Landesvorstand

An vielen Schulen gibt es Schulsozialarbeit. Die Tätigkeit der Schulsozialarbeiter wird in aller Regel für hilfreich und gewinnbringend erachtet. Immer wieder gibt es aber auch Fragen zur jeweiligen Zuständigkeit von Schulleitung, Lehrern und Schulsozialarbeit.

Zum schulischen Fall:
Die Schulsozialarbeiterin einer Schule vermittelt nach einem Gespräch mit einer Schülerin dieses Mädchen an das Jugendamt, weil sie die Notwendigkeit einer Inobhutnahme durch das Jugendamt sieht. Die Schulsozialarbeiterin informiert dabei nicht die Klassenlehrerin und auch nicht den Schulleiter. Die Schulsozialarbeiterin holt dieses Mädchen auch aus dem Unterricht, damit es ein Telefongespräch mit der Vertreterin des Jugendamtes führt. Auch hierüber werden die Klassenlehrerin und der Schulleiter nicht informiert.

Tage später wird der Schulleiter mit der Sache konfrontiert, weil die Mutter des Mädchens die Inobhutnahme nicht akzeptiert und jetzt mit Hilfe einer Rechtsanwältin unter anderem gegen die Schule vorgeht. Die Mutter bzw. die Rechtsanwältin werfen der Schulleitung vor, die Mutter sei von der Schule nicht informiert worden. Die Schule habe durch die Schulsozialarbeiterin mit zu verantworten, dass die Mutter ihr Kind nicht mehr habe. Die Schule habe das Vertrauen der Erziehungsberechtigten unmittelbar missbraucht.

Die Schulsozialarbeiterin teilt auf Nachfrage dem Schulleiter mit, dass sie gegenüber dem Schulleiter der Schweigepflicht unterliege. Sie werde im vorliegenden Fall und auch in Zukunft dem Schulleiter keine Informationen zu vertraulichen Gesprächen mit Schülern geben. Der Schulleiter bekommt von der Schulsozialarbeiterin folglich keine Informationen im vorliegenden Fall. Der Schulleiter muss gegenüber der Mutter bzw. der Rechtsanwältin Stellung nehmen, ohne dass er in den Fall involviert ist.

Zur rechtlichen Bewertung des Falles:
Aus der Kollision von dienstlichem Betrieb und standesrechtlichen Vorgaben ergibt sich im voranstehenden Fall teilweise eine Interessenkollision, die zu ertragen ist.

Der Schulleiter ist nicht Dienstvorgesetzter der Schulsozialarbeiterin, hat aber eine Weisungsbefugnis im Rahmen seiner Verantwortung für einen geordneten Schulbetrieb. Da die Schulsozialarbeiterin Bedienstete des Schulträgers ist, gilt § 41 Abs. 3 SchG unmittelbar. Das bedeutet, dass der Schulleiter der Schulsozialarbeiterin gegenüber in allen Fragen, die den ordnungsgemäßen Schulbetrieb be-treffen, ein unmittelbares Weisungsrecht hat.

Die Frage, wann ein Gesprächstermin der Schulsozialarbeiterin mit einer Schülerin stattfindet oder eben wegen der unterrichtlichen Situation gerade nicht stattfindet, fällt daher in den von diesem Weisungsrecht abgedeckten Bereich. Nicht zu diesem Bereich hingegen gehören Tätigkeiten der Schulsozialarbeiterin, bei denen sie ihrer eigentlichen Aufgaben der Jugendwohlfahrt nachgeht.

Die Schulsozialarbeiterin hat gegenüber dem Schulleiter und den Lehrern ein Schweigerecht und sogar eine berufsständische Schweigepflicht. Die Schweigepflicht beschränkt sich nicht nur auf konkrete Inhalte von Gesprächen mit Schülern bzw. dem Jugendamt, sondern auch auf das „Ob“ eines Tätigwerdens, wenn die Schulsozialarbeiterin auf eigene Initiative in einem Einzelfall tätig geworden ist. Im Rahmen ihrer Tätigkeit kann die Schulsozialarbeiterin bei konkreten Einzelfällen, die von ihr betreut werden, eigenverantwortlich Kontakte zum Jugendamt herstellen. Sie benötigt hierzu nicht die Zustimmung des Schulleiters. Die Schulsozialarbeiterin hat aber nicht die Kompetenz, Schüler ohne Genehmigung des Schulleiters aus dem Unterricht für Gespräche aller Art zu holen (siehe oben).

Der Schulleiter hat im Sinne der oben thematisierten Weisungsbefugnis auch die Möglichkeit, die Schulsozialarbeiterin verbindlich auf bestimmte Schüler oder Schülergruppen anzusetzen. Die unmittelbare Zuständigkeit in unterrichtlichen und pädagogischen Fragen in Bezug auf die Schüler liegt zunächst bei den Lehrern bzw. der Schulleitung. Diese können neben anderen Instanzen auch die Schulsozialarbeit zur Beratung und Unterstützung heranziehen.

Die einzelnen Schüler oder deren Eltern können sich neben den Lehrern und der Schulleitung auch an die Schulsozialarbeit wenden. Sollen solche Schülergespräche innerhalb der Unterrichtszeit stattfinden, bedarf dies der Zustimmung der Lehrer bzw. der Schulleitung.

Es ist ratsam, zusammen mit der Vertretung der Schulsozialarbeit die jeweiligen Zuständigkeiten und Verfahrensabläufe genau zu definieren.

Nicht nur Lehrkräfte, auch Kultusbeamte können von der Wirtschaft lernen

Noch gut kann ich mich an eine Forderung unseres Kultusministers aus dem letzen Sommer erinnern, nach der wir Lehrer doch bitte in unserer unterrichtsfreien Zeit Praktika in Unternehmen machen sollen, damit wir – und das war die deutliche Konnotation des Vorschlags – nicht ganz so weltfremd bleiben. Ich habe das damals so verstanden, dass wir als lehrendes Personal doch unbedingt über unseren Tellerrand hinausschauen und von Abläufen aus der Wirtschaft lernen sollen, um unseren (begrenzten) Horizont zu erweitern.

Johannes Knapp, Vorsitzender des VBE-Kreisverbandes Stuttgart
Johannes Knapp, Vorsitzender des VBE-Kreisverbandes Stuttgart

Sie werden sich eventuell fragen, warum ich Ihnen das an dieser Stelle erzähle? Nun ja – hinlänglich ist bekannt, dass das baden-württembergische Bildungssystem vor großen Umbrüchen und Herausforderungen steht. Nicht zuletzt durch den demografischen Wandel und den Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung stehen viele Werkrealschulen vor dem unmittelbaren Aus. Viele Werkrealschulkollegen werden bereits im kommenden Schuljahr an einer anderen Schulart unterrichten (müssen) – sei es, dass sie in den Grundschulbereich wechseln, an eine Realschule oder an eine berufliche Schule oder ein Gymnasium abgeordnet werden. Dieser Schulartenwechsel stellt für die allermeisten Kollegen eine grundlegende berufliche Neuorientierung dar, die auch mit Unsicherheiten verbunden sein kann.

So klappt gute Personalplanung und Entwicklung
Vor diesem Hintergrund habe ich mir die Forderung unseres Kultusministers aus dem letzten Sommer, wonach wir Lehrkräfte uns einiges aus der realen Wirtschaft abschauen können, zu Herzen genommen und mich bei einem Freund, der Personalreferent bei einer renommierten Bank ist, erkundigt, wie denn solche Veränderungsprozesse bei Ihnen ablaufen. Er hat mir also davon berichtet, dass sein Unternehmen grundsätzlich an einer vorausschauenden Personalplanung und Entwicklung interessiert ist, die den Betroffenen ein hohes Maß an Transparenz bietet. In der konkreten Umsetzung sieht das so aus, dass möglichst frühzeitig der Mitarbeiter, der eine veränderte Aufgabe in einem anderen Geschäftsbereich zukünftig erhalten wir, in diesen Prozess mit einbezogen wird. Fester Bestandteil ist ein Entwicklungsgespräch mit der Personalabteilung, in dem gemeinsam mit dem Mitarbeiter ein individueller Fortbildungsplan ausgearbeitet wird, der ihn optimal auf die zukünftige Tätigkeit vorbereitet. Ganz selbstverständlich finden diese Fortbildungsmaßnahmen während der Arbeitszeit statt.

Gelernt habe ich in dem Gespräch mit meinem Freund also Folgendes. Eine sinnvolle Personalplanung und Entwicklung erfordert Voraussicht, Transparenz und – ganz zentral – gezielte aufeinander abgestimmte Fortbildungsmaßnahmen.

Wenn ich nun den Transfer des Gelernten auf unseren schulischen Bereich versuche, komme ich doch sehr ins Stocken. Auf den Bereich Voraussicht und Transparenz möchte ich hier gar nicht eingehen, da ich mich sonst in Rage schreiben würde beim Nachdenken darüber, was in der Vergangenheit hier nicht geklappt hat. Nur so viel – der demografische Wandel steht schon seit Langem fest und um die Folgen des Wegfalls der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung absehen zu können, bedurfte es auch keiner übersinnlichen Fähigkeiten.

Gutes Personal braucht gute Fortbildungen
Ich möchte an dieser Stelle den Blick lieber in die Zukunft richten, als mich über Vergangenes zu ärgern. Mehrfach hat mein Personalreferenten-Freund betont, wie zentral und wichtig eine gute Vorbereitung auf eine künftige Stelle ist. Und die geht nun mal zumeist nur über passende, qualitätsvolle und langfristige Fortbildungsmöglichkeiten.

Im zentralen Fortbildungsverzeichnis des Landes kann ich aber nur ein konkretes Fortbildungsangebot für „Schulartenwechsler“ entdecken: „Von der Werkrealschule an die Grundschule gewechselt – und nun?“ Bei dieser Veranstaltung des Staatlichen Schulamtes Mannheim soll in gut 2,5 Stunden auf diese Frage eine Antwort gefunden werden. Allerdings braucht es für Kollegen, die beispielsweise mehr als 10 Jahre an der Sekundarstufe unterrichtet haben, für den Wechsel an die Grundschule mehr als nur punktuelle Fortbildungen – da bedarf es eines Programms, das psychologisch-pädagogische sowie fachliche Gesichtspunkte der einzelnen Fächer (Didaktik, Bildungsplan, …) der Schulart, an die gewechselt wird, berücksichtigt und – das ist zentral – auf die einzelne Lehrkraft abgestimmt ist sowie als Angebot unterbreitet wird. Denn nicht jeder bringt die gleiche Ausgangssituation mit und benötigt das gleiche Fortbildungspensum. Indes halte ich es für unbedingt geboten, dass unser Arbeitgeber solche Angebote bereithält. Hierbei stellt sich natürlich auch zwingend die Frage, wie die Kollegen während dieser Fortbildungszeit entlastet werden können. Es kann nämlich nicht sein, dass auf das normale Unterrichtspensum ein zusätzliches Fortbildungspensum einfach aufgesetzt wird. Hier braucht es eine klare Regelung, die es den Betroffenen ermöglicht, auch während der Unterrichtszeit diese Fortbildungen zu besuchen. Und wie gesagt, geht es nicht um einzelne Fortbildungsmaßnahmen, die für die allermeisten Lehrkräfte sowieso selbstverständlich sind, sondern um eine kontinuierliche Vorbereitung auf die kommende Aufgabe.

Und wieder fehlt das liebe Geld
Grundsätzlich habe ich mich gefragt, warum es denn solche Fortbildungsangebote (noch) nicht gibt. Und hier kommt wieder mein befreundeter Personaler ins Spiel. Nach seinen Worten sind Fortbildungsprogramme eine sehr kostenintensive Angelegenheit besonders dann, wenn sie individuell geplant und auf den einzelnen zugeschnitten werden. Böse Zungen könnten an dieser Stelle behaupten, dem Land sind seine Lehrer eh schon teuer genug (siehe verzögerte Tariferhöhungen, massive Einsparungen bei Junglehrern, Kürzungen bei der Beihilfe …), dann braucht es nicht noch teure Fortbildung. Aber zurück zu der Forderung unseres Kultusministers, von Wirtschaftsunternehmen zu lernen. Auf meine Frage, warum denn die Bank so viel in die Fort- und Weiterbildung ihres Personals investiere, bekam ich die Antwort: „Gute Vorbereitung auf eine neue Stelle durch Fortbildung steigert die Motivation, Zufriedenheit und Kompetenz unserer Leute. Und gutes Personal bringt richtig Rendite – und das kommt wiederum unserem Unternehmen zu Gute.“

Die Rendite in unserem schulischen Bereich ist eine gute Bildung unserer Schüler/-innen. Wenn ich – in Wirtschaftssprache – diese Rendite steigern will, dann muss ich eben auch in die Fortbildung meines Personals investieren. Und eine solche Personalplanung ließe sich sicher auch von den Führungskräften des Kultusministeriums in einem Praktikum im Personalwesen eines Wirtschaftsunternehmens lernen.

VBE: Vom Klassenzimmer zum Lernatelier

Mit der Gemeinschaftsschule hat eine neue Begrifflichkeit Einzug gehalten

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht mit einer gewissen Sorge, dass sich durch die Einführung der Gemeinschaftsschule auch die Begrifflichkeit des pädagogischen Vokabulars gewandelt hat, und Eltern zuweilen nicht verstehen, was ihre Kinder meinen, wenn sie von der Schule berichten. Hier sei noch viel behutsame Aufklärungsarbeit notwendig, so der VBE-Sprecher, da­mit nicht allein durch Verständnisprobleme eigentlich unnötige Ängste geschürt werden.

In Peter Bichsels Kurzgeschichte „Ein Tisch ist ein Tisch“ gibt der Protagonist, ein alter Mann, den Dingen neue Namen und glaubt, dass sich dadurch alles ändern werde. Das sei, so der Autor, jedoch keine lustige Geschichte, sondern eine traurige. Denn zum Schluss macht es dem alten Mann Angst, mit den Leuten zu sprechen, weil er sie nicht mehr verstehen kann, und auch die Leute ihn nicht mehr verstehen.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig
Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Wenn Eltern ihre Kinder, die heute in Gemeinschaftsschulen gehen, reden hören, ver­stehen auch sie so manches nicht mehr und benötigten eigentlich ein Glossar, um die gängigsten Begriffe dieser neuen Schulart richtig einordnen zu können. So halten sich die Schüler nicht mehr in einem Klassenzimmer auf, sondern in einem „Lernatelier“ oder in einem Lernbüro, wo ihnen Lernprojekte angeboten werden. Der Lehrer nimmt als Experte für fachliche Fragen die Rolle des „Lernbegleiters“ ein und initiiert bezie­hungsweise organisiert die „Lernprozesse“ der Schüler. Er schlüpft auch in die Rolle des „Lerncoachs“ und berät die „Lerner“ zu Fragen im Zusammenhang mit der indivi­duellen Lernentwicklung oder dem Erwerb personaler, sozialer und methodischer Kom­petenzen. Er steuert das kooperative Lernen und das differenzierte Arbeiten etwa mittels spezifischer Lernspiralen (nach Klippert).

Frontalunterricht wird durch „Inputphasen“ für die gesamte Lerngruppe – vormals Klasse – oder auch nur für einzelne Lerner abgelöst. Gemeinsame Klassenarbeiten mit herkömmlicher Notengebung werden nicht mehr geschrieben, sondern die auf drei Ni­veaustufen erworbenen Kompetenzen in Kompetenzrastern dokumentiert. Manche be­kannte Begriffe bekommen eine neue Bedeutung: so dürfen Schüler offiziell „Spick­zettel“ mit einer stark begrenzten Anzahl von Wörtern anfertigen, um für sich den Lern­stoff im Vorfeld klar zu strukturieren. Es wäre schade, wenn durch eine Überfrachtung mit zu vielen neuen Begrifflichkeiten das enorme Engagement der Lehrkräfte an Ge­meinschaftsschulen torpediert werden würde, so der VBE-Sprecher.

Sonderschulen leisten hervorragende Arbeit zur Integration

VBE hat kein Verständnis für eine Demontage dieser Schulart

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat kein Verständnis für die ständi­gen Angriffe auf die Sonderschule als eine Art „Aussonderungseinrichtung“. Die unterschiedlichen Sonderschulen sind nach Auffassung des VBE sehr gut aufge­stellt. Ein Überwechseln der Kinder auf eine Sonderschule ist kein Aussortieren oder Abschieben, wie es von Gegnern dieser Schulart gerne behauptet wird.

Der VBE hält eigenständige Sonderschulen auch nach der UN-Konvention weiterhin für erforderlich, solange schon allein aufgrund der schlechteren räumlichen, sächli­chen und personellen Ausstattung der Regelschulen nicht alle Kinder dort optimal ge­fördert werden können und in viel zu großen Klassen „untergehen“ würden.

Die Sonderschulen in Baden-Württemberg sind nach Ansicht des VBE hervorragend aufgestellt, die Pädagogen fachlich bestens ausgebildet. An den neun verschiedenen Sonderschultypen gibt es äußerst professionelle Rahmenbedingungen für eine indivi­duelle, kindgerechte Bildung und Erziehung Benachteiligter.

Immer wieder wird von Eltern versucht – zuweilen auch „mit der Brechstange“, zum Teil schwerstbehinderte Kinder in Regelschulen unterzubringen, selbst wenn dort kei­ne entsprechenden Fördermöglichkeiten vorhanden sind. „Dadurch würden benachtei­ligte Kinder noch einmal benachteiligt“, sagt der VBE-Sprecher.

Für den VBE ist es unbestritten, dass alle behinderten Kinder einer optimalen För­derung bedürfen, um ihnen den bestmöglichen Einstieg in eine eigenverantwortliche Lebensbewältigung zu geben. Der Besuch einer allgemeinen Schule kann für Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf sinnvoll sein, wenn an dem von Eltern ge­wünschten Schulort die Voraussetzungen stimmen. Dies ist in Ermangelung der nöti­gen Finanzmittel an den wenigsten Schulen zurzeit der Fall. „Wegen der umfassenden gezielten effektiven Förderung der Kinder sind Sonderschulen daher ein Baustein zur Integration und kein Ort der Ausgrenzung“, versichert der VBE-Sprecher.

Leider ist die Versorgung dieser Schulart mit Lehrerstunden keinesfalls ausreichend. Und trotzdem geht kein Aufschrei durch das Land, dem Kultusminister werden keine Unterschriftenlisten übergeben, und kein Außenstehender macht sich für eine bessere Unterrichtsversorgung der Sonderschüler stark, denn die haben selten eine Lobby.

VBE ist skeptisch: Beruhigungspille für die Lehrerschaft oder Hoffnung auf einen Placebo-Effekt?

Zumeldung zur SPD-Aussage: 400 Stellen weniger streichen

Wenn SPD-Chef Schmiedel im nächsten Schuljahr 400 Stellen weniger streichen will als zunächst vorgesehen, aber die bis 2020 insgesamt 11.600 wegfallenden Leh­rerstellen weiterhin im Raum stehen, sehe das mehr nach einem „Liebkindmachen bei den Heulsusen“ aus als nach einem großen bildungspolitischen Wurf, urteilt der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) knallhart und wartet schon auf das sicher auf dem Fuß folgende Dementi aus dem Lager der Grünen.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig
Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Die Bildungspolitik der grünen-roten Landesregierung zeichnete sich bisher immer wie­der durch Ankündigungen und nachgeschobene Dementi aus, durch rasche Entschei­dungen und dem darauf folgenden geordneten Rückzug. „Verlässlichkeit sieht anders aus“, kritisiert der VBE-Sprecher. 11.600 Lehrerstellen sollen bis zum Jahr 2020 gestri­chen werden, obwohl die Landesregierung weiß, dass zwar die Schülerzahlen zurückge­hen, die Aufgaben – nicht zuletzt durch die Visionen von Grün-Rot – aber gewaltig zu­genommen haben. Mehr Ganztagesschulen, mehr individuelle Förderung, mehr Ge­meinschaftsschulen und die gesamtgesellschaftliche Aufgabe Inklusion erfordern mehr Lehrerstellen und nicht weniger.

Wenn jetzt SPD-Fraktionschef Schmiedel auf einem Lehrerkongress ankündigt, im nächsten Schuljahr 400 Stellen weniger zu streichen, muss vor dem Hintergrund der Streichung von insgesamt 11.600 Lehrerstellen die Frage erlaubt sein, ob hier der Leh­rerschaft eine Beruhigungspille verabreicht wird oder ob es sich um das Prinzip Hoff­nung handelt, der Placebo-Effekt werde schon dafür sorgen, dass dann alle ruhiggestellt und zufrieden sind. Wer einen Bildungsaufbruch wagen will, benötigt deutlich mehr und nicht weniger Lehrerstellen, stellt der VBE-Sprecher klar. Und 11.600 Lehrerstellen weniger ist keine kleine kosmetische Korrektur, sondern ein spürbarer Radikalrück­schnitt. „Dass Grün-Rot jetzt auf den Bund hofft, um alle bildungspolitischen Pläne auch verwirklichen können, mag man ja verstehen. Es ist aber unerträglich, wenn jeder Missstand nach drei Jahren Regierungsverantwortung im Land immer noch mit den (Un-)Taten der Vorgängerregierung weg-erklärt wird“, so der VBE-Sprecher.

VBE: Hauptschullehrern droht kein Hartz IV, den meisten fehlt jedoch eine vernünftige Zukunftsperspektive

Beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sorgt man sich um die Hauptschullehrer, deren Schulen jetzt nach und nach geschlossen werden. „Hartz IV droht diesen in der Regel hoch engagierten Pädagogen natürlich nicht; trotzdem macht es Lehrer auf Dauer krank, wenn sie nicht wissen, wie es mit ih­nen weitergeht“, sagt der VBE-Sprecher. Es sehe leider auch ganz so aus, als ob man im Kultusministerium bei diesem Problem eher den Kopf in den Sand stecke.

Es gibt Hauptschullehrer, die jetzt schon die zweite Schließung ihres Arbeitsplatzes mit­machen. Nach Auffassung des VBE darf es nicht sein, dass diese Lehrkräfte immer so lange von Hauptschule zu Hauptschule weitergereicht werden, bis auch die letzte Haupt­schule, an die sie versetzt worden sind, dicht macht. „Das ist keine Zukunftsperspektive für die betroffenen Lehrkräfte“, moniert der VBE-Sprecher. Gab es bis vor kurzem im Land noch weit über 1200 Haupt-/Werkrealschulen, sind es jetzt gerade noch einmal gut 800 – Tendenz weiter erdrutschartig fallend.

Ein Wechsel an die Gemeinschaftsschule wäre laufbahnrechtlich zwar kein Problem. Wegen des Anforderungsprofils suchten diese neue Schularten vor allem Realschul- und Gymnasialkollegen – etwa für Französisch. Deshalb fühlten sich Hauptschullehrer auch an dieser Schule wieder überflüssig.

Die Realschule, an denen mittlerweile immer mehr Hauptschüler unterrichtet werden, könnte das Expertenwissen der Hauptschullehrer durchaus gebrauchen. Jeder Haupt­schulkollege an der Realschule mindert jedoch die Einstellungschancen junger Real­schullehrer; zumal obendrein auf Beschluss der Landesregierung Jahr für Jahr Lehrer­stellen im Tausenderbereich abgebaut werden.

Fast alle Hauptschulkollegen hatten das Lehramt für Grund- und Hauptschulen stu­diert. Einem Einsatz an der Grundschule stünde also rein rechtlich nichts im Wege. Da sich die Lehrer jedoch auf einen Stufenschwerpunkt spezialisiert hatten, wird sich ein Deutsch- oder Physiklehrer, der jahrelang in den oberen Klassen einer Hauptschule un­terrichtet hat, in den Eingangsklassen einer Grundschule alles andere als wohl fühlen.

Der VBE setzt sich dafür ein, dass Hauptschullehrkräfte, die jetzt an einer Realschule unterrichten, eine Nachqualifizierung erfahren dürfen, so dass ihnen auch die entspre­chende Besoldung der Realschule zuteil werden kann, beziehungsweise sie sich dort auch um eine Leitungsstelle bewerben können.