Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes und anderer Vorschriften

Ganztagsschulen an Grundschulen und Grundstufen der Förderschulen

1.    Grundsätzliches (§4a, Abs.1)

Der VBE begrüßt die Einigung der Kommunalen Verbände mit der Politik über die Einführung der Ganztagspädagogik in der Grundschule sowie den Grundstufen der Förderschulen nach über 40 Jahren des Versuchs- und Modellcharakters von Ganztagsschulen und somit die Absicherung dieser Schulform über den Landeshaushalt.

Ebenso begrüßt der VBE die Sicherung einer „Pädagogik des ganzen Tages“ in der in „einer rhythmisierten Tagesstruktur, Unterricht, Übungsphasen, Förderzeiten, Bildungszeiten, Aktivpausen und Kreativzeiten zu einer pädagogischen und organisatorischen Einheit“ unter Beteiligung außerschulischer Partner verschmelzen sollen. Außerschulische Partner bereichern das schulische Angebot im Ganztagsbetrieb. Der VBE weist aber auf Probleme hin, die in der Tagesgestaltung im Bereich der Förderschule in Zusammenarbeit mit örtlichen Vereinen bestehen können.

Der VBE sieht das vorgestellte Konzept auf dem richtigen Weg, weil die Ganztagsschule in der Grundschule „ein Beitrag zur sozialen Gestaltung der Gesellschaft, zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zu mehr Bildungsgerechtigkeit“ darstellt. Sie ermöglicht „herkunftsbedingte Benachteiligungen aufzulösen und mehr gelingende Bildungsbiographien von Kindern“.

 

2.    Gesetzesänderung §4a, Abs.2

Zu begrüßen ist die Hervorhebung des Elternwillens und die damit verbundene Einführung einer Wahlform. Diesen in der Ganztagspädagogik bisher nicht existierenden Begriff gilt es allerdings nach Auffassung des VBE genauer zu definieren! Freie Wahlform könnte Eltern suggerieren, dass sie schulische Angebote frei auswählen können. Dem ist allerdings nicht so, da sich die Wahl lediglich auf die von der Schule gewählte Form der Schule nach dem vorgelegten Konzept bezieht. Somit sind nicht beispielsweise Nachmittage des Schulbesuchs oder bestimmte Freizeitangebote frei auszuwählen, sondern nur die Teilnahme am Ganztagsbetrieb oder die Nicht-Teilnahme am Ganztagsbetrieb. Danach richtet sich dann die Schulpflicht.

Daher schlägt der VBE eine Textergänzung in Absatz 2 vor: „ In der Wahlform besteht an der Schule die Möglichkeit der Teilnahme an der von der Schule gewählten Form.“

Der VBE bewertet auch die Möglichkeit für Eltern zum Schulwechsel, wenn die gewünschte Form vor Ort nicht existiert (Schulbezirkswechsel). Allerdings weist er auf den hohen Verwaltungs- und Zeitaufwand hin. Zu überdenken wäre an dieser Stelle die Aufhebung der Schulbezirke im Zuge einer notwendigen Schulentwicklungsplanung auch für Grundschulen.

 

3. Gesetzesänderung §4a, Abs.3

Als nicht sehr gelungen bezeichnet der VBE die geplante Gestaltung der Mittagspause. Dabei anerkennt er das Bemühen um eine Einigung zwischen den Kommunalen Verbänden und dem Land bezüglich der zu regelnden Finanzierung. Wenn in Abs.1 eine Pädagogik des ganzen Tages garantiert wird, wirkt die Mittagspause wie ein Störfaktor im Tagesbetrieb. Die Schulpflicht endet mit der Mittagspause und greift nach der Mittagspause wieder. In dieser schulpflichtfreien Zeit entstehen nach Auffassung des VBE drei Gruppen von Kindern:

  • Kinder, die am Essen teilnehmen
  • Kinder die nach Hause gehen
  • Kinder, die in der Schule über Mittag verbleiben

Zum einen verweist der VBE auf den hohen Aufsichtsbedarf in dieser Zeit und zum anderen bedauert der VBE, dass die pädagogische Dimension des gemeinsamen Mittagstisches für Kinder dadurch eine Verfremdung erfährt. Auch wird die Gesamtverantwortung der Schule durch die Verlagerung der Zuständigkeit auf den Schulträger in der Mittagspause ausgehöhlt. Eine Interessenkollision zwischen der Zielsetzung und der Organisationsform ist an dieser Stelle eindeutig festzustellen!

 

4. Gesetzesänderung §4a, Abs.4

Die Beantragung einer Ganztagsschule durch den Schulträger bedarf der Zustimmung der Schulkonferenz. Dem ist zunächst zuzustimmen. Allerdings macht der VBE eindringlich darauf aufmerksam, dass die wesentlichen Gestalter der Ganztagsschule im Kollegium einer Schule sitzen. Ein Ganztagsschulbetrieb fordert vom Kollegium zusätzliche Einsatzbereitschaft und eine wesentlich höhere Kommunikationsbereitschaft. Wenn nun das Kollegium aus dem Beantragugsprozess weitgehen ausgeschlossen wird, ist diese Nichtbeteiligung eher demotivierend! Daher fordert der VBE die Beteiligung von GLK und Schulkonferenz!

 

5.   Ganztagsschule – Qualität zählt

Der Ganztagsschule in der Grundschule wachsen in unserer sich verändernden Gesellschaft immer mehr Familien unterstützende, Familien ergänzende oder gar Familien ersetzende Funktionen zu. Daher steht für den VBE der Qualitätsanspruch an oberster Stelle. Für den VBE gehören zu einem gelingenden Ganztagskonzept 4 Grundanforderungen:

  • Rhythmisierung der Tagestruktur
  • eine neue Lernkultur
  • der gemeinsame Mittagstisch
  • der pädagogisch organisierte Freizeitbereich

 

5.1 Rhythmisierung:

Die Voraussetzungen, dass Rhythmisierung nach dem Gesetzentwurf gelingen kann sind gegeben. Störenfried ist dabei zum einen die wenig strukturierte Mittagspause (s.o.) und zum anderen die freie Gestaltung des Schulkonzeptes vor der Beantragung. Dort ist die ganze Spannbreite von der verbindlichen Form bis zur völlig offenen Form (Unterricht am Vormittag und Betreuung am Nachmittag) möglich. Somit sind nicht in jedem Konzept Möglichkeiten zur Rhythmisierung enthalten. Während Rhythmisierung die Abwechslung von Phasen der Anspannung und Entspannung und somit die Verteilung der Lern- oder Arbeitsphasen – auch Unterricht – über den ganzen Tag vorsieht, kann in der offenen Form mit Unterricht am Vormittag nicht rhythmisiert werden. Dieses „Manko“ muss vor der Beantragung allen Beteiligten bewusst sein! Die in der STEG-Studie nachgewiesenen Erfolge der Ganztagsbetreuung treten nur ein, wenn die Qualität des Angebotes stimmt und wenn die Teilnahme von hoher Dauer ist.

5.2 Lernkultur

Für den VBE steht die Verbesserung der Lebens- und Lernbedingungen unserer Kinder im Vordergrund. Heterogenität und Individualität stellen an den Lernprozess veränderte und erweiterte Anforderungen. Das Arbeiten im offenen Unterricht, mit Lernplänen, Portfolios und individuellen Förderplänen u.a. muss zum Garant von Bildungsindividualität werden. Dazu sind Veränderungen in der Lehrerausbildung und in der Fortbildung notwendig. Lehrkräfte an Ganztagsschulen müssen ein hohes Maß an Identifizierung mit der Ganztagspädagogik aufweisen. Diese muss schon im Studium grundgelegt werden. Auch sollte die Besetzung von Ganztagsschulen mit Lehrkräften nicht auf dem Versetzungsmarkt, sondern über schulscharfe Stellenausschreibungen vollzogen werden können.

Für den Lernbereich in der Ganztagsschule sollten im Personalbereich qualifizierte Fachkräfte eingestellt werden können, um Lernangebote entsprechend oder zusätzlich einrichten zu können!

5.3 Mittagstisch

Das gemeinsame Mittagessen soll den Kindern ein zusätzliches Gemeinschaftserlebnis ermöglichen. Die Hinführung zur gesunden Ernährung, der Umgang mit der eigenen Gesundheit, Vermittlung allgemein gebräuchlicher Tischsitten, Hygieneschulung, Kommunikation am Tisch u.a. sind nur einige Merkmale, die die pädagogische Funktion des Mittagstisches untermauern. In der Annahme, dass Kinder, die zum Mittagstisch die Schule verlassen, diese Funktion zu Hause erleben, sollten den Kindern beim Mittagstische in der Schule diese Werte vermittelt werden können. Deshalb wächst dem betreuenden Personal eine besondere Verantwortung zu.

5.4 Freizeitpädagogik

Die Grundschule ist die Schulart, die den wenigsten Unterricht und somit den größten Freizeitbedarf aufweist. Deshalb sollte den Werten der Freizeitpädagogik eine tragende Rolle für die Persönlichkeitsentwicklung unserer Kinder zufallen. Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Konfliktfähigkeit, Kreativität, Verantwortungsbewusstsein, Übernahme von Verantwortung für sich und andere, Sensibilität u.a. sind Werte, die die Entwicklung und Stärkung unserer Kinder wesentlich unterstützen: Es sind Schlüsselqualifikationen zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben! Deshalb benötigt man für die Umsetzung ein ausgebildetes System von gebundenen und ungebundenen Freizeitangeboten. Hier kommt der Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, wie sie die Gesetzesvorlage vorsieht, eine bedeutende Rolle zu. Das Angebot muss sich am Bedarf und den Möglichkeiten der Kinder orientieren. Auch hier ist insbesondere im Förderschulbereich auf die besonderen Bedingungen einzugehen.

5.5 Schulleitung

Neben dem Kollegium kommt der Schulleitung als Organisator und Motor des Ganztagsbetriebs eine ganz besondere Rolle zu. Sie soll auf der einen Seite das Konzept und das Tagesprogramm des Betriebes organisieren und auf der anderen Seite die personale Situation durch Auswahl, Einstellung und Arbeitsverträge gestalten. Ferner ist vorgesehen, dass der Schule ein Haushalt zur Budgetierung von Lehrerstunden speziell für den Ganztagsbetrieb zugeführt werden soll, der von der Schulleitung berechnet und verwaltet werden muss. Bei beiden Auftragsbereichen ist noch nicht klar, wie die rechtliche Situation gestaltet werden kann. Schule als nicht rechtsfähige Einrichtung muss dafür erst umgestaltet werden. Schulleiter/innen sind dafür zunächst einmal nicht ausgebildet. Nur wenn der rechtliche Rahmen stimmt, kann dieser Arbeitszuwachs auch verantwortungsbewusst übernommen werden. In jedem Fall ist eines jetzt schon klar: Die dafür vorgesehene 1 Anrechnungsstunde Arbeitszeit ist ein Hohn! Auch wenn durch die Budgetierung eine zusätzliche Stunde bezahlt werden kann, reicht das Arbeitszeitangebot niemals aus! Angemessen wäre nach Auffassung des VBE, dass jeder Gruppe eine Anrechnungsstunde zugesprochen wird!

5.6 Schulbauförderrichtlinien

Eine Ganztagsschule hat einen spezifischen Raumbedarf. Lernen, Spielen, Toben, Ruhen, Essen, Arbeiten haben im Tagesablauf ihre besondere Bedeutung. Dafür sind spezielle Raumgestaltungen notwendig. Die Schulbauförderrichtlinien sollten endlich – wie schon lange versprochen – angepasst werden. In diese Richtlinien sind auch Umgestaltungen von bestehenden Gebäuden aufzunehmen. Die Entscheidung für eine Ganztagsschule hängt in den Gemeinde- und Stadträten im Wesentlichen vom finanziellen Spielraum ab!

5.7 Haushaltsvorbehalt

Ein Haushaltsvorbehalt wie ihn der Gesetzesvorschlag zur Ganztagsschule in der Grundschule vorsieht ist zweifelsfrei kontraproduktiv. Wenn man von mehr Bildungsgerechtigkeit spricht und vom Ausgleich sozialer Disparität in der Gesellschaft hat das Diktat des Geldes keinen Platz. Wenn der Finanzminister das Sagen hat, steht Bildung in der zweiten Reihe! So wird die Schuldenbremse zur Bildungsbremse!

In diesem Zusammenhang (Sparzwang) sieht der VBE auch die Streichung der Verlässlichen Grundschule, für den Fall, dass der Ganztagsbetrieb nach dem neuen Gesetz beantragt wird: Wegfall der Landeszuschüsse für kommunale Betreuungseinrichtungen (auch Hort)! Hier wird auf dem Rücken von kleinen Kindern und deren Familien am falschen Ort gespart! Denn davon betroffen sind auch Eltern von Kindern aus dem Regelbetrieb. Und für die ändert sich durch die Einführung der Ganztagsgrundschule eigentlich nichts. Ihnen bleibt die Hoffnung, dass die Betreuung durch die Kommune übernommen wird. Der VBE fordert den Erhalt dieser Einrichtungen!

5.8 Termingestaltung

1. Termin: 28. März 14                                     Interessenbekundung an das SSA

2. Termin: 30. April 14                                    Antragseingang über SSA an das Ministerium

Da Informationen zur Antragstellung auch über den Städte- und Gemeindetag bei den Schulträgern ankommen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Schulträger angesagt!

 

Unter Mitarbeit von Steffi Bange, Uschi Mittag Gerhard Müller und Johannes Knapp zusammengestellt von Otmar Winzer – 03/2014

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