Eltern nicht aus der Erstverantwortung entlassen
Stuttgart. Früher waren Lehrer hauptsächlich für die Bildung der Schüler zuständig und erzogen die Kinder und Jugendliche „nebenher“. Heute müssen Lehrer zuerst erziehen, damit sie sich dann um die Bildung der Schüler kümmern können. Der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht eine zunehmende Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Zielen und Machbarem in den Schulen.
Eltern beschweren sich gerne, dass Lehrer sie mit den nicht gemachten Hausaufgaben der Schüler belästigten, fehlende Unterrichtsmaterialien anmahnten, Verhaltensprobleme und andere unbequeme Angelegenheiten mit den Erziehungsberechtigten besprechen wollen. „Sie vergessen dabei“, so der VBE-Sprecher, „dass die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht ist.“ So stehe es sogar im Grundgesetz (Artikel 6, Absatz 2).
Während früher Unterricht und Bildung im Mittelpunkt des schulischen Geschehens standen, rückte für die Pädagogen in den letzten Jahren immer mehr die Erziehung der Schüler in den Vordergrund. Wenn Lehrer erst für die notwendige Arbeitsatmosphäre sorgen müssen, geht auf Dauer viel Unterrichtszeit verloren. Endlose Diskussionen über Sinn und Unsinn bestimmter pädagogischer Maßnahmen, lenkten von stofflichen Inhalten ab und bremsten das selbständige Lernen der Schüler aus.
Während Evaluation allgemein das Gewicht auf den Lernerfolg legt, internationale Vergleichsstudien den Wissensstand der Schüler in Deutsch, Mathematik oder in den Naturwissenschaften untersuchen, Notendurchschnitte der Prüfungsarbeiten mit früheren Jahrgängen verglichen werden, bleiben erzieherische Erfolge der Lehrer – oder auch Fehlschläge – eher unbeachtet. So mancher Pädagoge muss sich eingestehen, dass er es noch nicht geschafft hat, dass alle Schüler mit einem gesunden Frühstück im Bauch pünktlich zum Unterricht kommen, dass sie häufiger „bitte“ und „danke“ und weniger „Scheiße“ und „Hurensohn“ sagen, dass allgemein gültige Regeln des friedlichen Umgangs eingehalten werden, dass die Schüler vernünftig ernährt und weder übergewichtig noch magersüchtig sind, dass alle Schüler abends rechtzeitig ins Bett gehen und morgens ausgeschlafen zum Unterricht erscheinen, dass jeder erkrankte Schüler daheim bleibt und der, der keine Lust auf Schule hat, trotzdem kommt. „Dabei ist die Schule aber auf die Mitarbeit der Eltern angewiesen“, so der VBE-Sprecher.