VBE: Gemeinschaftsschule überfordert momentan noch alle

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg kann die Sorge der Gymnasiallehrer um den Fortbestand des traditionsreichen Gymnasiums sehr gut verstehen. Mit Einführung der Gemeinschaftsschule, die alle Bildungsgänge beinhaltet, wird aus Sicht deren Anhänger das Gymnasium im Prinzip überflüssig.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

„Dadurch, dass der Gemeinschaftsschule, politisch gewollt, eine Aura des Fort­schrittlichen verliehen wird, geraten alle Sympathisanten der bisherigen Schular­ten automatisch in den Dunstkreis der Ewiggestrigen“, moniert der VBE-Spre­cher. Aber noch habe die Gemeinschaftsschule den Praxistest nicht bestanden. Sie zehre momentan ausschließlich von den Vorschusslorbeeren und dem zusätzlichen außerge­wöhnlichen Engagement der dort unterrichtenden Lehrkräfte.

Die Grundschule ist schon lange eine Gemeinschaftsschule par exellence. An dieser Schulart werden alle Schüler ganz selbstverständlich gemeinsam unterrichtet, ist die reiche Vielfalt der Begabungen abgebildet. Der Unterschied zur Gemeinschaftsschule ist aber der, dass die Grundschule zu einem Abschluss führt („Der Schüler hat das Ziel der Grundschule erreicht“), die Gemeinschaftsschule jedoch bereits ab Klasse 5 alle Bil­dungsgänge – Hauptschulabschluss, Mittlere Reife, Abitur mit mindestens einer zweiten Fremdsprache – in einer Lerngruppe ohne jegliche äußere Differenzierung abbilden soll. Obendrein müssen dabei Hochbegabte und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbe­darf berücksichtigt werden – und das bei einem Klassenteiler laut Organisationserlass von 28 Schülern pro Lerngruppe und lediglich einer Lehrkraft. „Damit sind sowohl Schüler als auch Lehrer auf Dauer überfordert“, so der VBE-Sprecher.

Die bisher anerkannte Realschule, die nach dem Willen von Grün-Rot gleichfalls aus der Schullandschaft verschwinden soll, führt zunächst zu  e i n e m  Bildungsabschluss, der mittleren Reife, und beinhaltet – wie beim Gymnasium auch – den Hauptschulab­schluss, wenn ein Schüler nach Klasse 10 versetzt worden ist. Das Abitur strebt man dann nach der Realschule an einem beruflichen Gymnasium an, oder auch nicht.

Mit der Gemeinschaftsschule soll die Quadratur des Kreises gelingen. „Wie das unter dem Diktat des Rotstifts auf Dauer gutgehen kann, ohne dass dabei Schüler, Lehrer und der Leistungsgedanke unter die Räder kommen, bleibt nicht nur dem VBE zurzeit noch ein Rätsel“, sagt der VBE-Sprecher. Die Grundidee einer Gemeinschaftsschule an sich sei famos; aber dafür müssten auch die Rahmenbedingungen stimmen und behutsame äußere Differenzierungen innerhalb der Lerngruppe möglich sein. Hier werde jedoch aus ideologischen Gründen weiterhin gemauert.

VBE: Wird die neue Gemeinschaftsschule als Bildungseinrichtung für alle zu einer Art Volksgymnasium?

Stuttgart. Vor rund 50 Jahren gingen die meisten Schüler ganz selbstverständlich auf die Volksschule, und keiner fühlte sich benachteiligt oder „selektiert“. Nun soll durch die Gemeinschaftsschule wieder eine Bildungseinrichtung für alle entstehen. „Hat diese Gemeinschaftsschule das Zeug zu einem echten `Volksgymnasium´?“, fragt der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Landauf, landab werden jetzt Gemeinschaftsschulen eingerichtet, meist weil Städte und Kommunen wegen rückläufiger Schülerzahlen Standortsicherung betreiben wollen. „Die Lehrer an Gemeinschaftsschulen leisten hervorragende Pionierarbeit und verdie­nen Anerkennung und Respekt“, versichert der VBE-Sprecher.

Trotzdem sollte sich jeder Schulträger genau überlegen, ob er wirklich Ja zum päd­agogischen Konzept der Gemeinschaftsschule sagen möchte. Grundlage der „neuen Lernkultur“ dort sind u.a. die „vier pädagogischen Urbitten des Kindes“, wie sie der Schweizer Bildungsunternehmer Peter Fratton formuliert hat: „Bringe mir nichts bei! Erkläre mir nichts! Motiviere mich nicht! Erziehe mich nicht!“ (verkürzte Wiedergabe)

Kritiker sehen in den Gurus der neuen pädagogischen Heilslehre wie Peter Fratton (Schulgründer, Haus des Lernens, Romanshorn), Andreas Müller (Institut Beatenberg, Schweiz), Gerald Hüther (der Lehrer als „Potenzialentwicklungscoach“) und Richard David Precht („Lernfabriken, die Kreativität töten“) eher professionelle Lernverhin­derer und in der neuen Gemeinschaftsschule so eine Art Volksgymnasium. Äußere Differenzierung („Selektion“) und Sitzenbleiben gibt es dort nicht mehr; Noten werden nur noch bei Schulwechsel und im Abschlusszeugnis erteilt. In der Lerngruppe (früher: Klasse) sitzt der Sonderschüler mit Handikap neben dem hochbegabten Gymnasiasten. Der Lernbegleiter (früher: Lehrer) ist keine direkte Bezugspersonen mehr und unter­richtet auch nicht mehr im herkömmlichen Sinn. Schüler „steuern“ sich selbst, lernen „individuell“ und „kooperativ“ mittels Arbeitsblätter, die auf Kompetenzrastern basie­ren, mit Wochenplänen und Computern, an Lerntheken (Stationen) und Lerninseln.

Bei Gymnasien und Realschulen herrscht große Skepsis ob des von Landesregierung und Kultusministerium propagierten künftigen Erfolges der Gemeinschaftsschule. „Wenn Realschulen auch weiterhin an dem bestehenden und allgemein anerkannten Realschulbildungsgang festhalten wollen, muss das nicht der schlechteste Weg sein“, meint VBE-Sprecher Michael Gomolzig.

20. Mai 2013

VBE: Ist die Gemeinschaftsschule wirklich eine Schule für alle?

Ministerium soll nach der Herbststatistik Übergangszahlen offenlegen

Stuttgart. Bisher hat das Kultusministerium jede Nachfrage, mit welcher Grundschulemp­fehlung Schüler Gemeinschaftsschulen besuchen, mit dem Hinweis zurückgewie­sen, dass bei der Anmeldung das Dokument nicht mehr vorgelegt werden müsse und daher keine Zahlen existierten. Nach der Erhebung der Herbststatistik an den Schulen sticht dieses Argument nicht mehr. Der Verband Bildung und Er­ziehung (VBE) Baden-Württemberg fordert jetzt die Offenlegung der Zahlen.

Es verging bisher kein Monat, ohne dass das Kultusministerium oder die Stabsstelle darauf hingewiesen haben, zu welchem Erfolgsmodell sich die neue Gemeinschafts­schule im Land entwickle. Selbst CDU-Bürgermeister und nicht grün-rote Gemeinde­räte würden mit Feuereifer Anträge auf die Einrichtung der von grün-rot favorisierten Schulart stellen, jubelte das Ministerium. Kritikern, die in dieser Antragstellung nur die Möglichkeit einer Standortsicherung bei zurückgehenden Schülerzahlen sahen, indem sterbende Haupt-/Werkrealschulen als Gemeinschaftsschulen wiedergeboren würden, entgegnete man, dass die neue Schulart eine Schule für alle sei, ohne den Beweis anzu­treten, ob dem wirklich so ist. Da bei der Anmeldung keine Grundschulempfehlungen mehr vorgelegt werden müssen, wisse man folglich auch nicht, welche Schüler Ge­meinschaftsschulen besuchten.

Solange Gymnasial- und Realschullehrer sowie Schüler mit einer Gymnasial- oder Realschulempfehlung an Gemeinschaftsschulen eindeutig in der Minderheit seien, sehe das Ganze noch allzu sehr nach einem Etikettenschwindel aus, argumentierte der VBE.

Nach Vorliegen der aktuellen amtlichen Herbststatistik kann das Kultusministerium anhand des von den Schulleitern ausgefüllten Statistikbogens 6 genau erkennen, wel­che Schüler mit welcher Grundschulempfehlung auf die Gemeinschaftsschulen ge­wechselt haben. Beim VBE hat man jedoch den Eindruck, dass das Ministerium an dieser Wahrheit nicht sonderlich interessiert ist, denn dann könnte möglicherweise deutlich werden, dass die Gemeinschaftsschule vielleicht doch nur eine umetikettierte Hauptschule ist mit ein paar Schülern, die auch auf Realschule oder Gymnasien gehen könnten; von der inklusiven Beschulung von Schülern mit besonderem sonderpädago­gischen Förderbedarf noch gar nicht gesprochen. Der VBE fordert das Kultusministe­rium auf, jetzt Farbe zu bekennen und die Übergangszahlen offenzulegen.

11.11.12

VBE: Bessere Schulen gibt es nicht für weniger Geld

Zumeldung zur Landespressekonferenz der CDU-Landtagsfraktion am 26.07.2012:

Stuttgart. „In Anlehnung an Henry Ford, der Autos in jeder Farbe ausliefern wollte, solan­ge sie nur schwarz waren, sieht die grün-rote Landesregierung alle Schularten als zukunftsfähig an, wenn sie nur Gemeinschaftsschule heißen“, kritisiert der Vor­sitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg, Gerhard Brand, die etwas zu einseitige Vorgehensweise im Bildungsbereich.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Durch den Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung habe der Eltern­wunsch bei der Schullaufbahnentscheidung für das Kind nach der vierten Klasse ein hohes Gewicht bekommen. Wozu elterliche Fehlentscheidungen später führen können, wurde jedoch geflissentlich ausgeblendet. Durch den jetzt noch stärkeren Rückgang der Übergangszahlen auf die Haupt-/Werkrealschule, blutet diese Schulart, die schon unter Schwarz-Gelb deutlich hatte Federn lassen müssen, vollends aus.

„Wenn Schüler an der für sie falschen Schulart scheitern, wird bald keine Schule mehr in zumutbarer Entfernung für sie da sein, die sie auffängt und zu einem Ab­schluss bringt. Zu den Schülern der Gemeinschaftsschule, die nach aktueller Datenlage hauptsächlich von Kindern mit einer Haupt-/Werkrealschulempfehlung besucht wird, kommen dann die Jugendlichen mit gescheiterten Laufbahnträumen hinzu“, sagt der VBE-Chef. Um diese Auffangfunktion ausüben zu können, gibt es aber (noch) viel zu wenige Gemeinschaftsschulen, die auch entsprechend wohnortnah erreichbar sind.

Der VBE bekräftigt die Aussage der CDU, dass eine notwendige regionale Schulent­wicklung nur dann gelingen kann, wenn sie auf dem Konsens aller Beteiligten vor Ort basiert. Die Entscheidung für eine Gemeinschaftsschule zum Erhalt der wohnortnahen Schule – eine durchaus legitime Sichtweise von Kommunen und Städten – trägt den Überlebenskampf in die Fläche, weil jeder Bürgermeister „Standortsicherung“ betrei­ben will. Da werden die Interessen der Nachbargemeinden sekundär. „Daher muss für die regionale Schulentwicklung die Schulverwaltung mit ins Boot genommen werden, die alle auf Kreisebene wichtigen Fakten kennt und eine Moderatorenrolle bei diesem manchmal schmerzlichen Prozess übernehmen kann“, sagt der VBE-Chef. Bessere Schulen werde es auf keinen Fall für weniger Geld geben. Politiker sollten sich von der Vorstellung verabschieden, dass man bei einem viel zu kurzen Rock nur etwas am Saum zuppeln muss, damit er dann die Blöße der Beine besser bedeckt.

27. Juli 2012

VBE: Schulbauförderrichtlinien gehören dringend überarbeitet

2 m2 pro Schüler im Klassenzimmer, bis zu 10 m2 für den Hund im Zwinger

Bereits im letzten Jahr hatte der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg angemahnt, dass für einen modernen Unterricht von heute und für die neu einzurichtenden Gemeinschaftsschulen noch keine angepassten Schulbauförderrichtlinien vorliegen. Das Kultusministerium hatte den Handlungsbedarf zwar sofort bestätigt; trotzdem hat sich bisher offiziell noch immer nichts getan.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Zum ersten Mal werden zum neuen Schuljahr Gemeinschaftsschulen an den Start gehen. Doch die Schulträger hängen bis heute noch in der Luft, da die Schulbauförderrichtlinien nicht angepasst worden sind und Zuschüsse nur nach alten Vorschriften bewilligt werden. „Man kann aber mit den Schulbauförderrichtlini­en aus der Nachkriegszeit keine neuen Gemeinschaftsschulen aufbauen“, sagt VBE-Chef Gerhard Brand. Wer wie die neue Landesregierung den Ausbau von Gemeinschaftsschulen vorantreiben wolle, müsse nicht nur Bildungspläne, Leh­rerausbildung und -besoldung reformieren, sondern sollte auch aus Klassenzim­mern echte „Lernwerkstätten“ machen. Das gehe nur mit neuen Schulbauförderricht­linien.

Es sei nicht nur notwendig, so der VBE-Vorsitzende, die neuesten bautech­nischen Anforderungen an Brandschutz und Unfallverhütung bei den Schulge­bäuden zu berücksichtigen und umzusetzen, sondern auch die Größe und Ausge­staltung der Klassenzimmer, wie sie der Unterricht in einer Gemeinschaftsschule erfordere. Wer sagt, er wolle Bildung für das 21. Jahrhundert anbieten, dürfe sich nicht mit Klassenzimmern begnügen, die noch zu Kaisers Zeiten als aus­reichend galten.

Das Arbeiten nicht mehr in einem Klassenverband, sondern in Lern- und Pro­jektgruppen, selbstorganisiertes Lernen mit Wochenplänen, Werkstattarbeit und Ganztagsangebote erfordern mehr Platz in den Schulen, mehr Räume zum Aus­weichen und Möglichkeiten, individuelle Lerntheken einrichten zu können.

Bei höchstens 66 m2 Klassenzimmerfläche für bis zu 30 Schüler (in Gemein­schaftsschulen ist 28 als Schülerhöchstzahl vorgesehen) könne die räumliche Freiheit der Lernenden nicht allzu groß ausfallen, beklagt der VBE-Vorsitzende. Natürlich dürfe man keine Vergleiche zur Zwingerhaltung anstellen (da gelten je nach Größe pro Hund 6 bis 10 m2), trotzdem machten sich Verantwortliche oft mehr Gedanken über den Platz, den Tiere zur Verfügung haben sollten, als über die räumlichen Bedingungen, unter denen Schüler heute lernen müssen.

9. April 2012

Gemeinschaftsschule

Eine neue Schulart in Baden-Württemberg

 

Teil 1: Auszug aus MKS-Papier

Gründe für Gemeinschaftsschulen:

Die grün-rote Landesregierung versteht Bildungspolitik als einen Prozess, der von unten wächst. Dies gilt auch und in besonderem Maße für die Einführung der Gemeinschaftsschule. Es ist uns Ansporn und Verpflichtung, beste Bildungschancen für alle zu schaffen. Kinder und Jugendliche zu fördern, ihre Verschiedenheit als Wert anzuerkennen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten und Potenziale optimal zu entfalten, sind die Leitgedanken unserer Bildungspolitik. Dazu zählen selbstverständlich auch Kinder mit Behinderungen als Teil unserer Gesellschaft. Wir wollen dabei alle Bildungseinrichtungen unterstützen, sich verstärkt auf die Unterschiedlichkeit der jungen Menschen einzustellen

Ziele der Gemeinschaftsschule

  • Durch ein Maximum an individuellem und ein Optimum an gemeinsamem Lernen entwickeln Kinder und Jugendliche Freude am Lernen.
  • Jedes Kind bekommt die bestmögliche Förderung und erreicht den optimalen Schulabschluss. Das gilt auch für Kinder mit Behinderungen.
  • Menschliche Unterschiede werden als Bereicherung erlebt und stärken im schulischen Alltag das Verständnis von Demokratie.
  • Herkunft und Bildungserfolg werden weitgehend entkoppelt.
  • Mit den Eltern wird aktive Erziehungspartnerschaft gelebt.

Pädagogisches Konzept der Gemeinschaftsschule

Die Gemeinschaftsschule ist eine leistungsstarke und sozial gerechte Schule, die sich sowohl am Leistungsprinzip als auch am Prinzip der Chancengleichheit orientiert. Die Gemeinschafts-schule ist eine Schule mit inklusivem Bildungsangebot, in der sowohl Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen und in ihren Begabungen gefördert werden.

Alle Bildungsstandards werden angeboten und die Schülerinnen und Schüler sollen bestmöglich nach ihren individuellen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Interessen gefördert werden. Dazu bietet die Gemeinschaftsschule eine anregende Lernumgebung an, in der voneinander und miteinander zielorientiert gelernt wird und wo selbstverantwortlich geforscht, gearbeitet, gespielt, gelacht und gefeiert werden kann. Kurz: Die Gemeinschaftsschule ist ein Lebens- und Erfahrungsraum, in dem sich Persönlichkeiten entwickeln können, die in unserer Gesellschaft ihren Platz finden wollen und können. Schülerzentrierte Lern- und Unterrichtsformen sollen ermöglichen, dass sich ein Maximum an individuellen Lernprozessen mit einem Optimum an gemeinsamem Lernen verbindet. Darüber hinaus findet eine Orientierung an der Berufs- und Lebenswelt statt und der enge Kontakt mit den Eltern wird zum Wohl der Kinder regelmäßig gepflegt

Formen der Gemeinschaftsschule

In der Regel umfasst eine Gemeinschaftsschule die Sekundarstufe I (Klassenstufen 5-10). Wenn die GMS in der Klassenstufe 10 eine genügend große Zahl von Schülerinnen oder Schülern mit Gymnasialniveau hat, kann sie eine Sekundarstufe II (Klassenstufen 11-13) zusätzlich anbieten. Auch die Aufnahme der Primarstufe (Klassenstufen 1-4) in eine Gemeinschaftsschule ist möglich. Insgesamt ergeben sich also vier Modellvarianten:

  • Klassenstufen 1-10
  • Klassenstufen 5-10
  • Klassenstufen 5-13
  • Klassenstufen 1-13

Eine Gemeinschaftsschule ist zumindest in den Klassenstufen 5-10 stets eine Ganztagsschule. Das bedeutet, dass an 3 oder 4 Tagen der Woche ein Ganztagesbetrieb mit rhythmisiertem pädagogischem Angebot gewährleistet sein muss.

Bildungspläne der Gemeinschaftsschule

Die derzeit gültigen Bildungspläne für die allgemein bildenden Schulen Baden-Württembergs stammen aus dem Jahr 2004. Im Rahmen der geplanten Reform der Bildungspläne 2015/16 bildet die Schnittmenge der Bildungspläne Hauptschule/Realschule/Gymnasium einen Basisplan für die Gemeinschaftsschule. Je nachdem, welcher Abschluss in der GMS angestrebt wird, gelten darüber hinaus die Bildungsstandards der entsprechenden Schularten. Die GMS arbeiten zunächst in den Jahrgangsstufen 5 und 6 nach dem Bildungsplan der Realschule 2004.

Lehrkräfte an der Gemeinschaftsschule

Im Endausbau werden an der Gemeinschaftsschule Lehrkräfte aller Schularten unterrichten. Alle Lehrerinnen und Lehrer können in allen Lerngruppen der Sekundarstufe I eingesetzt wer-den. Wenn die Gemeinschaftsschule eine Sekundarstufe II anbietet, unterrichten dort nur Gymnasiallehrerinnen und -lehrer. Die Gemeinschaftsschulen werden neue Stellen grundsätzlich durch schulbezogene Ausschreibungen besetzen

Schulabschlüsse der Gemeinschaftsschule

Da in den Lerngruppen alle Bildungsstandards angeboten und von unterschiedlichen Schüle-rinnen und Schülern nach ihren Fähigkeiten erreicht werden, sind auch alle Abschlüsse möglich:

  • Hauptschulabschluss nach Klasse 9 oder 10
  • Realschulabschluss nach Klasse 10
  • Abitur nach der Sekundarstufe II entweder an der GMS oder an einem allgemein bildenden Gymnasium

 

Teil 2: VBE-Stellungnahme zur Gemeinschaftsschule

Der VBE anerkennt die Absicht und Ziele der Einführung der Gemeinschaftsschulen als Bereicherung der Bildungslandschaft in Baden-Württemberg. Der VBE ist sich gleichzeitig aber auch bewusst, dass an den meisten Schulen/Schularten in Baden-Württemberg bisher gute Arbeit geleistet wurde und wird. Nationale Vergleiche legen dafür Zeugnis ab.

Der VBE meint dazu:

  • Zu fordern ist zunächst einmal eine klare semantische Trennung in der Begrifflichkeit im Umgang mit der neuen Schulart Gemeinschaftsschule in Abgrenzung zur Einheitsschule, Gesamtschule, Ganztagsschule und weiteren Schularten und –formen. Begriffe aus vorgeprägter politischer oder ideologischer Haltung als Synonyme sollen eher Verwirrung stiften und schaden jeder sachlichen Auseinandersetzung.
  • Eine Schule, in der jeder Schüler ausgehend von den unterschiedlichsten Voraussetzungen nach seinem individuellen Lernkonzept gefördert werden kann ist verantwortlich für ein Lernumfeld, in dem die Schüler ihre Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen können. Da hat sowohl der Hochbegabte als auch das schwache Kind aus sozial schwierigem Umfeld im gemeinsamen Miteinander seinen Platz. Eine solche Schule könnte das Fundament für eine neue Sozialverträglichkeit in unserer Gesellschaft darstellen. Viele Diskriminierungen und Abwertungen im gesellschaftlichen Gefüge, deren Grundlagen bereits im System Schule gelegt werden, könnten damit abgebaut werden! Die Politik muss daher dringend insbesondere die neuen Gemeinschaftsschulen (eigentlich alle Schulen) in die Lage versetzen, dieses auch leisten zu können.
  • Wenn die Gemeinschaftsschule eine überzeugende Schulart werden soll, ist der Start ganz entscheidend. Dort sollten nur solche Schulen zum Zuge kommen, die jetzt schon einen weiten Teil des Weges hinter sich haben. Denn in anderen Schulen sind weder die Lehrkräfte, noch die Eltern, noch die Schulträger ausreichend vorbereitet. Ansonsten wäre die Zielsetzung dieser Schule im Wesentlichen gefährdet.
  • Die Qualität einer Schulart muss von Beginn an überzeugen, will sie eine Zukunft haben. Zwingend notwendige Anforderungen ab sofort:
    • Es muss die Sicherheit der Lehrerversorgung geschaffen werden. Dabei ist sowohl die Anforderung an zusätzlichen Stunden für die Unterrichts/Lernversorgung als auch für die Versorgung der Stunden für den gebundenen Ganztagsbetrieb zu sichern.
    • Über die vordringlich notwendige Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte und des pädagogischen Personals muss der Qualitätsanspruch der Gemeinschaftsschule absolut gesichert sein. Die Gemeinschaftsschule wird zuallererst an ihrer Qualität ihre Existenzberechtigung nachweisen müssen!
    • Die Ausbildung der Lehrkräfte ist längst überfällig. Insbesondere der Umgang mit Heterogenität muss Schwerpunkt werden. Hier führt traditionelles Denken, Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien würden in homogenen Gruppen arbeiten, absolut zum Irrtum und zum Hindernis! In keiner Schulart gibt es heute homogene Gruppen. Neues Denken ist hier angesagt – auch wenn das einige politische Gruppierungen nicht wahrnehmen wollen!
    • Die Kooperation der unterschiedlich beteiligten Schularten muss in eine verständliche und nachvollziehbare Form (z.B. nicht mit ev. „Zwangseinstellungen“ im Gymnasium) gebracht werden.
    • Kooperationsformen mit außerschulischen Partnern müssen dringend neu angedacht werden. Insbesondere der Ganztagsbetrieb fordert, das Leben in die Schule zu bringen. Kinder lernen nach aktuellen Forschungsergebnissen am meisten von konkreten Lebensbezügen (Prof. Hüther). Daher müssen Kontakte nach außen das Schulleben einer Gemeinschaftsschule erweitern. Institutionen und Einrichtungen im Lebenskreis der Schulen sollten selbstverständliche Bestandteile des schulischen Alltags werden. Schüler sollten am Leben lernen!
    • Über Elterninformation sollte die äußere Zustimmung abgesichert werden. Elternschulen/Elternkurse müssen Begleitinstrumente einer Gemeinschaftsschule werden.
    • Bei Schulträgern muss über umfassende Information für Klarheit und Sicherheit gesorgt werden.
  • Der Politik ist die Darstellung bisher nicht gelungen, dass es sich bei Gemeinschaftsschulen um „etwas völlig Neues“ mit einem völlig veränderten pädagogischen Konzept handelt. Ein Vergleich mit den traditionellen Schularten ist da sehr hinderlich! In der Öffentlichkeit ist vielfach der Eindruck entstanden, dass die Gemeinschaftsschule Ersatzschule für „auslaufende“ Hauptschulen oder als Standortsicherung für gefährdete Standorte bestenfalls als die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule gesehen werden kann!

Dadurch ist die Gemeinschaftsschule jetzt schon in ein gefährliches Fahrwasser geraten: Da sich vorwiegend Hauptschulen oder maximal Haupt/Realschulen für das Modell interessieren, ist das Gymnasium im Verständnis der Menschen im Zusammenhang mit Gemeinschaftsschulen nicht vorhanden. Warum sollte da ein Gymnasialschüler auf eine Gemeinschaftsschule wechseln? Ein Stigma scheint vorbereitet, das schwer widerlegbar sein wird! Das Gymnasium muss in einer Gemeinschaftsschule von Anfang an im Boot sein!

  • Neben dem Lehrer als Lernbegleiter (vom Sonderschullehrer bis zum Gymnasiallehrer!) müssen externe Mitarbeiter wie Sozialarbeiter, Logo- und Ergotherapeuten, Heilpädagogen u.a. in das Schulleben einbezogen werden. Gerade durch die Mitarbeit der Sonderpädagogen in den neuen Schulteams würde der Sonderpädagogik eine breitere Bedeutung für alle Kinder/Jugendliche und eine feste Verankerung in dieser Schulart zukommen. Durch inklusives Arbeiten würde die Arbeit dieser neuen Schulart insbesondere aufgewertet.
  • Als sehr problematisch erscheint dem VBE die Vereinigung unterschiedlicher Lehrerqualifikationen in einer neuen Schulart. Lehrkräfte aus Sonderschule, Grundschule, Haupt/ Werkrealschule, Realschule und Gymnasium arbeiten mit unterschiedlichen Arbeitszeiten, unterschiedlichen Ausbildungszeiten und unterschiedlicher Besoldung in einer Schulart! Für den VBE ist damit eine große Baustelle vorprogrammiert!
  • Lerngruppen müssen den traditionellen Klassenverband ersetzen. Sie sind lerntheoretische und soziale Bezugspunkte des Einzelnen. Aber Stammgruppen müssen gerade für schwächere Kinder den notwenigen Halt und die angemessene Geborgenheit bieten. Das erfordert natürlich neben der personellen auch eine sächliche Voraussetzung: räumliche Umgestaltung von Klassenzimmern zu Lernwelten, Schaffung von Lern- und Kommunikationsplätzen und Rückzugsmöglichkeiten für Individualität.
  • Das Problem der wohnortnahen Schule bei rückläufigen Schülerzahlen kann auch durch die Einführung der Gemeinschaftsschule nicht gelöst werden. Es ist an der Zeit, den Schulen und Schulträgern hier „reinen Wein“ einzuschenken und nicht falsche Hoffnungen zu schüren, die nachher zu maßlosen Enttäuschungen führen! Schulschließungen in Flächengebieten werden nicht zu verhindern sein. Hier tut die Wahrheit weh! Politik muss aber zur Wahrheit stehen!
  • Für die Schulträgerschaften ist die Klärung des Umgangs mit der Frage nach der Schulraumsituation und der damit verbundenen Bezuschussung durch die Landesregierung zu klären. Insbesondere sind beim Problem der „Inklusiven Bildung“ viel Fragen offen (Personalsituation, Klassen/Lerngruppengrößen, Behinderten-Ausstattung, Materialausstattung)
  • Zu begrüßen ist, dass Gemeinschaftsschule nur in gebundener Ganztagsschulform stattfinden soll. Denn nur in gebundener Form ist verbindliches individuelles Arbeiten möglich und planbar! Der Lernraum Schule kann nur dadurch zum Lebensraum Schule werden! Dabei ist aber das personelle Problem drückend. Nicht-unterrichtliche Zeiten sollten mit pädagogischem Stammpersonal, das von der Schule auf die Situation vor Ort abgestimmt ausgewählt wird und nicht mit vom Schulträger beschäftigten 400-Euro-Kräften versorgt werden!
  • Integrative Modelle kommen bei der Leistungseinforderung in Erklärungsnot. Es muss jetzt deutlich herausgearbeitet werden, wie die unterschiedlichen  Leistungsniveaus (Sonderschulniveau bis Gymnasialstandard) erreichbar und kompatibel sind.
  • Die Abschlussniveaus der einzelnen Schularten müssen wegen eventuell notwendiger Mobilität der Familien und der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen gesichert sein.
  • Der Ausbau integrierter und integrierender Lernformen über das traditionelle Schulartenverständnis hinaus in einer Schulart und die damit unweigerlich verbundene neue Organisationsstruktur in der Lehrkräfte aller Schularten arbeiten, eröffnet den Einstieg in die Neugestaltung des überkommenen Dienstrechtes im Lehrerberuf. In der Gemeinschaftsschule sind alle Lehrer im gleichen Boot („Alle Lehrer sind Lehrer“)!  „Alle Lehrer sind heute universitär ausgebildete Expertinnen/en, die lehren, erziehen, beraten, und innovieren“ wie der Deutsche Bildungsrat 1970 zusammengefasst hat. Hier fordert der VBE erneut die Gleichwertigkeit der Lehrämter ein!

Der VBE begrüßt jede Weiterentwicklung unseres Schulwesens, die zur Verbesserung von Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen beiträgt. Der VBE sieht eine solche Möglichkeit in der Einführung der Gemeinschaftsschule dort gegeben, wo die Gemeinschaftsschule von allen Beteiligten gewollt und akzeptiert ist und die Rahmenbedingungen erfüllt sind. Zukünftigen positiven Ergebnissen steht der VBE offen gegenüber und wird diese Entwicklung unterstützend begleiten.

Er bemängelt Fehlentwicklungen bei der Einführung solcher Schulen wie Zeitmangel, Informationsdefizite, nicht definierbare Rahmenbedingungen, pauschalierende Qualitätsaussagen, „Hoffnungsschinderei“ für geplagte Schulträger, fehlende Bildungspläne, ungeklärte Situation für Unterstützungssysteme (z.B. Päd. Assistenten).

Eine solche Einführung mit gewaltigen handwerklichen Fehlern hat die zu begrüßende Zielsetzung dieser Schulart durchaus nicht verdient!

„Nichts ist so konstant wie die Veränderung – in der Gesellschaft – so auch in der Schule!“

Beschluss Landesvorstand 17.01.2012

Verantwortlich: Otmar Winzer, Stellvertretender Landesvorsitzender

Viele Vorschusslorbeeren für die Gemeinschaftsschulen

Neue Schulform überzeugt zunächst nur in der Möglichkeitsform

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg versteht die Vorfreude des Kultusministeriums über den Aufbruch der 34 Starterschulen, sieht aber erheblichen Handlungsbedarf, um diese neue Schulform wirklich nachhaltig erfolgreich auf den Weg zu bringen. Zu viele Fakten werden noch im Konjunktiv gehandelt.

Sorge bereitet dem VBE, dass unter den Starterschulen fast nur ein- oder zweizügige Werk­realschulen sind, die aufgrund geringerer Schülerzahlen um ihren Weiterbestand fürchten müs­sen. Auf der Erfolgsspur wären die Gemeinschaftsschulen aber erst dann, wenn auch Schüler mit einer Gymnasialempfehlung dort optimal gefördert würden.

Wenn die Gemeinschaftsschule eine überzeugende Schulart werden soll, ist schon der Start nach den Sommerferienentscheidend. Die Qualität muss von Beginn an überzeugen, soll diese neue Schulart eine Zukunft haben. Trotz aller Euphorie ist es der Politik bisher nicht so richtig gelungen, überzeugend darzustellen, wie sich Gemeinschaftsschulen von bereits bestehenden Ge­samtschulen abgrenzen. In der Öffentlichkeit herrscht zurzeit der Eindruck vor, dass die Gemein­schaftsschule eher als „rettender Strohhalm“ für sterbende Hauptschulen und damit als Stand­ortsicherung für Kommunen mit zurückgehenden Schülerzahlen angesehen wird. Bestenfalls sieht man in der neuen Schulart die organisatorische Zusammenlegung von Haupt- und Real­schule, wie das die CDU mit der „Oberschule“ angedacht hat.

Die neue Schulart hat vom Konzept her einen beinahe paradiesisch anmutenden Charme. Die Schulwirklichkeit ist für eine solche „Heile-Welt-Vision“ jedoch noch nicht genügend vorbe­reitet, zumal der Finanzminister des Landes alles dafür tut, dass die Schulen weder das Personal noch die sächlichen und räumlichen Ausstattungen bekommen, die sie für diese neue Schulform benötigen – auch mit Blick auf die Realisierung der Inklusion, die niemals kostenneutral zu haben ist.

1. Februar 2012

VBE: 34 Gemeinschaftsschulen zum Erfolg verdammt

Aber der Bildungsaufbruch darf kein zusätzliches Geld kosten

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht die grün-rote Lan­desregierung in der Zwickmühle. Auf der einen Seite müssen die 34 Starter-Gemein­schaftsschulen rasch sichtbare Erfolge vorweisen, damit sie in der Schullandschaft der Ren­ner werden, zu dem sie von den Befürwortern schon jetzt hochstilisiert werden. Anderer­seits ist Bildung ein langwieriger Prozess, dessen Früchte meist erst nach vielen Jahren ge­erntet werden können. Obendrein tritt der Finanzminister auf die Schuldenbremse und verhindert, dass die neue Schulart die Ausstattung bekommt, die sie eigentlich benötigt.

Wenn die Gemeinschaftsschule eine überzeugende Schulart werden soll, ist schon der Start ent­scheidend. Die Qualität muss von Beginn an überzeugen, soll die Gemeinschaftsschule eine Zu­kunft haben. Dabei sind nach Auffassung des VBE folgende Parameter zwingend notwendig: Die ausreichende Versorgung mit Lehrerstunden sollte dauerhaft gesichert sein – speziell wegen des Ganztagesbetriebes. Für die besondere Form des Lernens müssen die Lehrer umfassend aus- und weitergebildet werden. Die Zusammenarbeit zwischen allen Schularten muss – auch wegen mög­licher Übergänge von Schülern – reibungslos funktionieren. Institutionen und Einrichtungen im Umfeld der Schulen und aus der Lebenswelt der Schüler sollten feste Bestandteile des schu­lischen Alltags werden.

Der Politik ist es trotz etlicher Informationsveranstaltungen bisher nicht gelungen, überzeugend darzustellen, dass es sich bei den Gemeinschaftsschulen nicht um Gesamtschulen, sondern um et­was völlig Neues mit einem besonderen pädagogischen Konzept handelt. In der Öffentlichkeit ist vielfach der Eindruck entstanden, dass die Gemeinschaftsschule als Ersatz für die sterbende Hauptschule und damit als Standortsicherung für Kommunen mit zurückgehenden Schülerzahlen angesehen wird. Bestenfalls sieht man in der neuen Schulart die organisatorische Zusammenle­gung von Haupt- und Realschule, wie das die CDU mit der „Oberschule“ angedacht hat.

Der Zwang, mit der Gemeinschaftsschule zum Erfolg verdammt zu sein, und die dilettantische Umsetzung bei der Einführung – allein der Eiertanz um die Deputate der dort unterrichtenden Lehrer hat Kabarettniveau – bestätigen die Skeptiker der neuen Schulart, deren Grundidee in der Reinform trotzdem einen beinahe paradiesisch anmutenden Charme ausstrahlt. Die Schulwirk­lichkeit ist für solche Visionen aber noch nicht genügend vorbereitet, zumal der Finanzminister des Landes auch alles dafür tut, dass die Schulen weder das Personal noch die sächlichen und räumlichen Ausstattungen bekommen, die sie für diese neue Schulform benötigen – auch mit Blick auf die Realisierung der Inklusion, die niemals kostenneutral zu haben ist.

Als sehr problematisch erscheint dem VBE die Zusammenführung unterschiedlicher Lehrer in der Gemeinschaftsschule, so wie es in der Endausbaustufe sein soll. In den Lerngruppen arbeiten dann Pädagogen mit der Lehrbefähigung für Sonderschulen, Grundschulen, Haupt- und Werkre­alschulen, Realschulen, Gymnasien und Fachlehrer mit unterschiedlichen Unterrichtsverpflich­tungen (von 25 bis 31 Stunden pro Woche), mit unterschiedlichen Ausbildungswegen und -zeiten (von gerade mal zwei bis über sieben Jahre) sowie mit unterschiedlicher Besoldung [vom Fach­lehrer mit A 9 bis zum Studiendirektor mit A 15], was je nach Besoldungsstufe einen Gehaltsun­terschied von bis zu 3418 Euro monatlich(!) ausmachen kann.

22. Januar 2012

VBE-Stellungnahme zur Gemeinschaftsschule

Teil 1:

Eine neue Schulart in Baden-Württemberg:

Gemeinschaftsschule

(Auszug aus MKS-Papier)

 

Gründe für Gemeinschaftsschulen:

Die grün-rote Landesregierung versteht Bildungspolitik als einen Prozess, der von unten wächst. Dies gilt auch und in besonderem Maße für die Einführung der Gemeinschaftsschule. Es ist uns Ansporn und Verpflichtung, beste Bildungschancen für alle zu schaffen. Kinder und Jugendliche zu fördern, ihre Verschiedenheit als Wert anzuerkennen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten und Potenziale optimal zu entfalten, sind die Leitgedanken unserer Bildungspolitik. Dazu zählen selbstverständlich auch Kinder mit Behinderungen als Teil unserer Gesellschaft. Wir wollen dabei alle Bildungseinrichtungen unterstützen, sich verstärkt auf die Unterschiedlichkeit der jungen Menschen einzustellen.

Ziele der Gemeinschaftsschule

Durch ein Maximum an individuellem und ein Optimum an gemeinsamem Lernen entwickeln Kinder und Jugendliche Freude am Lernen.

  • Jedes Kind bekommt die bestmögliche Förderung und erreicht den optimalen Schulabschluss. Das gilt auch für Kinder mit Behinderungen.
  • Menschliche Unterschiede werden als Bereicherung erlebt und stärken im schulischen Alltag das Verständnis von Demokratie.
  • Herkunft und Bildungserfolg werden weitgehend entkoppelt.
  • Mit den Eltern wird aktive Erziehungspartnerschaft gelebt.

Pädagogisches Konzept der Gemeinschaftsschule

Die Gemeinschaftsschule ist eine leistungsstarke und sozial gerechte Schule, die sich sowohl am Leistungsprinzip als auch am Prinzip der Chancengleichheit orientiert. Die Gemeinschafts-schule ist eine Schule mit inklusivem Bildungsangebot, in der sowohl Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen und in ihren Begabungen gefördert werden.

Alle Bildungsstandards werden angeboten und die Schülerinnen und Schüler sollen bestmöglich nach ihren individuellen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Interessen gefördert werden. Dazu bietet die Gemeinschaftsschule eine anregende Lernumgebung an, in der voneinander und miteinander zielorientiert gelernt wird und wo selbstverantwortlich geforscht, gearbeitet, gespielt, gelacht und gefeiert werden kann. Kurz: Die Gemeinschaftsschule ist ein Lebens- und Erfahrungsraum, in dem sich Persönlichkeiten entwickeln können, die in unserer Gesellschaft ihren Platz finden wollen und können. Schülerzentrierte Lern- und Unterrichtsformen sollen ermöglichen, dass sich ein Maximum an individuellen Lernprozessen mit einem Optimum an gemeinsamem Lernen verbindet. Darüber hinaus findet eine Orientierung an der Berufs- und Lebenswelt statt und der enge Kontakt mit den Eltern wird zum Wohl der Kinder regelmäßig gepflegt

Formen der Gemeinschaftsschule

In der Regel umfasst eine Gemeinschaftsschule die Sekundarstufe I (Klassenstufen 5-10). Wenn die GMS in der Klassenstufe 10 eine genügend große Zahl von Schülerinnen oder Schülern mit Gymnasialniveau hat, kann sie eine Sekundarstufe II (Klassenstufen 11-13) zusätzlich anbieten. Auch die Aufnahme der Primarstufe (Klassenstufen 1-4) in eine Gemeinschaftsschule ist möglich. Insgesamt ergeben sich also vier Modellvarianten:

  • Klassenstufen 1-10
  • Klassenstufen 5-10
  • Klassenstufen 5-13
  • Klassenstufen 1-13

Eine Gemeinschaftsschule ist zumindest in den Klassenstufen 5-10 stets eine Ganztagsschule. Das bedeutet, dass an 3 oder 4 Tagen der Woche ein Ganztagesbetrieb mit rhythmisiertem pädagogischem Angebot gewährleistet sein muss.

Bildungspläne der Gemeinschaftsschule

Die derzeit gültigen Bildungspläne für die allgemein bildenden Schulen Baden-Württembergs stammen aus dem Jahr 2004. Im Rahmen der geplanten Reform der Bildungspläne 2015/16 bildet die Schnittmenge der Bildungspläne Hauptschule/Realschule/Gymnasium einen Basisplan für die Gemeinschaftsschule. Je nachdem, welcher Abschluss in der GMS angestrebt wird, gelten darüber hinaus die Bildungsstandards der entsprechenden Schularten. Die GMS arbeiten zunächst in den Jahrgangsstufen 5 und 6 nach dem Bildungsplan der Realschule 2004.

Lehrkräfte an der Gemeinschaftsschule

Im Endausbau werden an der Gemeinschaftsschule Lehrkräfte aller Schularten unterrichten. Alle Lehrerinnen und Lehrer können in allen Lerngruppen der Sekundarstufe I eingesetzt wer-den. Wenn die Gemeinschaftsschule eine Sekundarstufe II anbietet, unterrichten dort nur Gymnasiallehrerinnen und -lehrer. Die Gemeinschaftsschulen werden neue Stellen grundsätzlich durch schulbezogene Ausschreibungen besetzen

 

 

Schulabschlüsse der Gemeinschaftsschule

Da in den Lerngruppen alle Bildungsstandards angeboten und von unterschiedlichen Schüle-rinnen und Schülern nach ihren Fähigkeiten erreicht werden, sind auch alle Abschlüsse möglich:

  • Hauptschulabschluss nach Klasse 9 oder 10
  • Realschulabschluss nach Klasse 10
  • Abitur nach der Sekundarstufe II entweder an der GMS oder an einem allgemein bildenden Gymnasium

Teil 2:

VBE-Stellungnahme zur Gemeinschaftsschule:

Der VBE anerkennt die Absicht und Ziele der Einführung der Gemeinschaftsschulen als Bereicherung der Bildungslandschaft in Baden-Württemberg. Der VBE ist sich gleichzeitig aber auch bewusst, dass an den meisten Schulen/Schularten in Baden-Württemberg bisher gute Arbeit geleistet wurde und wird. Nationale Vergleiche legen dafür Zeugnis ab.

Der VBE meint dazu:

  • Zu fordern ist zunächst einmal eine klare semantische Trennung in der Begrifflichkeit im Umgang mit der neuen Schulart Gemeinschaftsschule in Abgrenzung zur Einheitsschule, Gesamtschule, Ganztagsschule und weiteren Schularten und –formen. Begriffe aus vorgeprägter politischer oder ideologischer Haltung als Synonyme sollen eher Verwirrung stiften und schaden jeder sachlichen Auseinandersetzung.
  • Eine Schule, in der jeder Schüler ausgehend von den unterschiedlichsten Voraussetzungen nach seinem individuellen Lernkonzept gefördert werden kann ist verantwortlich für ein Lernumfeld, in dem die Schüler ihre Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen können. Da hat sowohl der Hochbegabte als auch das schwache Kind aus sozial schwierigem Umfeld im gemeinsamen Miteinander seinen Platz. Eine solche Schule könnte das Fundament für eine neue Sozialverträglichkeit in unserer Gesellschaft darstellen. Viele Diskriminierungen und Abwertungen im gesellschaftlichen Gefüge, deren Grundlagen bereits im System Schule gelegt werden, könnten damit abgebaut werden! Die Politik muss daher dringend insbesondere die neuen Gemeinschaftsschulen (eigentlich alle Schulen) in die Lage versetzen, dieses auch leisten zu können.
  • Wenn die Gemeinschaftsschule eine überzeugende Schulart werden soll, ist der Start ganz entscheidend. Dort sollten nur solche Schulen zum Zuge kommen, die jetzt schon einen weiten Teil des Weges hinter sich haben. Denn in anderen Schulen sind weder die Lehrkräfte, noch die Eltern, noch die Schulträger ausreichend vorbereitet. Ansonsten wäre die Zielsetzung dieser Schule im Wesentlichen gefährdet.
  • Die Qualität einer Schulart muss von Beginn an überzeugen, will sie eine Zukunft haben. Zwingend notwendige Anforderungen ab sofort:
    • Es muss die Sicherheit der Lehrerversorgung geschaffen werden. Dabei ist sowohl die Anforderung an zusätzlichen Stunden für die Unterrichts/Lernversorgung als auch für die Versorgung der Stunden für den gebundenen Ganztagsbetrieb zu sichern.
    • Über die vordringlich notwendige Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte und des pädagogischen Personals muss der Qualitätsanspruch der Gemeinschaftsschule absolut gesichert sein. Die Gemeinschaftsschule wird zuallererst an ihrer Qualität ihre Existenzberechtigung nachweisen müssen!
    • Die Ausbildung der Lehrkräfte ist längst überfällig. Insbesondere der Umgang mit Heterogenität muss Schwerpunkt werden. Hier führt traditionelles Denken, Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien würden in homogenen Gruppen arbeiten, absolut zum Irrtum und zum Hindernis! In keiner Schulart gibt es heute homogene Gruppen. Neues Denken ist hier angesagt – auch wenn das einige politische Gruppierungen nicht wahrnehmen wollen!
    • Die Kooperation der unterschiedlich beteiligten Schularten muss in eine verständliche und nachvollziehbare Form (z.B. nicht mit ev. „Zwangseinstellungen“ im Gymnasium) gebracht werden.
    • Kooperationsformen mit außerschulischen Partnern müssen dringend neu angedacht werden. Insbesondere der Ganztagsbetrieb fordert, das Leben in die Schule zu bringen. Kinder lernen nach aktuellen Forschungsergebnissen am meisten von konkreten Lebensbezügen (Prof. Hüther). Daher müssen Kontakte nach außen das Schulleben einer Gemeinschaftsschule erweitern. Institutionen und Einrichtungen im Lebenskreis der Schulen sollten selbstverständliche Bestandteile des schulischen Alltags werden. Schüler sollten am Leben lernen!
    • Über Elterninformation sollte die äußere Zustimmung abgesichert werden. Elternschulen/Elternkurse müssen Begleitinstrumente einer Gemeinschaftsschule werden.
    • Bei Schulträgern muss über umfassende Information für Klarheit und Sicherheit gesorgt werden.
  • Der Politik ist die Darstellung bisher nicht gelungen, dass es sich bei Gemeinschaftsschulen um „etwas völlig Neues“ mit einem völlig veränderten pädagogischen Konzept handelt. Ein Vergleich mit den traditionellen Schularten ist da sehr hinderlich! In der Öffentlichkeit ist vielfach der Eindruck entstanden, dass die Gemeinschaftsschule Ersatzschule für „auslaufende“ Hauptschulen oder als Standortsicherung für gefährdete Standorte bestenfalls als die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule gesehen werden kann!

Dadurch ist die Gemeinschaftsschule jetzt schon in ein gefährliches Fahrwasser geraten: Da sich vorwiegend Hauptschulen oder maximal Haupt/Realschulen für das Modell interessieren, ist das Gymnasium im Verständnis der Menschen im Zusammenhang mit Gemeinschaftsschulen nicht vorhanden. Warum sollte da ein Gymnasialschüler auf eine Gemeinschaftsschule wechseln? Ein Stigma scheint vorbereitet, das schwer widerlegbar sein wird! Das Gymnasium muss in einer Gemeinschaftsschule von Anfang an im Boot sein!

  • Neben dem Lehrer als Lernbegleiter (vom Sonderschullehrer bis zum Gymnasiallehrer!) müssen externe Mitarbeiter wie Sozialarbeiter, Logo- und Ergotherapeuten, Heilpädagogen u.a. in das Schulleben einbezogen werden. Gerade durch die Mitarbeit der Sonderpädagogen in den neuen Schulteams würde der Sonderpädagogik eine breitere Bedeutung für alle Kinder/Jugendliche und eine feste Verankerung in dieser Schulart zukommen. Durch inklusives Arbeiten würde die Arbeit dieser neuen Schulart insbesondere aufgewertet.
  • Als sehr problematisch erscheint dem VBE die Vereinigung unterschiedlicher Lehrerqualifikationen in einer neuen Schulart. Lehrkräfte aus Sonderschule, Grundschule, Haupt/ Werkrealschule, Realschule und Gymnasium arbeiten mit unterschiedlichen Arbeitszeiten, unterschiedlichen Ausbildungszeiten und unterschiedlicher Besoldung in einer Schulart! Für den VBE ist damit eine große Baustelle vorprogrammiert!
  • Lerngruppen müssen den traditionellen Klassenverband ersetzen. Sie sind lerntheoretische und soziale Bezugspunkte des Einzelnen. Aber Stammgruppen müssen gerade für schwächere Kinder den notwenigen Halt und die angemessene Geborgenheit bieten. Das erfordert natürlich neben der personellen auch eine sächliche Voraussetzung: räumliche Umgestaltung von Klassenzimmern zu Lernwelten, Schaffung von Lern- und Kommunikationsplätzen und Rückzugsmöglichkeiten für Individualität.
  • Das Problem der wohnortnahen Schule bei rückläufigen Schülerzahlen kann auch durch die Einführung der Gemeinschaftsschule nicht gelöst werden. Es ist an der Zeit, den Schulen und Schulträgern hier „reinen Wein“ einzuschenken und nicht falsche Hoffnungen zu schüren, die nachher zu maßlosen Enttäuschungen führen! Schulschließungen in Flächengebieten werden nicht zu verhindern sein. Hier tut die Wahrheit weh! Politik muss aber zur Wahrheit stehen!
  • Für die Schulträgerschaften ist die Klärung des Umgangs mit der Frage nach der Schulraumsituation und der damit verbundenen Bezuschussung durch die Landesregierung zu klären. Insbesondere sind beim Problem der „Inklusiven Bildung“ viel Fragen offen (Personalsituation, Klassen/Lerngruppengrößen, Behinderten-Ausstattung, Materialausstattung)
  • Zu begrüßen ist, dass Gemeinschaftsschule nur in gebundener Ganztagsschulform stattfinden soll. Denn nur in gebundener Form ist verbindliches individuelles Arbeiten möglich und planbar! Der Lernraum Schule kann nur dadurch zum Lebensraum Schule werden! Dabei ist aber das personelle Problem drückend. Nicht-unterrichtliche Zeiten sollten mit pädagogischem Stammpersonal, das von der Schule auf die Situation vor Ort abgestimmt ausgewählt wird und nicht mit vom Schulträger beschäftigten 400-Euro-Kräften versorgt werden!
  • Integrative Modelle kommen bei der Leistungseinforderung in Erklärungsnot. Es muss jetzt deutlich herausgearbeitet werden, wie die unterschiedlichen  Leistungsniveaus (Sonderschulniveau bis Gymnasialstandard) erreichbar und kompatibel sind.
  • Die Abschlussniveaus der einzelnen Schularten müssen wegen eventuell notwendiger Mobilität der Familien und der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen gesichert sein.
  • Der Ausbau integrierter und integrierender Lernformen über das traditionelle Schulartenverständnis hinaus in einer Schulart und die damit unweigerlich verbundene neue Organisationsstruktur in der Lehrkräfte aller Schularten arbeiten, eröffnet den Einstieg in die Neugestaltung des überkommenen Dienstrechtes im Lehrerberuf. In der Gemeinschaftsschule sind alle Lehrer im gleichen Boot („Alle Lehrer sind Lehrer“)!  „Alle Lehrer sind heute universitär ausgebildete Expertinnen/en, die lehren, erziehen, beraten, und innovieren“ wie der Deutsche Bildungsrat 1970 zusammengefasst hat. Hier fordert der VBE erneut die Gleichwertigkeit der Lehrämter ein!

Der VBE begrüßt jede Weiterentwicklung unseres Schulwesens, die zur Verbesserung von Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen beiträgt. Der VBE sieht eine solche Möglichkeit in der Einführung der Gemeinschaftsschule dort gegeben, wo die Gemeinschaftsschule von allen Beteiligten gewollt und akzeptiert ist und die Rahmenbedingungen erfüllt sind. Zukünftigen positiven Ergebnissen steht der VBE offen gegenüber und wird diese Entwicklung unterstützend begleiten.

Er bemängelt Fehlentwicklungen bei der Einführung solcher Schulen wie Zeitmangel, Informationsdefizite, nicht definierbare Rahmenbedingungen, pauschalierende Qualitätsaussagen, „Hoffnungsschinderei“ für geplagte Schulträger, fehlende Bildungspläne, ungeklärte Situation für Unterstützungssysteme (z.B. Päd. Assistenten).

Eine solche Einführung mit gewaltigen handwerklichen Fehlern hat die zu begrüßende Zielsetzung dieser Schulart durchaus nicht verdient!

„Nichts ist so konstant wie die Veränderung – in der Gesellschaft – so auch in der Schule!“

Beschluss Landesvorstand 17.01.2012

Verantwortlich: Otmar Winzer, Stellvertretender VBE-Landesvorsitzender

Wo Milch und Honig fließen

Gerhard Brand, VBE-Landesvorsitzender zum Koalitionsvertrag

Schon vor der Regierungsbildung waren die Inhalte des Koalitionsvertrages bekannt. Vierzehn von insgesamt 93 Seiten sind der Bildung gewidmet, ein knappes Sechstel immerhin.
Trotz aller anfänglicher Skepsis ist festzustellen: Es liest sich zunächst einmal gut! Alles scheint möglich zu sein. G8 neben G9, differenzierte Systeme neben Gemeinschaftssystemen, ein zehntes Schuljahr für alle und vieles mehr. Die Ankündigungen im Koalitionsvertrag kommen einem Füllhorn gleich, das über der Bildung ausgeschüttet wird.

Nichts von dem Bekannten und Bewährten wird gestrichen. Das differenzierte Schulsystem  mit Grundschule, Hauptschule, Werkrealschule, Realschule, Gymnasium und Sonderschulen wird nicht abgeschafft. Das wird manchen ruhiger schlafen lassen. Aber die Entwicklung beginnt! Es ist kein Geheimnis, die Grünen, wie auch die SPD wollen die Gemeinschaftsschule. Eine Gemeinschaftsschule, die auch das Gymnasium beherbergen soll. Die von Klasse fünf bis Klasse zehn geht. Die zwingend eine Ganztagsschule ist, voll gebunden. Diese Gemeinschaftsschule wird nun auch in Baden-Württemberg kommen, aber sie kommt auf freiwilliger Basis. Wer so weitermachen möchte wie bisher, der darf das, und wer eine Gemeinschaftsschule errichten möchte, der kann einen Antrag stellen. Die Parallelen zu Nordrhein-Westfalen sind deutlich. So deutlich, dass sich ein Blick über den Zaun lohnt. Seit dem Regierungswechsel in Düsseldorf im Juli 2010 von Jürgen Rüttgers zu Hannelore Kraft mit der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann herrscht dort genau das Modell, das die neue baden-württembergische Landesregierung einzuführen gedenkt. Mit Datum vom Januar 2011 hatte Nordrhein-Westfalen von 19 Anträgen auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule 17 genehmigt. Warum zwei Anträge nicht genehmigt wurden, liegt daran, dass sie die grundlegenden Voraussetzungen zur Genehmigung nicht erfüllten. Eine der Voraussetzungen lautet beispielsweise: „Die Gemeinschaftsschule entsteht in der Regel durch die Zusammenführung bestehender Schulen.“ Das Vorhaben ist auf sechs Jahre angelegt und soll wissenschaftlich begleitet werden.

Kommunen, die vor kurzem noch um ihren Schulstandort zitterten, wittern jetzt Morgenluft. Denn der grün-rote Koalitionsvertrag der baden-württembergischen Landesregierung sagt deutlich:

„Die Gemeinschaftsschulen sollen besonders im ländlichen Raum wohnortnahe Schulstandorte mit einem breiten Bildungsangebot sichern.“ Da zu vermuten ist, dass sich die Voraussetzungen zur Genehmigung bei den beiden Bundesländern nicht allzu sehr unterscheiden, wird es – bei allem Wohlwollen – etwas schwierig, eine Stringenz in Kausalität und Aussage zu erkennen. Wenn Schulen zusammengeführt werden, dann werden nicht zwingend wohnortnahe Schulstandorte gesichert. Zumindest nicht flächendeckend! Wo Hauptschule, Realschule und Gymnasium in einem Ort vertreten sind – was im ländlichen Raum eher selten der Fall sein dürfte –, kann es funktionieren. Wo die Hauptschule die einzige Schulart ist, ist sie weg. Sie wird im Nachbardorf mit der Realschule und dem Gymnasium fusioniert werden. Also gerade im ländlichen Raum wird es nicht funktionieren!

Die ersten Schreiben der Kommunen an die Schulleitungen sind eingetroffen. Der Inhalt: „… bitten wir die Schulleitung um Vorlage eines Planes, wie die Weiterentwicklung der Schule aussehen wird …“. Das nennt man nach vorn gedacht! Zum einen ist es Sache der Kommune, diesen Antrag zu stellen „… Grundlage ist ein Beschluss des Schulträgers …“, so steht es im Koalitionsvertrag. Zum anderen ist es korrekt, wenn die Kommune die Schulleitung einbindet. Aber in was, um Gottes Willen, sollen die Schulleitungen denn eingebunden werden? Der Koalitionsvertrag stellt eine Absichtserklärung dar in dem Sinn: „Das wollen wir so machen, wenn wir die Regierung übernommen haben.“ Nicht mehr! Da ist noch nicht im Entferntesten geklärt, welche Rahmenbedingungen vorliegen müssen, damit eine Genehmigung erfolgreich sein kann. Vielleicht orientiert sich Stuttgart an Düsseldorf – das wäre neu! Aber es sind auch sehr landesspezifische Fragen zu klären: die Finanzierung. Wie wird für eine Ganztagsgemeinschaftsschule das Personal finanziert werden? Wie die Lehrerbildung und das Laufbahnrecht? Welche Lehrer sollen in einer Gemeinschaftsschule unterrichten? Die Absicht von Grün-Rot, den Stufenlehrer einzuführen, würde diese Frage beantworten und die aktuell noch unpassende Situation entschärfen. Wie lange dauert es, bis die Studienordnungen geändert, die daraus folgenden Prüfungsordnungen angepasst sind und die ersten Studierenden die Hochschule mit Bachelor oder Master durchlaufen haben? Möglicherweise vergeht mehr Zeit, als eine Legislaturperiode dauert. Niemand kann vorhersagen, was die nächsten Wahlen bringen werden, und so kann auch niemand vorhersagen, ob so ein grundlegender Prozess der Veränderung während des Laufes gestoppt oder ob er fortgeführt werden wird.

„… bitten wir die Schulleitung um Vorlage eines Planes …“, den hätten wir selbst gerne! Wir wissen, die Inklusion soll ohne Wenn und Aber umgesetzt werden. Wir wissen, die aktuelle Werkrealschule soll so nicht fortgeführt werden. Wir wissen, die Bildungshäuser werden nicht weiter aufgelegt und finanziert werden. Wir haben keine Ahnung, was stattdessen kommen soll und wie das, was kommen wird, ausgestaltet werden soll. Bei allem Respekt, auch die Landesregierung wird wohl die Antwort schuldig bleiben. Aber das Schuljahr neigt sich dem Ende zu, und so viele Fragen, die zum Planen des kommenden Schuljahres beantwortet gehören, sind offen. Unter diesen Voraussetzungen kann eine in die Zukunft gerichtete Planung nicht erfolgen. Wir machen zunächst also weiter, wie gewohnt – auch wenn sich`s vielleicht nicht lohnt.

Da Bildung von Kontinuität, von Ruhe, Sorgsamkeit und Weitblick lebt, ergeht die dringende Bitte des Verbandes Bildung und Erziehung VBE an die Regierung, Sorge dafür zu tragen, dass nicht Prozesse eingeläutet werden, die nicht sinnvoll und sicher eingeführt, verlässlich fortgeführt und dauerhaft umgesetzt werden können. Der Scherbenhaufen in der Bildung wäre immens. Zu oft haben wir Schulleiter Reformen  mitgetragen, Veränderungen herbeigeführt, Neuerungen implementiert, Entwicklungen evaluiert und anschließend wieder alles eliminiert. Wie oft haben wir nach Kontinuität gerufen und nach Ruhe im System. Es geht nicht um die viele unnütze Arbeit, die diese temporären Anforderungen hervorgebracht haben, das ertragen wir mit Demut. Es geht vielmehr um die enttäuschten Menschen, die zurück geblieben sind. Die Lehrer, die sich ans Werk gemacht und diese Prozesse mitgestaltet haben, die sie passgenau für die Situation an ihrer Schule zurecht gefeilt haben. Es geht um die Eltern, die geglaubt haben, dass neue Konzepte ihre Kinder nach vorn bringen. Es geht um die Kinder, die zum Spielball politischer Feldversuche wurden. Es geht immer um die Menschen und es geht um Vertrauen!

Wenn Sie jetzt fragen: „Wo fließen denn nun Milch und Honig?“ „Im Märchenland, geneigte Leserinnen und Leser, nur dort!“

Es grüßt Sie herzlichst
Ihr Gerhard Brand
VBE-Landesvorsitzender

Auszüge aus dem Koalitionsvertrag

Inklusion:

Umsetzung der Inklusion in vollem Umfang auch für die frühkindliche Bildung! Schaffung von räumlicher, sächlicher und personeller Ausstattung. Es gilt das Zwei-Pädagogen-¬Prinzip. Sonderpädagogen sind ausdrücklich erforderlich!

Elementar- und Primarbereich:

Eigenständiger Bildungsauftrag für die Kindertageseinrichtungen. Mehr Personal und eine Qualifizierungsoffensive. Sprachförderung mit Mitteln des Landes.
Kein weiterer Ausbau der Bildungshäuser mit Landesmitteln.
Bessere und flächendeckende Kooperation zwischen Grundschule und Kindertagesstätte.

Primar- und Sekundarbereich:

Abschaffung der Grundschulempfehlung
Ganztagsschulprogramm
Innovationspool für Gemeinschaftsschulen
Sonderpädagogische Förderung von Kindern mit Behinderungen in der Regelschule.
Sonderprogramm gegen Unterrichtsausfall
Zehntes Schuljahr für alle Schüler an Haupt- und Werkrealschulen. Der Hauptschulabschluss kann auch nach Klasse 10 erworben werden. Keine Auslagerung von Unterricht in der zehnten Klasse der Werkrealschule an  die Berufsschule. Streichung der Wahlpflichtfächer, dafür breite berufliche Orientierung.
Stärkung der Realschulen
Alle Fächerverbünde werden kritisch geprüft.

Lehrerausbildung und Schulleitung:

Mehr Mitentscheidungskompetenz der Schulkonferenz und des Schulträgers  bei der Besetzung von Schulleitungsstellen.
Schulartbezogene Ausbildung zugunsten des Stufenlehramts.
Umsetzung des Bolognaprozesses in der Lehramtsausbildung. Aber keine klare Aussage, ob der Bachelor- oder der Masterabschluss für Lehrer das Ziel ist (Nordrhein-Westfalen: Zehn Semester für alle und Master als Abschluss).
Neue Beurteilung der Arbeitszeit der Lehrer.

Der komplette Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung steht auf der Homepage des VBE Baden-Württemberg für Sie zum download bereit.