VBE: Eltern können selber sehr früh viel für ihre Kinder tun

Mehr Bildungschancen nicht nur durch Gemeinschaftsschulen

Stuttgart. Die Übergangszahlen der Viertklässler auf die weiterführenden Schulen wer­den zurzeit heiß diskutiert. Insbesondere von den Gemeinschaftsschulen er­hofft sich die grün-rote Landesregierung mehr Bildungschancen und mehr Bildungsgerechtigkeit für Schüler aus bildungsferneren Elternhäusern. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg möchte auch die Eltern mit eingebunden wissen, Kinder schon sehr früh durch verlässlich posi­tive Zuwendung und dauerhaft emotionale Begleitung optimal zu fördern.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Der VBE appelliert an alle Eltern, die ersten Lebensjahre eines Kindes intensiv zu nützen und durch emotionale Zuwendung und intensive Förderung kognitiver Fä­higkeiten und motorischer Fertigkeiten die Bildungschancen der jungen Erdenbür­ger noch  vor  Eintritt in den Kindergarten oder in die Schule zu optimieren.

„Die politisch Verantwortlichen zeigen sich durchaus bemüht, Verbesserungen bei der Bildung und Erziehung junger Menschen zu erreichen“, versichert der VBE-Sprecher. Die Realisierung vieler guter Ideen scheitere jedoch meist an den viel zu knappen Haushaltsmitteln. Eltern könnten jedoch völlig kostenneutral durch ihren persönlichen Einsatz sehr früh sehr viel für das eigene Kind tun.

Die Wissenschaft hat erkannt, wie wichtig die ersten Lebensjahre für die Grund­steinlegung vieler Fähigkeiten und Fertigkeiten sind. Man weiß auch, dass in vielen Elternhäusern den Kindern immer weniger Zuwendung zuteilwird und dass häufig der Fernsehapparat die Funktion eines Babysitters übernommen hat. Dadurch wer­den Bewegung und Ausprobieren, freies Spielen und das eigene Tun der Kinder verhindert. Es gibt Untersuchungen, die davon ausgehen, dass nicht einmal mehr in jeder zweiten Familie vorgelesen, miteinander gespielt und gesungen wird. Trotz­dem verdrängt man aus falsch verstandener „politischer Korrektheit“ immer wie­der, dass bei der Bildung und Erziehung von Kindern nicht nur die Politik, sondern auch die Familien mit in die Pflicht genommen gehörten. „Nicht der Staat und seine Institutionen sind zuvörderst gefordert, sondern zunächst einmal jeder Vater und jede Mutter“, unterstreicht der VBE-Sprecher eigentlich Selbstverständliches. „Die­ses Elternrecht entbindet das Land nicht von der Pflicht, Schulen so zu gestalten, dass dort effizient gelernt und gelehrt werden kann und den jungen Menschen opti­male Möglichkeiten für ein erfolgreiches und nachhaltiges Lernen geboten wer­den.“

6. April 2012

VBE: 34 Gemeinschaftsschulen zum Erfolg verdammt

Aber der Bildungsaufbruch darf kein zusätzliches Geld kosten

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht die grün-rote Lan­desregierung in der Zwickmühle. Auf der einen Seite müssen die 34 Starter-Gemein­schaftsschulen rasch sichtbare Erfolge vorweisen, damit sie in der Schullandschaft der Ren­ner werden, zu dem sie von den Befürwortern schon jetzt hochstilisiert werden. Anderer­seits ist Bildung ein langwieriger Prozess, dessen Früchte meist erst nach vielen Jahren ge­erntet werden können. Obendrein tritt der Finanzminister auf die Schuldenbremse und verhindert, dass die neue Schulart die Ausstattung bekommt, die sie eigentlich benötigt.

Wenn die Gemeinschaftsschule eine überzeugende Schulart werden soll, ist schon der Start ent­scheidend. Die Qualität muss von Beginn an überzeugen, soll die Gemeinschaftsschule eine Zu­kunft haben. Dabei sind nach Auffassung des VBE folgende Parameter zwingend notwendig: Die ausreichende Versorgung mit Lehrerstunden sollte dauerhaft gesichert sein – speziell wegen des Ganztagesbetriebes. Für die besondere Form des Lernens müssen die Lehrer umfassend aus- und weitergebildet werden. Die Zusammenarbeit zwischen allen Schularten muss – auch wegen mög­licher Übergänge von Schülern – reibungslos funktionieren. Institutionen und Einrichtungen im Umfeld der Schulen und aus der Lebenswelt der Schüler sollten feste Bestandteile des schu­lischen Alltags werden.

Der Politik ist es trotz etlicher Informationsveranstaltungen bisher nicht gelungen, überzeugend darzustellen, dass es sich bei den Gemeinschaftsschulen nicht um Gesamtschulen, sondern um et­was völlig Neues mit einem besonderen pädagogischen Konzept handelt. In der Öffentlichkeit ist vielfach der Eindruck entstanden, dass die Gemeinschaftsschule als Ersatz für die sterbende Hauptschule und damit als Standortsicherung für Kommunen mit zurückgehenden Schülerzahlen angesehen wird. Bestenfalls sieht man in der neuen Schulart die organisatorische Zusammenle­gung von Haupt- und Realschule, wie das die CDU mit der „Oberschule“ angedacht hat.

Der Zwang, mit der Gemeinschaftsschule zum Erfolg verdammt zu sein, und die dilettantische Umsetzung bei der Einführung – allein der Eiertanz um die Deputate der dort unterrichtenden Lehrer hat Kabarettniveau – bestätigen die Skeptiker der neuen Schulart, deren Grundidee in der Reinform trotzdem einen beinahe paradiesisch anmutenden Charme ausstrahlt. Die Schulwirk­lichkeit ist für solche Visionen aber noch nicht genügend vorbereitet, zumal der Finanzminister des Landes auch alles dafür tut, dass die Schulen weder das Personal noch die sächlichen und räumlichen Ausstattungen bekommen, die sie für diese neue Schulform benötigen – auch mit Blick auf die Realisierung der Inklusion, die niemals kostenneutral zu haben ist.

Als sehr problematisch erscheint dem VBE die Zusammenführung unterschiedlicher Lehrer in der Gemeinschaftsschule, so wie es in der Endausbaustufe sein soll. In den Lerngruppen arbeiten dann Pädagogen mit der Lehrbefähigung für Sonderschulen, Grundschulen, Haupt- und Werkre­alschulen, Realschulen, Gymnasien und Fachlehrer mit unterschiedlichen Unterrichtsverpflich­tungen (von 25 bis 31 Stunden pro Woche), mit unterschiedlichen Ausbildungswegen und -zeiten (von gerade mal zwei bis über sieben Jahre) sowie mit unterschiedlicher Besoldung [vom Fach­lehrer mit A 9 bis zum Studiendirektor mit A 15], was je nach Besoldungsstufe einen Gehaltsun­terschied von bis zu 3418 Euro monatlich(!) ausmachen kann.

22. Januar 2012

VBE-Stellungnahme zur Gemeinschaftsschule

Teil 1:

Eine neue Schulart in Baden-Württemberg:

Gemeinschaftsschule

(Auszug aus MKS-Papier)

 

Gründe für Gemeinschaftsschulen:

Die grün-rote Landesregierung versteht Bildungspolitik als einen Prozess, der von unten wächst. Dies gilt auch und in besonderem Maße für die Einführung der Gemeinschaftsschule. Es ist uns Ansporn und Verpflichtung, beste Bildungschancen für alle zu schaffen. Kinder und Jugendliche zu fördern, ihre Verschiedenheit als Wert anzuerkennen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten und Potenziale optimal zu entfalten, sind die Leitgedanken unserer Bildungspolitik. Dazu zählen selbstverständlich auch Kinder mit Behinderungen als Teil unserer Gesellschaft. Wir wollen dabei alle Bildungseinrichtungen unterstützen, sich verstärkt auf die Unterschiedlichkeit der jungen Menschen einzustellen.

Ziele der Gemeinschaftsschule

Durch ein Maximum an individuellem und ein Optimum an gemeinsamem Lernen entwickeln Kinder und Jugendliche Freude am Lernen.

  • Jedes Kind bekommt die bestmögliche Förderung und erreicht den optimalen Schulabschluss. Das gilt auch für Kinder mit Behinderungen.
  • Menschliche Unterschiede werden als Bereicherung erlebt und stärken im schulischen Alltag das Verständnis von Demokratie.
  • Herkunft und Bildungserfolg werden weitgehend entkoppelt.
  • Mit den Eltern wird aktive Erziehungspartnerschaft gelebt.

Pädagogisches Konzept der Gemeinschaftsschule

Die Gemeinschaftsschule ist eine leistungsstarke und sozial gerechte Schule, die sich sowohl am Leistungsprinzip als auch am Prinzip der Chancengleichheit orientiert. Die Gemeinschafts-schule ist eine Schule mit inklusivem Bildungsangebot, in der sowohl Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen und in ihren Begabungen gefördert werden.

Alle Bildungsstandards werden angeboten und die Schülerinnen und Schüler sollen bestmöglich nach ihren individuellen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Interessen gefördert werden. Dazu bietet die Gemeinschaftsschule eine anregende Lernumgebung an, in der voneinander und miteinander zielorientiert gelernt wird und wo selbstverantwortlich geforscht, gearbeitet, gespielt, gelacht und gefeiert werden kann. Kurz: Die Gemeinschaftsschule ist ein Lebens- und Erfahrungsraum, in dem sich Persönlichkeiten entwickeln können, die in unserer Gesellschaft ihren Platz finden wollen und können. Schülerzentrierte Lern- und Unterrichtsformen sollen ermöglichen, dass sich ein Maximum an individuellen Lernprozessen mit einem Optimum an gemeinsamem Lernen verbindet. Darüber hinaus findet eine Orientierung an der Berufs- und Lebenswelt statt und der enge Kontakt mit den Eltern wird zum Wohl der Kinder regelmäßig gepflegt

Formen der Gemeinschaftsschule

In der Regel umfasst eine Gemeinschaftsschule die Sekundarstufe I (Klassenstufen 5-10). Wenn die GMS in der Klassenstufe 10 eine genügend große Zahl von Schülerinnen oder Schülern mit Gymnasialniveau hat, kann sie eine Sekundarstufe II (Klassenstufen 11-13) zusätzlich anbieten. Auch die Aufnahme der Primarstufe (Klassenstufen 1-4) in eine Gemeinschaftsschule ist möglich. Insgesamt ergeben sich also vier Modellvarianten:

  • Klassenstufen 1-10
  • Klassenstufen 5-10
  • Klassenstufen 5-13
  • Klassenstufen 1-13

Eine Gemeinschaftsschule ist zumindest in den Klassenstufen 5-10 stets eine Ganztagsschule. Das bedeutet, dass an 3 oder 4 Tagen der Woche ein Ganztagesbetrieb mit rhythmisiertem pädagogischem Angebot gewährleistet sein muss.

Bildungspläne der Gemeinschaftsschule

Die derzeit gültigen Bildungspläne für die allgemein bildenden Schulen Baden-Württembergs stammen aus dem Jahr 2004. Im Rahmen der geplanten Reform der Bildungspläne 2015/16 bildet die Schnittmenge der Bildungspläne Hauptschule/Realschule/Gymnasium einen Basisplan für die Gemeinschaftsschule. Je nachdem, welcher Abschluss in der GMS angestrebt wird, gelten darüber hinaus die Bildungsstandards der entsprechenden Schularten. Die GMS arbeiten zunächst in den Jahrgangsstufen 5 und 6 nach dem Bildungsplan der Realschule 2004.

Lehrkräfte an der Gemeinschaftsschule

Im Endausbau werden an der Gemeinschaftsschule Lehrkräfte aller Schularten unterrichten. Alle Lehrerinnen und Lehrer können in allen Lerngruppen der Sekundarstufe I eingesetzt wer-den. Wenn die Gemeinschaftsschule eine Sekundarstufe II anbietet, unterrichten dort nur Gymnasiallehrerinnen und -lehrer. Die Gemeinschaftsschulen werden neue Stellen grundsätzlich durch schulbezogene Ausschreibungen besetzen

 

 

Schulabschlüsse der Gemeinschaftsschule

Da in den Lerngruppen alle Bildungsstandards angeboten und von unterschiedlichen Schüle-rinnen und Schülern nach ihren Fähigkeiten erreicht werden, sind auch alle Abschlüsse möglich:

  • Hauptschulabschluss nach Klasse 9 oder 10
  • Realschulabschluss nach Klasse 10
  • Abitur nach der Sekundarstufe II entweder an der GMS oder an einem allgemein bildenden Gymnasium

Teil 2:

VBE-Stellungnahme zur Gemeinschaftsschule:

Der VBE anerkennt die Absicht und Ziele der Einführung der Gemeinschaftsschulen als Bereicherung der Bildungslandschaft in Baden-Württemberg. Der VBE ist sich gleichzeitig aber auch bewusst, dass an den meisten Schulen/Schularten in Baden-Württemberg bisher gute Arbeit geleistet wurde und wird. Nationale Vergleiche legen dafür Zeugnis ab.

Der VBE meint dazu:

  • Zu fordern ist zunächst einmal eine klare semantische Trennung in der Begrifflichkeit im Umgang mit der neuen Schulart Gemeinschaftsschule in Abgrenzung zur Einheitsschule, Gesamtschule, Ganztagsschule und weiteren Schularten und –formen. Begriffe aus vorgeprägter politischer oder ideologischer Haltung als Synonyme sollen eher Verwirrung stiften und schaden jeder sachlichen Auseinandersetzung.
  • Eine Schule, in der jeder Schüler ausgehend von den unterschiedlichsten Voraussetzungen nach seinem individuellen Lernkonzept gefördert werden kann ist verantwortlich für ein Lernumfeld, in dem die Schüler ihre Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen können. Da hat sowohl der Hochbegabte als auch das schwache Kind aus sozial schwierigem Umfeld im gemeinsamen Miteinander seinen Platz. Eine solche Schule könnte das Fundament für eine neue Sozialverträglichkeit in unserer Gesellschaft darstellen. Viele Diskriminierungen und Abwertungen im gesellschaftlichen Gefüge, deren Grundlagen bereits im System Schule gelegt werden, könnten damit abgebaut werden! Die Politik muss daher dringend insbesondere die neuen Gemeinschaftsschulen (eigentlich alle Schulen) in die Lage versetzen, dieses auch leisten zu können.
  • Wenn die Gemeinschaftsschule eine überzeugende Schulart werden soll, ist der Start ganz entscheidend. Dort sollten nur solche Schulen zum Zuge kommen, die jetzt schon einen weiten Teil des Weges hinter sich haben. Denn in anderen Schulen sind weder die Lehrkräfte, noch die Eltern, noch die Schulträger ausreichend vorbereitet. Ansonsten wäre die Zielsetzung dieser Schule im Wesentlichen gefährdet.
  • Die Qualität einer Schulart muss von Beginn an überzeugen, will sie eine Zukunft haben. Zwingend notwendige Anforderungen ab sofort:
    • Es muss die Sicherheit der Lehrerversorgung geschaffen werden. Dabei ist sowohl die Anforderung an zusätzlichen Stunden für die Unterrichts/Lernversorgung als auch für die Versorgung der Stunden für den gebundenen Ganztagsbetrieb zu sichern.
    • Über die vordringlich notwendige Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte und des pädagogischen Personals muss der Qualitätsanspruch der Gemeinschaftsschule absolut gesichert sein. Die Gemeinschaftsschule wird zuallererst an ihrer Qualität ihre Existenzberechtigung nachweisen müssen!
    • Die Ausbildung der Lehrkräfte ist längst überfällig. Insbesondere der Umgang mit Heterogenität muss Schwerpunkt werden. Hier führt traditionelles Denken, Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien würden in homogenen Gruppen arbeiten, absolut zum Irrtum und zum Hindernis! In keiner Schulart gibt es heute homogene Gruppen. Neues Denken ist hier angesagt – auch wenn das einige politische Gruppierungen nicht wahrnehmen wollen!
    • Die Kooperation der unterschiedlich beteiligten Schularten muss in eine verständliche und nachvollziehbare Form (z.B. nicht mit ev. „Zwangseinstellungen“ im Gymnasium) gebracht werden.
    • Kooperationsformen mit außerschulischen Partnern müssen dringend neu angedacht werden. Insbesondere der Ganztagsbetrieb fordert, das Leben in die Schule zu bringen. Kinder lernen nach aktuellen Forschungsergebnissen am meisten von konkreten Lebensbezügen (Prof. Hüther). Daher müssen Kontakte nach außen das Schulleben einer Gemeinschaftsschule erweitern. Institutionen und Einrichtungen im Lebenskreis der Schulen sollten selbstverständliche Bestandteile des schulischen Alltags werden. Schüler sollten am Leben lernen!
    • Über Elterninformation sollte die äußere Zustimmung abgesichert werden. Elternschulen/Elternkurse müssen Begleitinstrumente einer Gemeinschaftsschule werden.
    • Bei Schulträgern muss über umfassende Information für Klarheit und Sicherheit gesorgt werden.
  • Der Politik ist die Darstellung bisher nicht gelungen, dass es sich bei Gemeinschaftsschulen um „etwas völlig Neues“ mit einem völlig veränderten pädagogischen Konzept handelt. Ein Vergleich mit den traditionellen Schularten ist da sehr hinderlich! In der Öffentlichkeit ist vielfach der Eindruck entstanden, dass die Gemeinschaftsschule Ersatzschule für „auslaufende“ Hauptschulen oder als Standortsicherung für gefährdete Standorte bestenfalls als die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule gesehen werden kann!

Dadurch ist die Gemeinschaftsschule jetzt schon in ein gefährliches Fahrwasser geraten: Da sich vorwiegend Hauptschulen oder maximal Haupt/Realschulen für das Modell interessieren, ist das Gymnasium im Verständnis der Menschen im Zusammenhang mit Gemeinschaftsschulen nicht vorhanden. Warum sollte da ein Gymnasialschüler auf eine Gemeinschaftsschule wechseln? Ein Stigma scheint vorbereitet, das schwer widerlegbar sein wird! Das Gymnasium muss in einer Gemeinschaftsschule von Anfang an im Boot sein!

  • Neben dem Lehrer als Lernbegleiter (vom Sonderschullehrer bis zum Gymnasiallehrer!) müssen externe Mitarbeiter wie Sozialarbeiter, Logo- und Ergotherapeuten, Heilpädagogen u.a. in das Schulleben einbezogen werden. Gerade durch die Mitarbeit der Sonderpädagogen in den neuen Schulteams würde der Sonderpädagogik eine breitere Bedeutung für alle Kinder/Jugendliche und eine feste Verankerung in dieser Schulart zukommen. Durch inklusives Arbeiten würde die Arbeit dieser neuen Schulart insbesondere aufgewertet.
  • Als sehr problematisch erscheint dem VBE die Vereinigung unterschiedlicher Lehrerqualifikationen in einer neuen Schulart. Lehrkräfte aus Sonderschule, Grundschule, Haupt/ Werkrealschule, Realschule und Gymnasium arbeiten mit unterschiedlichen Arbeitszeiten, unterschiedlichen Ausbildungszeiten und unterschiedlicher Besoldung in einer Schulart! Für den VBE ist damit eine große Baustelle vorprogrammiert!
  • Lerngruppen müssen den traditionellen Klassenverband ersetzen. Sie sind lerntheoretische und soziale Bezugspunkte des Einzelnen. Aber Stammgruppen müssen gerade für schwächere Kinder den notwenigen Halt und die angemessene Geborgenheit bieten. Das erfordert natürlich neben der personellen auch eine sächliche Voraussetzung: räumliche Umgestaltung von Klassenzimmern zu Lernwelten, Schaffung von Lern- und Kommunikationsplätzen und Rückzugsmöglichkeiten für Individualität.
  • Das Problem der wohnortnahen Schule bei rückläufigen Schülerzahlen kann auch durch die Einführung der Gemeinschaftsschule nicht gelöst werden. Es ist an der Zeit, den Schulen und Schulträgern hier „reinen Wein“ einzuschenken und nicht falsche Hoffnungen zu schüren, die nachher zu maßlosen Enttäuschungen führen! Schulschließungen in Flächengebieten werden nicht zu verhindern sein. Hier tut die Wahrheit weh! Politik muss aber zur Wahrheit stehen!
  • Für die Schulträgerschaften ist die Klärung des Umgangs mit der Frage nach der Schulraumsituation und der damit verbundenen Bezuschussung durch die Landesregierung zu klären. Insbesondere sind beim Problem der „Inklusiven Bildung“ viel Fragen offen (Personalsituation, Klassen/Lerngruppengrößen, Behinderten-Ausstattung, Materialausstattung)
  • Zu begrüßen ist, dass Gemeinschaftsschule nur in gebundener Ganztagsschulform stattfinden soll. Denn nur in gebundener Form ist verbindliches individuelles Arbeiten möglich und planbar! Der Lernraum Schule kann nur dadurch zum Lebensraum Schule werden! Dabei ist aber das personelle Problem drückend. Nicht-unterrichtliche Zeiten sollten mit pädagogischem Stammpersonal, das von der Schule auf die Situation vor Ort abgestimmt ausgewählt wird und nicht mit vom Schulträger beschäftigten 400-Euro-Kräften versorgt werden!
  • Integrative Modelle kommen bei der Leistungseinforderung in Erklärungsnot. Es muss jetzt deutlich herausgearbeitet werden, wie die unterschiedlichen  Leistungsniveaus (Sonderschulniveau bis Gymnasialstandard) erreichbar und kompatibel sind.
  • Die Abschlussniveaus der einzelnen Schularten müssen wegen eventuell notwendiger Mobilität der Familien und der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen gesichert sein.
  • Der Ausbau integrierter und integrierender Lernformen über das traditionelle Schulartenverständnis hinaus in einer Schulart und die damit unweigerlich verbundene neue Organisationsstruktur in der Lehrkräfte aller Schularten arbeiten, eröffnet den Einstieg in die Neugestaltung des überkommenen Dienstrechtes im Lehrerberuf. In der Gemeinschaftsschule sind alle Lehrer im gleichen Boot („Alle Lehrer sind Lehrer“)!  „Alle Lehrer sind heute universitär ausgebildete Expertinnen/en, die lehren, erziehen, beraten, und innovieren“ wie der Deutsche Bildungsrat 1970 zusammengefasst hat. Hier fordert der VBE erneut die Gleichwertigkeit der Lehrämter ein!

Der VBE begrüßt jede Weiterentwicklung unseres Schulwesens, die zur Verbesserung von Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen beiträgt. Der VBE sieht eine solche Möglichkeit in der Einführung der Gemeinschaftsschule dort gegeben, wo die Gemeinschaftsschule von allen Beteiligten gewollt und akzeptiert ist und die Rahmenbedingungen erfüllt sind. Zukünftigen positiven Ergebnissen steht der VBE offen gegenüber und wird diese Entwicklung unterstützend begleiten.

Er bemängelt Fehlentwicklungen bei der Einführung solcher Schulen wie Zeitmangel, Informationsdefizite, nicht definierbare Rahmenbedingungen, pauschalierende Qualitätsaussagen, „Hoffnungsschinderei“ für geplagte Schulträger, fehlende Bildungspläne, ungeklärte Situation für Unterstützungssysteme (z.B. Päd. Assistenten).

Eine solche Einführung mit gewaltigen handwerklichen Fehlern hat die zu begrüßende Zielsetzung dieser Schulart durchaus nicht verdient!

„Nichts ist so konstant wie die Veränderung – in der Gesellschaft – so auch in der Schule!“

Beschluss Landesvorstand 17.01.2012

Verantwortlich: Otmar Winzer, Stellvertretender VBE-Landesvorsitzender