Lehrerbild gewandelt: vom faulen Hund zum armen Schwein

VBE zum Weltlehrertag am 5. Oktober

Stuttgart. In der Öffentlichkeit hat sich durch die ständigen Berichte über die ungute Situ­ation an den Schulen das Bild des Lehrers gewandelt: weg vom „faulen Hund“ hin zum „armen Schwein“. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg nimmt den Weltlehrertag am 5. Oktober zum Anlass, die päda­gogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als besonders wertvoll für die Ge­sellschaft zu würdigen.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Wenn trotz schlechterer Arbeitsbedingungen, viel zu großer Klassen, schwieriger ge­wordener Schüler und zunehmender Aufgaben Schulen „laufen“, ist das im Wesent­lichen dem Engagement der Lehrerschaft zuzuschreiben. Doch leider interessiert sich die Öffentlichkeit eher für spektakuläre Vorfälle an den Schulen als für die solide Alltagsarbeit, die dort geleistet wird. Wider besseres Wissen zog man schneller über Pädagogen her, als dass man Lehrer einmal verteidigte. Langsam findet jedoch ein Umdenken statt. Immer wieder hört man: „Ich wollte heutzutage kein Lehrer sein.“

„Es ist durchaus sinnvoll, mit dem Weltlehrertag auf die immense Bedeutung von Bildung und Erziehung für die Zukunft der Gesellschaft hinzuweisen“, sagt VBE-Chef Gerhard Brand. Zur Bewältigung des beruflichen Auftrages benötigten Lehrer die wohlmeinende Begleitung von Presse, Politik und Öffentlichkeit, nicht deren guten Ratschläge oder Vorwürfe.

Die Schule ist jedoch weder ein Reparaturbetrieb noch eine Therapieeinrichtung. Lehrer können nicht alle Probleme lösen, schon gar nicht, wenn das Umfeld nicht mit­zieht. Die Schüler werden heute anders als zu Kaisers Zeiten unterrichtet. Man kann die Schüler nicht mehr alle über einen Kamm scheren, sonst würden schwächere und begabtere Kinder schnell auf der Strecke bleiben. Die Heterogenität der Klassen hat stark zugenommen, nicht nur in den neuen Gemeinschaftsschulen. Individuelles Ein­gehen der Lehrer auf die jeweilige Schülerpersönlichkeit ist selbstverständlich und un­abdingbar für ein erfolgreiches Weiterkommen der Kinder und Jugendlichen – an allen Schularten.

Täglich arbeiten die Lehrer gemeinsam mit den Schülern für eine gute Zukunft des Landes. „Sie haben es verdient, dass man ihre Arbeit anerkennt, wertschätzt und verlässlich unterstützt – und das nicht nur, weil gerade Weltlehrertag im Kalender steht“, sagt VBE-Chef Brand.

Was sind die Lehrer dem Land wert?

Rede des VBE Landesvorsitzenden Gerhard Brand, anläßlich der Personalversammlung, SSA Backnang am 19. November 2012 in Winterbach

Alle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

aber auch wirklich alle, hatten einmal einen Lehrer. Manche verbrachten neun Jahre ihres Lebens mit einem Lehrer, manch andere gar dreizehn, vierzehn, fünfzehn – je nach Begabung und Durchhaltevermögen. So ist selbstverständlich auch jeder in der Lage ein fundiertes Urteil über uns abgeben zu können. Wir werden „Bildner der Zukunft“ genannt, aber auch „Faule Hunde“. Wir werden belächelt und wir werden geachtet – mal mehr, mal weniger – und es wäre doch schön, wenn es lieber einmal mehr, als mehrmals weniger wäre.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Wir nehmen eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft war, vielleicht sogar die wichtigste Aufgabe in einem Land wie Baden-Württemberg, das rohstoffarm ist und deshalb besonders auf Bildung angewiesen. Was wir tun ist im Grundgesetz und in der Landesverfassung ausgeführt. Gibt es einen besseren Beleg dafür, wie wertvoll unser Tun ist?

Aber schlägt unserem Tun auch diese Wertschätzung entgegen? Sind wir unserem Land das wert? Und die Überschrift fragt ja nicht, ob wir dem Land etwas wert sind, sie will es ganz genau wissen und fragt deshalb: „Was sind wir Lehrer dem Land wert?“ Und um diese Frage beantworten zu können gehen ich etwas tiefer ins Detail:

 

1. Finanzielles

 – Im Jahr 2000 wurde die Spreizung in den Altersstufen ausgeweitet, um leistungsabhängige Elemente der Bezahlung, einführen zu können. Das durch die Spreizung eingesparte Geld sollte für Leistungsprämien und Leistungsstufen verwendet werden. Ersteres wurde nie gewährt und Letzteres nun gestrichen.

– Im Jahr 2003 wurde uns das Weihnachtsgeld auf 57,5 Prozent gekürzt und wurde dann im Jahr 2004 als monatliche Auszahlung von 4,79 Prozent in die Gehaltstabelle eingearbeitet.

– Im gleichen Jahr wurde das Urlaubsgeld komplett gestrichen.

– Die Jubiläumsgabe wurde abgeschafft.

–  Zum 1. Januar 2008 wurde die monatliche Auszahlung des früheren Weihnachtsgeldes noch einmal gekürzt. Sie beträgt jetzt noch 50 Prozent und somit 4,17 Prozent pro Monat.

– Noch schlimmer traf es die Versorgungsempfänger. Bei Ihnen wurde eine Kürzung auf 30 Prozent vorgenommen, was einem monatlichen Anteil von 2,5 Prozent entspricht.

– Ebenfalls gestrichen ist das Beförderungsamt für Lehrkräfte an Haupt- und Werkrealschulen. Und damit auch die diesbezüglichen Anhebungen im Bereich der Schulleitungen. Dieses Programm hätte nicht gestrichen werden dürfen, es hätte ausgebaut gehört! Und kein Mensch versteht, warum die Lehrkräfte an Grundschulen nicht in dieses Programm miteinbezogen wurden. Sie haben die gleichen Voraussetzungen, wie die Lehrkräfte an Hauptschulen und unterrichten häufig sogar mit einem Teil ihres Deputates an diesen Schulen.

Es gab aber nicht nur Kürzungen, nein, es gab auch Erhöhungen. So erhöhte sich beispielsweise:

– Die Kostendämpfungspauschale und

– der Eigenanteil an den Wahlleistungen.

Von den Lohnentwicklungen wurden wir nicht ausgenommen. Sie orientierten sich an den Entwicklungen im Tarifbereich bei den Angestellten. Nicht immer wurden sie in gleicher Höhe übertragen und schon gar nicht zur gleichen Zeit. Meist war es doch so, dass bis zur Besoldungsstufe A 10 eine zeitverzögerte Auszahlung zum August anstand und in den Besoldungsgruppen ab A 11 sogar erst im November die letzte Tranche der Erhöhung umgesetzt wurde.

Bei der letzten Gehaltserhöhung gab es 1,2 Prozent mehr, aber erst im August, während der Tarifbereich die Gehaltserhöhung schon zum März erhielt – auch hier kann man sich fragen: Warum eigentlich nicht zum Januar für alle? Aber zurück zur Erhöhung: Die verzögerte Auszahlung bei den Beamten sparte dem Dienstherren rund 270 Euro pro Beamten ein. Wenn wir diese Verzögerung in die prozentuale Gehaltserhöhung einrechnen, dann liegen wir unter der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes. Unser Gehalt nimmt in seiner Kaufkraft ab. Und das ist das, was Sie schon lange spüren, wenn Sie einkaufen gehen: Das Geld reicht immer weniger aus.

Das letzte Husarenstück – aber ich fürchte es wird das letzte nicht sein – ist die geplante Absenkung der Eingangsbesoldung im Bereich der Lehrer in A 9 und A 10 um 4 Prozent und ab A 12 um 8 Prozent, für die Dauer von drei Jahren. Bei einer Eingangsbesoldung in A 12 und einem Bruttogehalt von 3.200 Euro sind das pro Monat 256 Euro. Da ein Jahr, wie wir alle wissen, zwölf Monate hat, sind das in einem Jahr 3.072 Euro. Nahezu ein volles Monatsgehalt pro Jahr. Unsere jungen Kolleginnen und Kollegen haben also keine 12 Monatsgehälter mehr im Jahr, sondern nur noch elf. Das ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten.

Ich denke, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, so langsam bekommen Sie einen Eindruck davon, was dem Land seine Lehrer wert sind. Ich denke, dass alles hatten Sie schon so vermutet, aber in dieser Deutlichkeit und in dieser Zusammenstellung wird es noch einmal besonders deutlich.

Ich sage es ja ungern, aber es hört noch nicht auf: Für 2013 müssen wir uns wappnen, denn es stehen weitere Einschnitte an: Ich darf sie jetzt nur holzschnittartig nennen: Einschnitte bei den Versorgungsempfängern, Einschnitte bei der Beihilfe, weitere Verzögerungen oder Aussetzungen bei den Gehaltsrunden um nur den fiskalischen Teil zu nennen.

 

2. Aber Wertschätzung äußert sich nicht nur in Geld

Unsere Arbeitsbedingungen sind, und das ist ja auch normal, in einem stetigen Wandel begriffen. Normal ist es dann aber auch, auf diesen Wandel eingehen zu können. Und das führt uns zu der Frage: Können wir das? Versetzt uns unser Dienstherr in die Lage adäquat auf die sich uns entgegenstellenden neuen Herausforderungen eingehen zu können?

Grundschulen

Wir sehen zunehmend die Notwendigkeit einer engen Kooperation zwischen Grundschule und Kindertagesstätte. Diese Notwendigkeit sieht unser Dienstherr auch. Seit diesem Jahr haben wir erstmals eine Stunde für diese Kooperation erhalten. Das ist ein Anfang. Aber jede Grundschullehrkraft kann  sehr deutlich klar machen, dass eine Stunde ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wenn diese Kooperation intensiv und für die Beteiligten, insbesondere die betroffenen Kinder, gewinnbringend sein soll, dann muss ein Mehrfaches investiert werden um diese notwendige Kooperation zum Erfolg zu führen. Wie sieht es an der Schule aus? Die Lehrkräfte, die die Schnittstelle zu den Kindertageseinrichtungen stellen, schneiden sich die Zeit aus den Rippen heraus. Das ist persönliches Engagement für die Kinder, für die Schule, für die Profession. Das bringen wir Lehrer, da sind wir verlässliche Partner. Wir arbeiten über das Maß hinaus – und unser Dienstherr sieht zu. Wo bleibt da die Fürsorge zu der sich unser Dienstherr verpflichtet hat? Wo ist die Wertschätzung unserer Arbeit?

Haupt- und Werkrealschulen

Die Kolleginnen und Kollegen in den Haupt- und Werkrealschulen haben ein flaues Gefühl im Magen – ich werde jetzt mal ein wenig flapsig und sage, um dieses Gefühl zu verdeutlichen: Es ist so, als hätten Sie einen Termin beim Kieferchirurgen zum Entfernen der Weisheitszähne und man lässt Sie vollkommen im Unklaren darüber, ob man ihnen eine lokale Anästhesie verabreichen wird – oder vielleicht auch nicht. Mit diesem Gefühl gehen unsere Kolleginnen und Kollegen jeden Morgen in die Schule, von der sie nicht wissen, ob es diese im nächsten Jahr noch gibt und was dann mit ihnen selbst passieren wird. Wenn Veränderungen in der Bildungslandschaft in großem Stil vorgenommen werden, dann ist es eine Pflicht des Dienstherren von vornherein, und nicht erst im Nachgang, dafür Sorge zu tragen, dass die Lehrkräfte an die Hand genommen werden, dass ihnen verlässliche Perspektiven aufgezeigt werden, die auch wirkliche Perspektiven sind und keine Augenwischerei. Es ist uns allen klar, dass bei zurückgehenden Schülerzahlen nicht jede Schule gehalten werden kann – da müssen wir uns nichts vormachen. Das eine Regierung darauf reagiert ist richtig. Aber es geht hier und heute um das Wie! Es geht darum, wie sie das tut und wie sie die Menschen einbindet, die diesen Karren nachher ziehen sollen, nämlich uns Lehrer – und auch das hat etwas mit Wertschätzung zu tun.

Realschulen

Wie geht es unseren Kolleginnen und Kollegen in den Realschulen? Um diese Situation zu beschreiben reichen zwei Worte: Nicht besser! Auch sie spüren, dass die Realschulen, die immer stärker ins Zentrum der Schullandschaft gerückt sind und einen besten Ruf bei Eltern und in der Wirtschaft genießen, von den Veränderungen betroffen sein werden. Ganz aktuell, hat nach dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung, die Heterogenität, zunächst einmal in der fünften Klasse, zugenommen. Das ist auch gewollt, denn in der Heterogenität liegt die Chance, Vielfalt statt Einfalt sagt die Landesregierung. Warum fragt man denn nicht einmal die, die davon betroffen sind? Diese Worte habe ich von den Kolleginnen und Kollegen aus den Realschulen nicht gehört. Da höre ich, dass der Druck schon seit Jahren enorm ist und sich jetzt noch einmal gesteigert hat. Wenn Heterogenität gefordert wird, dann müssen die Schule auch in die Lage versetzt werden, dieser gesteigerten Heterogenität gerecht werden zu können. Dann sind Stunden nötig, um die Schüler aufzufangen, die mit dem Unterrichtsumfang und -tempo der Realschulen nicht Schritt halten können. Dann sind mehr Lehrer notwendig, um in vollen Klassen das Niveau halten zu können – ohne dass die schwächeren Schüler hinten runter fallen. Wer Kindern den Besuch einer Schulart ermöglicht, der muss auch dafür Sorge tragen, dass diese Schulart in die Lage versetzt wird, diesen neuen Anforderungen gerecht werden zu können – und auch das hat etwas mit Wertschätzung zu tun. 

Sonderschulen

Die Kolleginnen und Kollegen an den Sonderschulen spüren eine große Verunsicherung. Wie wird sich Artikel 24 der UN-Konvention auf ihre Arbeit und auf ihre Profession auswirken. Was wird die Landesregierung tun, um die Vorgaben der Konvention über Menschen mit Behinderungen umzusetzen? Nichts – bis jetzt und die Verunsicherung bleibt. Uns allen ist klar: Inklusion wird nicht ohne Mittel auskommen. Das ist sehr nüchtern gesprochen. Im Klartext heißt das: Es wird verdammt viel Geld nötig sein, wenn die Inklusion verantwortungsvoll umgesetzt werden soll. Es ist kaum anzunehmen, dass die Landesregierung Mittel in ausreichendem Umfang zur Verfügung stellen wird – oder auch kann. Werden wir dann eine Inklusion light bekommen? Auch hier gilt die Frage: Wo beteiligt die Landesregierung die Menschen, die die Veränderungen vor Ort, an der Basis, mit den Eltern und Kindern umsetzen sollen? Während des Landesparteitages der SPD sagte ein Delegierter während einer Pause am Stehtisch zu der Kultusministerin, wörtlich: „Wenn man einen See trocken legen will, dann darf man nicht die Frösche fragen.“ Der Satz dieses Volksvertreters hat nichts mit Wertschätzung zu tun.

Gemeinschaftsschulen

In diesem Jahr ging die erste Gemeinschaftsschule in unserem Schulamtsbezirk an den Start. Ich konnte mir noch kein Bild davon machen, was ich bedauere aber nachholen werde. Die Gemeinschaftsschulen verkörpern einen vollkommen anderen Schultyp, was die angewandte Methodik betrifft, auch was das pädagogische Verständnis betrifft, aber auch was die äußeren Rahmenbedingungen betrifft. Diese Schulart ist auf eine enorme Unterstützung angewiesen, wenn sie zum Erfolg geführt werden soll. Beispiele wie die Freie-Schule-Anne-Sophie oder die Beatenbergschule zeigen uns deutlich, welch finanzielle Anstrengungen nötig sind – allein schon, wenn wir die personelle Ausstattung und die baulichen Maßnahmen betrachten. Die Landesregierung ist in der Pflicht, diesem neuen Schultyp diese Unterstützung zukommen zu lassen – aber: Sie ist auch in der Pflicht dies nicht einseitig zu tun. Alle Schularten haben das Recht auf gleiche Behandlung. Und deshalb sehe ich auch nicht im Geringsten, wo in der Bildung gespart werden könnte. Wer das Angebot ausweitet und gleichzeitig die Qualität steigern möchte, der muss auch die Finanzierung sicherstellen – auch das hat etwas mit Wertschätzung zu tun.

 

3. Wo bleibt die Fürsorge

Wertschätzung hat auch etwas mit Fürsorge zu tun. Sie wissen es so gut wie ich, die Arbeit ist nicht leichter geworden. Die Anzahl der Schüler, die unsere besondere Aufmerksamkeit benötigen, steigt – ebenso wie die Anzahl der Gespräche mit den Erziehungsberechtigten. Immer häufiger benötigen wir die Hilfe außerschulischer Dienste – sei es bei den Integrationshelfern, den SPZ, dem Jugendamt, dem Sozialamt und vielem mehr. Und in immer größerem Umfang wird Schule mit der Außenwelt vernetzt. Wir sehen das bei der Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen – ohne die so manche Ganztagesschule nicht möglich wäre –, ebenso wie bei der Intensivierung der Kontakte mit der Wirtschaft und der Berufsorientierung.

Angebote, wie ein Schulgarten, eine Schülerbücherei, ein Schulchor, eine Theater-AG, eine Forschergruppe und vieles mehr, findet heute keine Berücksichtigung mehr in der Stundenzuteilung. Nicht einmal Förderstunden und Stunden im LRS-Bereich können verlässlich gegeben werden. Wir sehen den Bedarf, der dahinter steckt. Wir sehen, welche Wirkung davon für das Schulleben ausgehen würde und wir sehen auch, welchen Wert es in der Politik einnimmt. Natürlich sind dafür Lehrerstellen nötig. Aber die beabsichtigte Streichung von jährlich rund 1.000 Lehrerstellen ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was getan werden muss!

Und auch das Märchen von der demographischen Rendite überlebt sich in der realen Betrachtung: Der Schülerrückgang ist zweifellos vorhanden. Rechnerisch müsste die Versorgung im Direktbereich um 1,2 Prozent zurückgefahren werden können – aber wie es sich zeigt, ist das Gegenteil der Fall: Die Versorgung im Direktbereich ist um 0,3 Prozent angestiegen! Das hat etwas mit dem Ausbau an Ganztagesschulen zu tun, ebenso wie mit der Gabe der einen Stunde für die Kooperation mit den Kindertagesstätten. Es zeigt sich jetzt schon deutlich, dass der geplante Abbau von rund 1.000 Lehrerstellen pro Jahr, der dieser demographischen Rendite geschuldet sein soll, sich in der Realität nicht niederschlagen wird, wenn man auch nur ein Fünkchen von Qualität im Schulleben belassen möchte.

Fragen Sie mich, wie die 1.000 Stellen eingespart werden sollen. Wird das Unterrichtsangebot reduziert? Nein, letzte Woche konnte man es in der Zeitung lesen: Im AE Bereich, das ist das allgemeine Entlastungskontingent, soll gespart werden. Sparen bei der Entlastung! Das sind die Stunden, die die Altersermäßigung betreffen, das sind die Stunden, die die Systembetreuung betreffen, also den Multimediaberater zum Beispiel, es sind aber auch die Stunden, die sie für die Betreuung und Pflege der Schülerbibliothek, des Schulgartens und vieler anderer Dinge benötigen – ich kann Ihnen nicht sagen, ob unser Dienstherr von uns erwartet, dass wir das dann, wie es so schön heißt, on-top machen – oder ehrenamtlich. Mit Wertschätzung hat das nichts zu tun.

„Die neue Landebahn ist schon fast fertig!“ Ich hatte letzte Woche eine Postkarte aus Berlin in der Hand. „Morgennebel über einem weiten, unberührten Feld und im Vordergrund steht ein Arbeiter der gerade seinen Spaten in die Erde rammt. In der Bildunterschrift stand: „Die neue Landebahn ist schon fast fertig.“ Das Bild erinnerte mich spontan an den Arbeits- und Gesundheitsschutz hier bei uns im Land. Der Spaten steckt, aber so lange sich der Arbeits- und Gesundheitsschutz auf eine vegetarische Variante in der Schulküche beschränkt, ist er eben noch nicht fertig. Und um ehrlich zu sein, ich sehe auch keine Konzepte, die zu einem Gelingen beitragen könnten, da Vieles, was getan werden muss in den Kompetenzen zwischen Land und Kommune versickert. Klare Regelungen fehlen und auch das hat nichts mit Wertschätzung zu tun.

 

4. Was ist zu tun

Länderfinanzausgleich

Ich sage Ihnen: Kein Geld ist immer da! Solange Baden-Württemberg im Länderfinanzausgleich, im Durchschnitt der letzten zehn Jahre, jährlich 2,25 Milliarden Euro – und zwar Inflationsbereinigt – zahlt, dann darf man sich doch wundern. Wundern darf man sich vor allem dann, wenn man betrachtet, was manche Nehmerländer mit dem Geld machen. Da gibt es dann so schöne Sachen wie:

– Beförderungsämter nach A 13 in Thüringen

– A 13 für alle Lehrerinnen und Lehrer in Rheinland-Pfalz

– 10-semestriges Studium für alle Lehramtsstudierenden in Nordrhein-Westfalen

– Freie Kindergartenplätze in Berlin

Steuerabkommen mit der Schweiz

Hoffen darf man indessen auch auf eine mögliche Korrektur des geplanten Steuerabkommens mit der Schweiz. Baden-Württemberg hat sich klar positioniert und in der Länderkammer gibt es eine Mehrheit für die Ablehnung der aktuellen Vorlage. Auch hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es um Milliarden!

Steuerplus

Das führt uns letztendlich noch zu der Frage: Wo sind die 2 Milliarden Mehr an Steuereinnahmen hin? Ich kann es Ihnen nicht sagen. Aber niemand soll mir sagen, es sei kein Geld da, wenn so gewirtschaftet wird.

Ich würde mich gerne bei den Politikern bedanken, wenn sie einem doch nur Anlass dazu böten.

Vielleicht bietet sich der Anlass hier und wenn die Politik an dieser Stelle ihre Hausaufgaben gut macht, dann müssen wir über Sparmaßnahmen im Bildungsbereich nicht mehr reden. Aber dann reden wir noch einmal über die Wertschätzung die uns zusteht!

 

Ich schließe mit einem Blick auf eine Überschrift, die ich vor einer Woche einem Artikel über die armen Kinder in der Schule entnommen habe:

Die Überschrift lautete: „Die arme geschundene Kreatur“

Kolleginnen und Kollegen, ich frage sie auf welcher Seite des Pultes sitzt sie denn, die arme geschundene Kreatur?

Ich danke Ihnen.

VBE: Am 5. Oktober wird der Weltlehrertag „volljährig“

Arbeit der Pädagogen wertschätzen und unterstützen

Stuttgart. Zum 18. Mal steht in den Kalendern der Weltlehrertag, der am 5. Oktober 1994 von der Unesco ins Leben gerufen worden ist. Der Verband Bildung und Erzie­hung (VBE) Baden-Württemberg nimmt den Tag zum Anlass, auf die Bedeutung von Bildung hinzuweisen. Während früher ausschließlich Adlige und Begüterte sich für ihre Kinder den Luxus „Unterricht“ leisten konnten, kommen jetzt – zumindest in westlichen Kulturkreisen – alle in den Genuss solider schulischer Bildung. Dazu trägt eine große Schar von Lehrkräften tagaus tagein mit vollem Einsatz bei.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Wenn trotz schlechterer Arbeitsbedingungen – wie viel zu großer Klassen, schwierige­rer Schüler und zunehmender Aufgaben – Schulen „laufen“, ist das im Wesentlichen dem Engagement der Lehrerschaft zuzuschreiben. Doch leider interessiert sich die Öf­fentlichkeit eher für spektakuläre Vorfälle an den Schulen als für die solide Alltagsar­beit, die dort geleistet wird. Wider besseres Wissen stimmt man oft schneller in eine Pädagogenschelte ein, als dass man Lehrer verteidigt. Durch Unkenntnis der wirkli­chen Arbeitssituation bricht – meist saisonal bedingt – immer wieder Ferienneid aus.

„Insofern ist es durchaus sinnvoll, mit den Weltlehrertag auf die immense Bedeu­tung von Bildung für die Zukunft einer Gesellschaft hinzuweisen“, sagt VBE-Chef Gerhard Brand. Zur Bewältigung ihres beruflichen Auftrages benötigten Lehrer die wohlmeinende Begleitung von Presse, Politik und Öffentlichkeit, nicht deren ver­meintlich guten Ratschläge oder gar deren Vorwürfe.

Die Schule ist kein Reparaturbetrieb und keine Reha-Klinik. Lehrer können nicht al­le Probleme lösen, schon gar nicht, wenn das Umfeld nicht mitzieht. Die Schüler werden heute anders als vor 100 Jahren unterrichtet. Die Heterogenität der Klassen hat stark zugenommen, nicht nur in den neuen Gemeinschaftsschulen. Man kann die Schüler nicht mehr alle über einen Kamm scheren, sonst würden schwächere und be­gabtere Kinder schnell auf der Strecke bleiben. Individuelles Eingehen der Lehrer auf die jeweilige Schülerpersönlichkeit ist selbstverständlich und unabdingbar für ein er­folgreiches Weiterkommen der Kinder und Jugendlichen – an allen Schularten.

Täglich arbeiten die Lehrer gemeinsam mit den Schülern an der Zukunft des Landes. „Sie haben es verdient, dass man ihre Arbeit anerkennt, wertschätzt und verlässlich unterstützt – und das nicht nur, weil gerade Weltlehrertag ist“, sagt VBE-Chef Brand.

4. Oktober 2012

Ein gutes neues Jahr

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr VBE wünscht Ihnen von ganzem Herzen ein gutes neues Jahr. Wir wünschen Ihnen Gesundheit, wir wünschen Ihnen Glück und Freude in Ihrem Tun und schöne Begegnungen. Es sind die Dinge, die man sich einander wünscht zum neuen Jahr. Aber was den Neujahrswünschen seltener zu entnehmen ist, sind die Wünsche für Geborgenheit und Vertrauen, für Anerkennung und Verständnis sowie für Sicherheit und Verlässlichkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind Wünsche, die wir auch an unseren Dienstherrn richten.

Wir wünschen uns von ihm das Gefühl der Geborgenheit und des Vertrauens in unsere Arbeit als Profis für Bildung und Erziehung. Und dazu gehört, dass man uns in Ruhe und Kontinuität arbeiten lässt. Unser Beruf ist hart geworden, und mehr als die Hälfte von uns schafft es nicht mehr, gesund bis zum regulären Pensionsalter im Dienst zu bleiben. Da ist es nicht dienlich, wenn man uns von einer Ecke in die andere hetzt und unser Tun den Wechselströmen der Politik ausgesetzt ist. Die Frage nach Geborgenheit ist auch nicht kindlich naiv, sondern es ist die Voraussetzung für physische und psychische Gesundheit und somit auch eine Verpflichtung unseres Arbeitgebers gegenüber seinen Lehrerinnen und Lehrern. Wir fragen das Ministerium: „Wie sieht es aus mit der Geborgenheit?“

Wir wünschen uns Anerkennung und dazu gehört Wertschätzung. Wertschätzung, die sich auch in unserer Stellung als Beamte des Landes Baden-Württemberg ausdrückt und die uns stolz darauf sein lässt, unserem Land und der Gesellschaft dienen zu dürfen. Eine Anerkennung, die uns zeigt, welch ein hohes Gut Bildung für ein Land darstellt und welch hoher Wert somit auch unserer Arbeit zukommt. Einer Arbeit, die wir Beamte zuverlässig und ohne Unterbrechung durch Streiks leisten. Und an dieser Stelle wünschen wir nicht nur, sondern fordern für unsere Tarifbeschäftigten eine Überführung in den Beamtenstatus oder eine Gleichstellung in den Arbeitsbedingungen und der Besoldung. So, wie sie der VBE schon bei den Verhandlungen zur Länder-Entgeltordnung gefordert hat. Das hat auch etwas mit Anerkennung und Verständnis zu tun. Und da fragen wir die Landesregierung: „Wie sieht es aus mit der Anerkennung?“

Wir wünschen uns Sicherheit und dazu gehört auch finanzielle Sicherheit. Wir wünschen uns Verlässlichkeit, und dazu gehört, dass man Wort hält, wenn man sagt, die Beamten seien in der Vergangenheit schon genug belastet worden und weitere Einschnitte in der Beihilfe und bei den Versorgungsempfängern kämen nicht mehr in Frage. Eine Aussage, die die SPD noch vor der Wahl getroffen hatte. Es ist eine der Aufgaben Ihres VBE, sich dafür einzusetzen, dass die, die aus Beruf und aus Berufung der Gesellschaft dienen, dafür auch angemessen honoriert werden. Wir nehmen die SPD beim Wort und fragen: „Wie sieht es aus mit der Verlässlichkeit?“

Vor Jahren hat unser amtierender Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gesagt, wer in den öffentlichen Dienst gegangen sei, der habe gewusst, dass er nicht reich werden würde. Ohne Zweifel – aber im Eid des Beamten auf die Verfassung ist nicht auch noch das Gelübde der ewigen Armut enthalten; das ist der klösterlichen Abgeschiedenheit vorbehalten.

Wir werden ein ereignisreiches neues Jahr vor uns haben. Lassen Sie es uns engagiert angehen!

Es grüßt Sie herzlichst Ihr VBE Landesvorsitzender

Gerhard Brand